Mir persönlich ist es ja nicht ganz so wichtig, wohin wir fahren, Hauptsache wir fahren.
Als wir gestern aufgebrochen sind, hat sie mir schon gesagt, dass wir „dienstliches“ zu erledigen haben. Ein Himmel muss her, meint sie, als ob da nicht genügend Himmel über uns wäre. Zum Fetzenmüller in Bruck und was besorgt sie, einen Himmel wie aus einer dünnen Nebelschicht, nicht blau nicht weiß, ein zartes hellgrau, aber ich müsste noch warten, meinte sie, bis sie in mir anziehen wird. Und im Künstlerbedarf will sie auch noch vorbeischauen, eine Jause wäre auch nicht schlecht, sagt sie.
Hauptsache wir fahren. Und sie staunt. Wir sind noch immer zu schnell unterwegs, wirft sie ein. Viel zu viele Dinge würden wir noch links liegen lassen.
Der Föhn ist angesichts der Jahreszeit nur für Meteorologen warm, aber der Sturm passt zum Herbst. Manchmal rüttelt er auch an mir. Die Bäume in ihren vielen Farben lassen sich zum Tanz einladen. Silbern glänzen die Blätter der Pappeln und strecken ihre Äste hinauf und streicheln den hellblauen Himmel zart. Manchmal sieht es so aus, als ob sie die Wolken zeichnen und die langen Fäden ziehen. Hin und wieder mischen sich rote Blätter in den Silberhaufen hinein. Aber es sind auch orange, gelbe und immer noch viele grüne zwischendurch dabei, die nicht aufgeben wollen, das Jahr zu verlängern. Alle tanzen zum Lied des Winds. Irgendwie wäre es schön, mit ihnen tanzen zu können. Die Arme nach oben gerichtet, der Melodie des Sturms folgen.
Noch sind wir auf der Autobahn, der Tower des Flughafens links und rechts eine ganz andere Welt: Altwasser der Donau, die passend zu den Bäumen silbern glänzen. Die Flieger haben immer so viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen, dass sie, die Au, noch bevor ich in ihr Leben kam, nicht wirklich wahrgenommen hat. Aber nun sitzt sie höher und sieht mehr und plötzlich ist die Welt eine andere. Als sie Tage später nachsieht, stellt sie fest, dass sie tatsächlich einen Teil des Nationalparks Donau-Auen gesehen hatte.
Endlich geht es rauf ins Weinviertel. Wir legen eine Pause ein und schauen zu, wie Stare vom Wind getrieben in Kreisen über ein Feld wirbeln. Anfangs ist uns nur ihr rhythmische Auf und Ab aufgefallen, sie setzen sich und lassen sich dann vom Wind wieder hinauftreiben, hundert, zweihundert, viel zu viele, um sie zu zählen. Ein Vogelballet. Etwas erinnert an die riesigen Fischschwärme, die durch ihre Kreise riesige Türme im Wasser bilden. Aber die Stare sind flexibler, ihre Flugbahnen bilden Wellen, an einer Stelle klein, an der nächsten brausen sie wieder groß auf, setzen sich wieder, warten auf die nächste Böe, um das Spiel von Neuem zu beginnen. Erst später sehen wir, dass sie ihr Spiel mit einem Bauern treiben, der seine Furchen mit dem Traktor in den Acker zieht. Damit ihm das Pflügen der geraden Bahnen nicht langweilig wird, spielen sie mit ihm.
Wir fahren an braune Bergen vorbei. Zuckerrüben türmen sich. Die Ernte verrät, wie wichtig den Menschen das süße Leben geworden ist. Ein ganzer Zug, fünf/sechs Wagons, ist bis oben hin gefüllt und am Platz davor liegen noch etliche Rüben wie Steine wirr herum.
Die Lady vom Navigationssystem ist inzwischen völlig verwirrt. Kreisverkehre von denen sie nichts weiß, Umleitungen, die es notwendig machen ihren Anweisungen nicht zu folgen, die kleinen Hinweisschilde verwirren aber auch meine Fahrerin, wir kreisen verzweifelt zwischen ihren Anweisungen und unseren Bemühungen den Weg nach Asparn an der Zaya zu finden. Als wir endlich dort angelangt sind, finden wir alle, dass wir lieber morgen ins Museum schauen. Landluft schnuppern und vor allem ein Plätzchen für die Nacht finden. Wir fahren. Und verwundert mitten im Nichts Hinweisschilde für einen Parkplatz zu finden, fahren wir einen Hügel rauf. Wo wir gelandet sind, wird euch Ruth selbst verraten.
Inzwischen jammert sie ein wenig herum. Alles ist absolut neu. Nichts Routine, überall holpert es. Kühlbox neu, Herd neu, Bett noch unberührt. Sie bewegt sich ziemlich hilflos in meinen Eingeweiden herum, dabei hat sie gar nicht so viel zur Auswahl, einmal vor und zurück. Aber sie weiß noch nicht, wann es günstig ist, unter Bänke zu schauen, was sie wo wann herausholt oder hinräumt, damit es richtig gemütlich wird. Ich selbst verstehe allerdings nicht, was es da zu jammern gibt.
Die erste Nacht beginnt viel früher als geplant, denn ihr wurde zwar verraten, dass das Licht nach 45 Minuten ausgeht, es sich aber nicht einfach durch Ein- und wieder Öffnen einschalten läßt, Türe auf, aber es braucht noch einen Tag, bis sie es versteht. In der Zwischenzeit ist sie froh, das winzige Lichtlein eingepackt zu haben, um nicht dauern mit meinen Schlössern Tür auf zu spielen. Bald schläft sie ein, müde von den vielen Abenteuern, die sie mit mir erlebt hat.
Sie ist schon ein wenig verrückt, in der Nacht wachte sie auf, weil sie von einem Witz träumte, über den sie so lachen musste, dass sie sich ihn unbedingt merken wollte. Sie wacht sonst nie auf, Träume sind Schäume, sagt sie. Und weg war er, so schnell konnte sie gar nicht aufwachen. Sie wollte ihn mir so gerne erzählen. Irgendein Apostel hat ihn ihr erzählt. Was gut zu der Umgebung passt, wo wir die Nacht verbracht haben.
Am Morgen steht sie auf, um der Sonne beim Erwachen zuzusehen, kocht ihren ersten Kaffee, hilft mir bei den ersten Notizen, bevor wir ins Museum aufbrechen.