Goldschatz gefunden

Es gab immer wieder Momente in meinem Leben, wo ich feststellte, dass ich sehr reich bin. Aber mein Reichtum hatte nie mit Geld zu tun (wenn dann doch Geld auftaucht, dann bin ich noch immer sehr überrascht).

Mein Reichtum begründet sich auf Freunde, der Möglichkeit zu lernen, Kreativität, Zeit, Erlebnissen, Wissen – einem aktiven Leben.

Freunde schenken mir Geborgenheit.

Es sind meine Freunde, mit denen ich singe, spazieren gehe, bei einem guten Essen Gedanken austausche, und in besonderen Stunden Offenheit erfahre. Sie sind ein wichtiger Bestandteil meines Reichtums, vielleicht der wichtigste. Wie froh bin ich, dass ich sie habe. Als Mensch bin ich auf andere angewiesen und ich werde ganz still und demütig, wenn ich mit ihnen sein darf – im Herzen, außen lache ich ganz laut und bin alles andere als still. Wobei ich in letzter Zeit immer frecher werden, was mir irgendwie bekannt vorkommt. Ich glaube mit 13 Jahren war ich ähnlich aufmüpfig. Aber ich bekenne, dass ich mir selbst gegenüber mindestens genauso frech bin, denn es bringt mich zum Lachen. Und ich lache so gerne. Und eigentlich will ich damit auch andere Menschen zum Lachen bringen. Der Mensch allerdings, über den ich am liebsten lache, bin ich selbst. Sollte meine Zunge dich treffen, dann ist es eine zugegebener Maßen sehr verrückte Liebeserklärung, mit der ich dich zum Lachen bringen will. Denn Lachen gehört wohl auch zu den größten Reichtümern, die man im Leben erringen kann.

Während der Zeit des langen Abschieds von meinen Eltern fürchtete ich nichts mehr, als keine Familie mehr zu haben, und ich bin sehr froh, dass ich mich von beiden lange verabschieden konnte, dass wir Frieden fanden in unseren Herzen und alle Unterschiede, die uns oft verzweifeln ließen, am Ende keine Rolle mehr spielten. Alle Turbulenzen konnten wir in Frieden umwandeln, sodass uns noch ruhige Stunden blieben, auch wenn mich die Trauer immer wieder gefesselt hielt. (Meine Mutter und mein Vater hatten Alzheimer, es war also ein langsamer Abschied über Jahre). Aber die Panik ohne Familie weiterzuleben, war oft mit mir. Speziell, weil in dieser Zeit auch langjährige Freunde gingen. Ich begann den Spruch, „In der Not erkennst du deine wahren Freunde“, zu hassen. Und noch viel mehr: das verlorene Vertrauen. Erst spät erkannte ich, was in meinem Herzen zerbrochen war.

Damals entdeckte ich eine ganz spezielle Freundschaft: Die Liebe zur Erde, dem Planeten, auf dem ich lebe. Wie ein Liebhaber begann ich sie zu beobachten, zu hören, und zu spüren, was das Besondere ist, ich fing an zu lesen und zu lernen, was unseren Planeten ausmacht, wie sich seine Entwicklung gestaltete, wie die Erde ein Zuhause nicht nur für Menschen wurde. Und es ist eine sehr außergewöhnliche Liebe und gar nicht esoterisch, wie es im ersten Moment erscheinen könnte.

Es war Neugier, die mir half, die Trauer zu vergessen.

Ich meine entdeckte meine Heimat neu: Die Erde. Ich lernte von Kontinenten, von Vulkanen, der Evolution, dem Klima, und vielem mehr. Das hat meinen Blick verändert.

  • Wenn ich heute auf die Kalkalpen schaue, denke ich an die vielen Tiere, die dessen Fundament bilden.
  • Wenn ich einen Vulkan sehe, dann erinnert er mich daran, dass es die Kontinentalplatten sind, die sich bewegen und wenn sie in die Erdkruste eintauchen, kommt Heißes zum Vorschein, und viele Kilometer weiter weg türmen sich Berge in die Höhe.
  • Wenn ich eine neue Straße sehe, dann muss ich daran denken, dass dort wieder Leben verloren gegangen ist.
  • Und sehe ich eine Spinne, dann weiß ich, dass auch sie am Ende einer Evolutionskette steht, auch sie ist die Jüngste von allen Spinnen, die einst vor ihr waren.
  • Sehe ich Flechten, dann weiß ich, dass sie uralt sind und als erste an Land kamen und Felsen langsam in Erde verwandelten, die dann den Pflanzen halt geben konnte. Allein der Gedanke, dass alle fruchtbare Erde unter unseren Füßen vergangenes Leben ist, berührt mich tief. Und dass Flechten nie alleine sind, denn sie gibt es nur in Kombination: ein Pilz und Cyanobakterien haben sich zusammengetan, um als Flechte auf der Erde zu existieren.
  • Die Cyanobakterien, die die ersten waren, die Sauerstoff erzeugten, sodass irgendwann Leben wie wir es kennen erst möglich wurde. Davor blubberten Bakterien und andere Einzeller in ziemlich giftigen Gasen und Wasser herum, das uns ganz und gar nicht wie unsere Welt erschienen wäre.

Angesichts dieser vielen Wesen, die mein Leben erst ermöglichten, bin ich demütig. Mit dem Wissen um sie, kam die Verbundenheit mit ihnen. Sie alle ermöglichten, dass es heute Menschen gibt. Vielleicht müssen Astronauten erst mal von oben herab schauen, um zu erkennen, wie klein wir sind. Ich nicht, ich habe in die Vergangenheit geschaut. Wenn ich nur 30 Generationen zurückgehe, sehe ich 1 Milliarde Menschen, die mein Leben ermöglichten, und da sind gerade mal 500 bis 1000 Jahre vergangen. Was für ein wunderbarer Zufall bin ich.

Betrachte ich all dieses vielfältige Leben zusammen, erkenne ich, dass ich Teil des Ganzen bin, Teil von ganz viel Wunderbaren auf unserer Erde. (Wissen zu finden, geht heute leichter wie je zuvor, mit Leserausweis und Youtube habe ich praktisch alles gratis lernen können).

Neben meinen Freunden brauche ich aber auch andere Helfer für meinen Reichtum. Von meiner Neugier, die Welt zu verstehen, habe ich gerade erzählt.

Aber, was tun, wenn der Kopf vor lauter Gedanken zu rauschen und rauchen beginnt?

Beispiele aus dem Adventkalender 2017
Beispiele aus dem Adventkalender 2017

Da fange ich an, etwas mit meinen Händen zu tun. Da zeichne ich einfache Dinge, die zwingen, mich zu konzentrieren, und kein anderer Lärm kann mich stören. Ich kann keinen geraden Strich ziehen und zugleich über komplexe oder emotionale Dinge nachdenken. Da bin ich ganz bei meinem Stift und dem Strich, den ich ziehe. Mein Hirn bekommt andere Nahrung und nimmt sie dankbar auf. Viele Bilder sind so entstanden, für mich ist es eine Form der Meditation. Dass sie Menschen gefallen, ist cool, aber nicht das Wichtigste. Die Ruhe im Kopf, darum geht es mir.

Aber erst gestern ist mir eingefallen, dass ich schon vor 30 Jahren Briefpapier gestaltete, damals als man noch zur Post ging, um Briefe zu wegzuschicken. Jedes Jahr zu Weihnachten gab es einen Stapel buntes Papier mit einem kleinen Motiv von mir.

Dass es da noch Stricken gibt, Speckstein-Schnitzen, oder Kochen (das ich derzeit überhaupt nicht mag), Schmuck und Gestecke, Töpfern und Tadelakt, zeugt nur von meiner Ungeduld. Nein, das ist mein Leben lang nicht besser geworden. Ich nenne es, meinen persönlichen Kindergarten ausleben. Ich bin nicht jemand, der jahrelang das Gleiche machen kann. Anstatt mich zu tadeln, betrachte ich es inzwischen als eine Tugend, keine Expertin zu sein, sondern nur eine leidenschaftliche Amateurin. Und jene, die sich einer Sache ganz und gar widmen können, bewundere ich zu tiefst. Sie werden vermutlich gar keine Freude daran haben, 1000 und 1 verschiedene Dinge zu machen. Wie wunderbar, dass wir so verschieden sind.

Oder wenn ich fotografiere, dann kann mich die Freude packen, etwas ganz neu wahrgenommen zu haben. Und wenn ich dann feststelle, dass ich Flechten auf der ganzen Welt fotografiert habe, dann muss ich lachen, daran merke ich, wie lieb ich sie habe.

 

Und wenn es mich emotional durchschüttelt, dann springen Wörter aus meinem Kopf, wie dieses Gedicht:

Ich traue mich

 

Ich traue mich zu leben.
das Schöne und das Hässliche.
Es darf mich zerreissen und in alle Stücke zerfetzen.
Denn danach wachse ich zusammen
wie ein neuer Mensch.

Und ich werde reicher und schöner
und mutiger und stärker.
Das Leben lässt mich von vorne beginnen,
wie ein kleines Kind.
das nicht weiss, was kommt.

Und jeder, der mir begegnet,
ist eine Umarmung für einen Neuanfang.
Da mag es noch so hässlich ausschauen,
ein neuer Tag bringt neues Leben
und neuen Mut für morgen.

Und es kitzelt mich
wie die Sonne in der Nase.
Dann niese ich vor lauter Überraschung
und schnäuze mich so laut ich kann.
Ich traue mich zu leben.

(Heuer habe ich meinen 2. Gedichtband veröffentlicht)

Zeit haben, nachzudenken.
Zeit haben, Zeit vergehen zu lassen.
Sich Zeit lassen und Zeit einfach sein zu lassen, und dafür die Zeit zu haben.
Was für ein Privileg, was für ein Schatz.

Ich bin so reich, dass ich einfach nachdenken kann, wochenlang (bei manchen Dingen sind es auch schon Jahre geworden), und ich hole mir Informationen, bis ich beginne, etwas besser zu verstehen und dann kann ich nochmal sehr lange nachdenken, bis ich irgendwann entscheide, was ich denke, wie ich handle und leben möchte. Für mich ist es ein ungeheuerer Schatz, mir Zeit lassen zu dürfen, abwägen zu können, still zu halten und dann wieder vorwärts gehen, Bewegung und Veränderung einzuladen, Teil in meinem Leben zu sein. Das unterschiedliche Tempo macht Spaß.

Heuer wurde ganz unerwartet ein Jahr, der Auf und Abs und des Nachdenkens. Ich hatte nicht viel vor: Die Wohnung der Eltern verkaufen, das war’s. Doch plötzlich begann sich die Welt um mich herum zu drehen und nicht ich mich mit ihr, bis ich erkannte, das damit das letzte irdische Band zu meinen Eltern getrennt wurde und es nur natürlich ist, die Balance zu verlieren.

Ich begann also mein persönliches „Mensch-ärgere-dich-nicht“ wieder von vorne:

Wo stehe ich?
Wo will ich hin?
Was sind meine Prioritäten?
Was geht mir ab?
Was passt in mein Leben?
Was nicht?
Was tut mir gut und was nicht?
Welche Dinge sind zum Stillstand gekommen?
Und was muss ich zurücklassen?
Was verändern?
Wovon soll ich mich trennen, Abschied nehmen?
Welcher Neuanfang ist gut für mich?

 

Inzwischen kenne ich das Spiel und weiß, ich bin zu alt, um je ans Ziel zu kommen. Ich glaube nicht, dass ich bis zu meinem Ende auf dieser Erde aufhöre, solche Fragen zu stellen. Es würde mir leid tun, keine Fragen mehr stellen zu können. Ich will weiterhin Dinge ausprobieren, mich versuchen und versuchen lassen, Neues entdecken, und immer, bevor es beginnt, taucht ein wenig Angst auf vor der eigenen Courage. Ich will es testen und ausprobieren und wenn es beginnt einzufrieren, dann beginnt das Ratespiel von vorne.

Ich genieße, Angst zu überwinden.
Es ist ein ganz spezielles Gefühl und
für einen Augenblick gehört mir die ganze Welt.

Heuer habe ich mich dafür entschieden, wieder aufzubrechen. Ich dachte, ich könnte darauf verzichten, wollte Bescheidenheit üben. Bis ich sagte: Pfeif drauf. Ich will wieder reisen.

Nächstes Jahr bin ich mal auf Achse.

Ich habe eine kleinen umgebauten Kastenwagen gekauft, der mir ein zweites Zuhause sein wird. Sein Name ist Jules (französisch ausgesprochen, er kommt ja aus Frankreich). Bunte Vorhänge sind aufgehängt, fröhliche Farben verteilt, lustige Mitfahrer sind eingestiegen (eine Elfe und ein Drache aus der Kinderwarenabteilung, ein Chamäleon und Plastikblumen und kleine Lampions und Fingerpuppen, man weiß ja nie, ob man Lust auf ein Kasperltheater bekommt).

Die Kiste mit den Spielsachen wächst, Farben sind darin und eine Kalimba, ein Daumenklavier, ich habe meine Bibliothek zusammengestellt und meine Musik (inklusive der Andrew Sisters mit ihrem Lied: „Drinking Rum and Coca Cola“). Ich frage mich noch immer, ob ich es je schaffen werde, ein Instrument zu lernen, die Hoffnung habe ich noch nicht aufgegeben: Die Ukulele kommt mit (und das Buch „Ukulele für Dummies“). Einen Ferngucker für die Sterne und die App, die mir verrät, welche Sterne ich betrachte, und ein Aufnahmegerät, das mich zwingt, ganz still und starr für einige Zeit zu verharren. So habe ich schon einmal Vögel eingefangen und Bäche und die Wellen am Meer.

Ich habe Gummistiefel gekauft, damit ich auch im Winter am Strand spazieren gehen kann, und mir eine warme Jacke gestrickt. Das Regenzeug ist mit dabei.

Jetzt fürchte ich mich wieder ein wenig vor meinem eigenen Mut, lass die Aufregung wachsen, und frage mich noch immer, soll es Galizien werden oder doch Kalabrien. Davor bin ich noch Haus und Hundehüten, soll niemand sagen, dass die Hinterbrühl keine Reise wert wäre.

Ich bewege mich, ich bewege anderes.

Zuhause schiebe ich Möbel herum, und wenn es nicht passt, schiebe ich sie wieder zurück (begleitet von den passenden Flüchen). Denn, wenn Nachdenken nicht hilft, probiere ich aus. Und niemand hindert mich daran, alles wieder zurück zu schieben. Es bedeutet nichts. Es ist kein Fehler, sondern nur ein Test gewesen. Manche Dinge probiere ich aus, ein Jahr oder zwei, und wenn sich nichts bewegt, wenn alles so ist, wie am Anfang, dann lasse ich es sein. Diesmal habe ich ein halbes Jahr nachgedacht, bevor ich es losließ. Ich wollte etwas bewegen, doch es wollte nicht bewegt sein. Also lass ich es ruhen, ohne zu zweifeln.

Ich bin reich,

weil ich das alles tun kann.

Ein Reichtum,

der nicht mit Geld aufzuwiegen ist.

Ein Reichtum,

der nichts mit Konsum zu tun hat,

sondern in erster Linie mit Tun.

Das Glück beim Konsum von „Egal-was“ hat mich noch nie länger wie 2 Sekunden gefreut, alles, was ich selbst gestaltet, selbst gemacht habe, bleibt in mir, ist ein Teil von mir, der mich reich macht.

Für das habe ich Talent.

Für’s Konsumieren bin ich

entsetzlich untalentiert.

Und das tut mir gar nicht leid.

ps. ich bemerke gerade, wie meine Fröhlichkeit zurückkehrt, die die sich vor gut 10 Jahren immer mehr zurückgezogen hat. Mensch, das ist toll! Wie ultratoll! Wie ungeheuer altmodisch, ganz postfaktisch.

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