Wählen

Für mich als Österreicherin ist wählen einfach. Ich bekomme Information zugeschickt, wo und wie ich wählen kann, kann per Briefwahl wählen oder persönlich ein paar Tage früher. Im Wahllokal habe ich noch nie warten müssen. 

Ich bin automatisch in der Wählerevidenz eingetragen. Zu schätzen lernte ich es, als ich lernen musste, dass es nicht selbstverständlich in jeder Demokratie ist. Die Macht geht vom Volke aus. Und alle, die davon überzeugt sind, müssen sich einsetzen, dass alle einfach und problemlos wählen können. In den USA arbeitet eine Partei mit aller Kraft dagegen. Ich bin dankbar, dass Wählen in Österreich einfach ist. 

Überall Menschen, die dir sagen, was du denken sollst,

anstatt zu zeigen, wie du denken lernst.

Irgendwann begann ich zu zweifeln, vielleicht sollte ich sagen, verstärkt zu zweifeln. Zweifel ist Teil meiner Natur und beginnen ist eindeutig der falsche Ausdruck. Einfach alles, was ich denke, will ich nochmal denken, nochmal die Frage stellen, ist es richtig für mich oder stimmt es inzwischen nicht mehr. Bei vielem dachte ich lange nach, recherchierte, überlegte, lernte und fragte mich, was die richtige Antwort für mich ist. Denn oft war mir klar, was in meinem Umkreis das Richtige ist, was Freunde und Bekannte um mich als korrekt empfanden, muss nicht richtig für mich sein. Vielleicht bin ich gierig, gierig meine Meinung zu finden und nicht im Nachplappern von Akzeptiertem, um von anderen anerkannt zu werden.

Es geschah aber auch aus jenem Grund, weil mich die Sicherheit all jener verwirrte, die laufend von sich geben, was richtig sei, die schimpfen und urteilen. Doch wie will man das ungemütliche, anstrengende Nachdenken verkaufen? Zur Zeit suche ich gezielt nach Personen, bei denen ich lernen kann, respektvoll über anders denkende zu sprechen. Viel zu viel Zeit habe ich mit Menschen verbracht, die sich beschweren oder lustig machen, ob es der Nachbar im Flugzeug ist, oder der Gebrauchtwagenverkäufer oder alle möglichen wichtigeren und unwichtigeren Menschen, die ihre Wege kreuzen. Diese Art sich über Menschen lustig zu machen, ist nicht lustig. Ich mag es nicht. Und ich halte es für dumm und ignorant.

Verkaufen ist alles, ob es Produkte sind, Meinungen oder Politik.

Es sind die Marktschreier, sie verkaufen und rufen immer lauter, bis ich meine Stimme nicht mehr höre. Und ihre Zuhörer klopfen sich auf ihre Schultern, endlich einer der sagt, was sie denken. Und ich spreche hier nicht von den bekannten Populisten, sondern von denen, die sagen, dass sie auf der anderen Seite stehen. Ihre Leser mögen nur die Bestätigung dessen hören, was sie bereits wissen. Also kein Hinführen zum Hinterfragen oder Zweifel, sondern nur mit Säure eingeätzte Vorurteile, die kein Nachdenken, keine Änderung bedürfen.

Dies ist Basis von rechten wie linken Marktschreiern.

Nun wählten Menschen in Amerika jemanden, der ihnen versprach, was sie kennen. Aber auch an was sie glauben. Geschäftemachen. Und das ist nicht immer ein sauberes Geschäft, das wussten die Wähler und viele ignorierten, dass ein Land kein Geschäft ist. Wir wissen nicht, was kommt.

Ein Marktschreier wurde zum Präsidenten gewählt. Das ist, glaube ich, das einzige, dass ich anerkennend feststellen kann, er versteht sich zu verkaufen. (Besonders weil ich es so gar nicht kann) Bei allem anderen habe ich meine Zweifel. Seltsame Gedanken kamen mir. Was ist, wenn er nur gewinnen wollte und er sich nicht einen Augenblick überlegte, dass sein Ziel kein Ziel sondern erst der Anfang einer Arbeit, von der er nicht die geringste Ahnung hat. Er sich überhaupt nicht überlegte, was nach der Wahl kommt. Auf manchen Bildern sieht es so aus, als ob er nun überlegt, wie er sich zu benehmen hat. Wenn seine Hände unterm Tisch sind, habe ich das Gefühl, er fragt sich, was soll ich jetzt tun. Er einfach ein Aufsichtsratsvorsitzender ist und die Arbeit machen andere. Und dann kommt seine Erfahrung als Showmaster durch und er sich nicht zusammenreißen kann und schreit: „You are fired“. Ein 12-jähriger Narziß. Ungemütlich.

Bubbles. Wir leben in unseren Meinungsblasen.

Den ekligen Wahlkampf sah ich kommen, als ich 2014 in den USA war. Ich war vom Mittleren in den Wilden Westen unterwegs und als ich im Radio immer extremere Moderatoren hörte, je weiter ich in den Westen kam, wurden mir die „Bubbles“, die Blasen, in denen sich die jeweiligen Menschen bewegen, sehr bewusst. In den billigen Motels waren nur republikanische Sender. Die Städte und Dörfer waren nicht so prachtvoll wie an der Westküste, es ist kein kuscheliges Land. Ich sah verlassene Farmen, und Bruchbuden, wo Menschen lebten. Ich musste an die blutgetränkte Erde denken, für die Natives genauso wie an die Pioniere. Wie hart es gewesen sein muss. Ohne zu urteilen. Na ja, die Goldgier in den Black Hills machte mich schon zornig. Dieses Land wurde den Sioux zugesagt, bis man Gold fand. Das war der Anfang der letzten Kriege. Es wurde kälter.

Der Hass, der da Obama entgegenschlug, war unglaublich. Und die seltsamsten Geschichten und Gerüchte, die erzählt wurden, machten mir schon damals Gänsehaut. President-elect hat auf einer fundierten Basis beginnen können, die durch die beständige Desavouierung des jetzigen Präsidenten bestand. Was mich wunderte war, wie alleine er da stand. Dort hörte ich immer nur Republikaner, und in meiner Bubble, nur die anderen, aber irgendwie keinen Aufschrei, dass so keine Politik für alle gemacht werden kann.

Und zugleich war ich Gast bei Menschen, die ihre Häuser nicht versperrten, die mir vertrauten und mich alleine in ihren Häuser sein ließen. Es waren Couchsurfer, bei denen ich wohnen durfte. Reisende, die immer weltoffen und neugierig sind, die die Türen für Fremde öffnen, sie brauchte ich, um auch das andere Amerika zu sehen. Und von ihnen lerne ich. Sie trösteten mich immer und waren immer auch mein Amerika. Einschließlich der kiffenden Oma, aber sie war eigentlich in Kanada zuhause.

Jetzt wird ein Showmaster ins Weiße Haus einziehen. Aber anders als Ronald Reagan, der als Schauspieler gewohnt war, ein Skript auswendig zu lernen, hat sich der neue damit laufend schwer getan. So schwer, dass ihm seine eigenen Manager für einige Zeit den Twitter-Account sperrten. Unberechenbar. Weil das nicht absurd genug ist, will sich seine Model-Frau dem Hass im Netz widmen.

Aber neben der ganzen Trauer hat dieses andere Amerika in mir Hoffnung wachsen lassen. Anders als bei uns, wo sämtliche Politik in einem anderen Parteiensumpf steckt, in der alle mit der gleichen Rhetorik und Art und Weise miteinander umgehen, gibt es in den USA Persönlichkeiten, die sich zwar einer Partei zugehörig sehen, aber längst nicht so unheimlich verbunden sind, wie bei uns. (Auch wenn sich bislang das Parteien-Establishment durchgesetzt hat, wie jetzt Clinton gegen Sanders.) Ich habe mit Menschen gesprochen, die mir erzählten, wie sie im Privaten politisch aktiv sind. Sie schrieben Briefe an ihre Abgeordneten mit der Hand, vor 50 Jahren, jetzt schreiben sie emails. Sie diskutieren mit den gewählten Vertretern. Und diese antworten.

Ich bin jetzt 55 Jahre alt. Und mich regen heute in Österreich exakt, die gleichen Dinge auf, wie vor 40 Jahren. Egal welche Proteste und Bewegungen es in Österreich gab, das Grundgerüst blieb gleich. Ich war in Gewerkschaften, in Parteien aktiv, doch diese klassischen Strukturen hatten alle. „Wir sind die besseren.“ Und innerhalb der Partei, der Gewerkschaft zerfetzten sie sich im gleichen Stil. Deshalb ging ich wieder. Ich konnte es nie ausstehen. Aber zurück zu Amerika.

Ich habe mich einige Tage vor der Wahl noch einmal versucht zu informieren, so gut es geht. Ich habe mir Dokumentationen der beiden Kandidaten angesehen. Ich war mir lange nicht so sicher wie die Umfragen. Ich habe die Sampels der Meinungsforscher gesehen, 1500 Menschen wurden da befragt, und ich hatte Zweifel. Ich habe versucht, Evidenz für die Korruptionsvorwürfe zu finden. Beim einen ja, bei der anderen nein. Ich wollte wissen, was beide „angestellt“ hatten.

Ich habe mir vor der Wahl „Michael Moore in TrumpLand“ angeschaut, ein Film, der mich zum Nachdenken brachte, abseits der lauten, wilden Menschen auf den Veranstaltungen, jene zu sehen, die letztlich nun auch den Wahlausgang bestimmten. Hier ein Interview wenige Tage vor der Wahl. Und ich werde Moore weiter zu hören, er versteht da etwas und kleidet es für mich in Worte, die ich verstehe. Die Zeitungen schreiben jetzt von seinen Prophezeiungen, das war es nicht, er kann zuhören und er sieht die Menschen und spricht mit ihnen. (weil gerade ein Dokumentarfilm über Michael Moore anläuft, gibt es noch ein PS. am Ende dieses Beitrags).

Ich habe mir Videos angeschaut, in denen Van Jones, ein Aktivist und Kommentator, kurze Zeit verantwortlich für Green Jobs unter Obama, mit Bürgern in Gettysburg sprach. Er hört ihnen zu, will mit ihnen sprechen. Menschen, die nicht in seiner Blase sind.

Beide zeichnet aus, dass sie die Menschen, die nicht ihrer Gesinnung sind, ernst nehmen, sie führen ernsthafte Gespräche mit ihnen. Sie machen sich nicht lächerlich über sie, sie stellen sich nicht über sie. Ich denke, wir sind oft verführt, diejenigen, die auf den Wahlveranstaltungen sind, als Prototyp der Wähler dieser „Recht und Ordnung“-Parteien zu sehen. Wahrscheinlich sind sie es nicht. Wahrscheinlich sind es in der Mehrzahl ganz normale Menschen.

Aber, und das ist meine Hoffnung, Amerika ist ein demokratisches Land und die Menschen wehren sich. Ob es die Proteste sein werden, wie sie jetzt durch das Land schwappen, weiß ich nicht. Doch den eitlen Tropf kränkt es: „Very unfair!“, meinte er. Unfair ist es aber auch, dass Eltern nicht mehr wissen, was sie ihren Kindern sagen sollen. Das Bullying hat in den Schulen schon begonnen. Und noch immer sage ich, die Menschen, die so agieren, sind nicht die Mehrheit. Dazu muss ich nur die Statistik herausholen, die Wahlbeteiligung und den tatsächlichen Prozentsatz der Wähler nennt. Und von den 18% der Menschen, die in den USA leben, die ihn wählten, sind nicht alle „böse“ Menschen.

Aber wie Aaron Sorkin sich Sorgen macht und einen Brief an seine Tochter schreibt: „We get involved. We do what we can to fight injustice anywhere we see it—whether it’s writing a check or rolling up our sleeves.“, machen sich viele Sorgen.
Und das ist das Amerika, das ich auch kenne.

Krempeln wir die Ärmel hoch.

In einer anderen Diskussion auf MSNBC kam etwas interessantes (ziemlich am Ende der 44 Minuten) zur Sprache. Die Wähler, die jetzt Trump wählten, hatten sich vorher für Bernie Sanders entschieden und vorher für Obama. Sie verbindet die Hoffnung auf Änderung. Das sollten wir ernst nehmen.

Ich glaube, es ist vielen nicht bewusst, dass ein Präsident ohne die beiden Häuser nicht viel erreichen kann. Sanders wäre mir lieber, aber die USA war schon unter Obama unregierbar. Hier haben viele geschlafen. Ich habe keinen Aufstand gehört über all die Blockaden der Republikaner, aber laufend Berichte über die Unfähigkeit Obamas. Vielleicht wollten Menschen eine Änderung, weil sie den Stillstand satt hatten. Einen Stillstand, den die Republikaner verursachten. Und eine Stimmung, die die Republikaner schürten. Vielleicht wäre Sanders genauso angerannt wie Obama.

Abschließend ein paar Worte zu Hillary Clinton. Ich habe in den vergangenen Monaten viel über meine Eltern nachgedacht, vieles habe ich lange nicht verstanden, ich sehe heute Dinge anders, verständiger als als Teenager. Und das ist gut so. Die Rebellion der Jugend ist gut, und der Ausgleich im Alter ist auch gut.

Hillary wollte etwas ändern und sie hat viel dafür einstecken müssen. Ihr war das Ziel wichtiger, etwas zu verändern, als die Erniedrigungen, die ihr angetan wurden. Nicht alles finde ich toll, aber ich habe tiefsten Respekt vor einem Menschen, über den so hergezogen wurde, der so oft erniedrigt wurde, und immer wieder aufstand. Ich musste darüber nachdenken, was es heißen muss, durchzuhalten. Und sie wusste, dass sie neben charmanten Männern kaum eine Chance hatte, ob es Bill oder Barack war. Und die vielen Ohrfeigen haben sie vorsichtig gemacht. Authentisch sollte sie sein. Da empfehle ich jedem, ihre frühen Jahre anzusehen. Wie oft sie zurückgetreten ist, sich angepasst hat, weil sie etwas erreichen wollte und sie angegriffen wurde, als sie authentisch war. Sie hat sich hinter eine Sache gestellt, egal was es sie als Person kostete. Ob das immer gut war, glaube ich nicht.

Hier eine der kleinen Geschichten, die mich berührten.

http://nyti.ms/2dSmG0f

Hinter allem stand eine erfolgreiche Anwältin, die nun nicht stark, erfolgreich und energisch sein durfte. Stärke wurde ihr angekreidet. Und so war es auch als First Lady. Niederschläge, immer wieder, und sie stand wieder auf. Und dazwischen sah ich immer wieder Bilder, wo ich eine zutiefst herzliche Frau sah, die loyal zu dem stand, was ihr wichtig ist, ob das ihr Mann oder ihr Land ist. Und es war bei Gott nicht immer leicht. Dafür habe ich tiefsten Respekt. Ich habe mich gefragt, ob ich so viel Kraft hätte und ich denke nicht.

Eine Wahl in den USA war bislang immer nur mit Geld zu gewinnen. Blödes System, oder? Eines der riesigen Probleme der Demokratie Amerikas. Denn die meisten Politiker haben potente Finanziers hinter sich. Und das macht bestechlich und die Politik wird Handlanger derjenigen, die zahlen. Und dies gilt für beide Parteien.

Doch ich habe die Hoffnung, dass die aktiven Menschen in den USA uns zeigen, wie Demokratie aussehen kann. Ja, es ist Zeit für eine Änderung. Die Müdigkeit politisch aktiv zu werden, lähmt auch unsere Gesellschaft.

ps. Und wer mit lernen möchte, am 11. November wurden diese Vorträge zusammengestellt: Talks to watch when you need inspiration to change the world

Amerika hat viele Seiten und einen Traum, das ist wahrscheinlich das, was ich am meisten schätze. So gruselig manche sind, so wunderschön sind andere. Diversity!

Ps. Eigentlich erklärt die erste Frage des Interviewer alles: „…wenn man sich Michael Moores Filme anschaut, weiß man doch eigentlich, dass dieser Mann in erster Linie Entertainer ist und die Fakten gern in seine Richtung streckt.“ Spiegel. Dass 2 Dokumentarfilmer darüber einen Film machen, finde ich, interessant. Die Feststellung „Er verschweigt Zusammenhänge und lässt Dinge aus.“ gibt mir das Gefühl, dass die beiden über ihre eigene Arbeit nicht reflektieren. Denn jeder, der schreibt, „manipuliert“ auf die eine oder andere Art. Meist wird es im Zusammenhang mit Statistik verwendet, aber in Wahrheit ist jede Form von Kommunikation mehr oder weniger manipulativ. Und jeder Journalist, der sich dessen nicht bewusst ist, ein Idiot. Ich habe mir neben Trumpland in den letzten Tagen auch Bowling for Columbine angeschaut. Nein, ich bin normalerweise kein Fan dieser Art von Dokumentationen, genau aus dem Grund, aus dem die beiden diesen Film machten (allerdings reicht mir dazu mein Hirn und ich brauche keinen Beleg dafür, dass hier manipuliert wird). Aber bei Michael Moore in Trumpland war ich ausreichend informiert und in manchen Stellen dieses Filmes wird klar, wie bitterernst es Michael Moore ist, und da spricht er ohne Sarkasmus, ohne Spitzen tief aus seinem Herzen. Und das ist, was mich berührt hat. Hirn einschalten muss jeder. Und ich ende, wie ich begonnen habe.

Überall Menschen, die dir sagen, was du denken sollst, anstatt zu zeigen, wie du denken lernst.

Move on

Ist es Rastlosigkeit,
die Schmetterlinge Kontinente überqueren lässt?
Oder den Menschen zum Mond fliegen?

Im Stillstand lässt sich Ruhe finden.
In der Bewegung anderes.

In der Bewegung bekomme ich die Wahl, egal welche.
Im Fluss ergeben sich Lösungen, ob ich will oder nicht.
Warum sollte ich mich entwurzeln und woanders hin gehen?
Ist es Rastlosigkeit? Unruhe?

Das erste Lebewesen, dass sich bewegte, wollte Sicherheit – eine klare, saubere, glatte Oberfläche, um dort bleiben zu können. Doch der Untergrund ist immer in Bewegung, und nicht nur er. Auch über uns Veränderung. Alles bricht, alles verändert sich. Nur sehen wir manches – gefangen in unserer eigenen Zeit – nicht. Wenn Gebirge sich aufbäumen, das Meer sich erhebt. Wenn der Mond sich von uns fort bewegt und die Erde sich ihrem eigenen Taumeln stellen wird müssen in Milliarden Jahre Ferne.

Wenn das Leben hier, wo ich bin, zu schwer wird, dann werde ich dorthin gehen, wo es leichter ist. Nicht das Abenteuer lässt einen Aufbrechen, es ist die Sehnsucht nach Behaglichkeit, einem Zuhause, das gefunden sein will.

Nirgendwo ist es für immer sicher, nirgends auf unserem kleinen blauen Planeten und auch nicht im restlichen Universum. Egal ob Rastlosigkeit oder Verzweiflung an einem gewissen Punkt muss ich aufbrechen. Ob im Geiste, mit meiner Seele oder in meinem Körper.

Sicherheit im Stillstand zu suchen, ist die reine Illusion. Sie in der Veränderung zu finden, unendlich viel schwerer und doch ist sie letztlich nur in der Bewegung, im Wandel wirklich.

Aufbrechen, so wie es die ersten Lebensformen vor 565 Millionen von Jahren erfunden hatten.

Ich habe keine Wahl. Die Natur hat das früh erkannt. Das Leben hat das früh erkannt.

Entweder bewege ich mich – oder ich sterbe.

Deshalb bewegen wir uns. Und hören nie auf uns zu bewegen.

Die wahre Heimat ist der Wandel.

Dies ist eine freie Übersetzung mit kleinen Ergänzungen über die ersten Spuren im Sand, die die ältesten Fossilien der Erde hinterlasse haben.
(Our Earliest Example of an Animal Moving on Its Own).
Ich muss dabei an meine eigenen denken. Es sind meine Bewegungen des Geistes, meine Bewegungen auf der Welt, meine Bewegung von einer Arbeit zur nächsten, einer Berufung zur anderen.
Aber sind dies nicht auch die Bewegungen, die Menschen treiben, ihre Heimat zu verlassen?

Familien-Los

Manchmal scheint es so zu sein, dass Familie ein Los ist, das einem wie bei einer Lotterie zufällig zugeteilt wird. „Du hast ein schweres Los gezogen.“ 5 Tonnen schwer? Oder sind 5 Kilo auch schon zu schwer?

Wie oft ist das Herz so schwer, weil in der Familie etwas nicht so läuft? Meines war schwer, tonnenschwer, so schwer, dass ich mich entschied, weit weg zu leben. Und jeder Besuch legte wieder einen Stein auf mein Herz. Einen ganzen Geröllhaufen auf meinem Herzen. Nach einem Tag begann das Gezeter meiner Eltern, wer, wie und was ich sein sollte, und warum ich nicht so sei, wie meine Eltern es gerne hätten. Das Gezeter war so laut, dass nach dem Tode meines Vaters seine Freunde weiter zeterten.

Und zuhause ein Mann, der meinte, ich solle vergessen, was gewesen. So übt man Verdrängung. Ich stieg in den Zug mit Augen voll mit Tränen und stieg aus, die getrockneten Spuren des salzigen Wassers auf den Wangen und wusste nicht mehr, was gewesen war. Denn es interessierte niemand, oder zumindest nicht jenen, dessen Ohr mir wichtig war. Ich weiß bis heute nicht mehr, was mich so auflösen ließ. Hätte ich so weiter gelebt, wäre mir das Schicksal meiner Eltern garantiert gewesen: Alzheimer, die Krankheit eines verdrängten Lebens. Jetzt habe ich noch eine Chance, dem zu entkommen.

Nur einer hatte erfahren, dass mein Vater und ich es geschafft hatten, Frieden zu finden, Frieden miteinander, Familienfrieden, weil mein Vater erkannte, dass ich nicht so war, wie er dachte. Denn da war sein Herz schwer und ich trug sein Herz in meinen Händen, so gut ich konnte. Ich hatte aufgehört an meine Grenzen zu gehen, Grenzen, die meine Eltern nicht sahen, sondern vom Gegenteil überzeugt waren. Anstatt an die Grenzen meines Herzens zu gehen, blieb ich bei mir und auch bei ihnen. Der Rat des Hausarztes war bei mir: Denken Sie daran, dass Sie das Kind sind. Mit diesem Respekt begleitete ich meine Eltern ins Land des Vergessens.

Und wenn mich jemand fragte, warum ich ihnen nicht ganz den Rücken kehrte, dann sagte, manchmal schrie und manchmal seufzte ich es: „Sie sind die einzigen Eltern, die ich habe. So etwas gibt es nicht noch einmal.“

Dafür liebte ich sie.

Das war bedingungslos.

Das war mein Los.

So oft ging ich an Grenzen, um bei anderen zu sein. Ich kannte den Preis. Als ich diesen Preis nicht mehr zahlte, zahlte ich einen anderen. Selbst das, war mir bewusst. Manchmal kannte ich die Karten, bevor sie noch ausgeteilt waren. Es war kein Pokerspiel. Sie lagen offen vor mir.

Die Treue gehört nun mir, während sie früher den anderen gehörte.

Doch die Angst war auch bei mir, als zuerst mein Vater schneller und meine Mutter langsamer ging. Jahrelang fürchtete ich mich, wie es sein würde, wenn sie gegangen sein wird. Familienlos. Und als sie gingen, fiel mir ein Stein vom Herzen. Zuerst der eine, dann der andere. Denn ihre Qual war zu Ende. Ich vergaß, dass es nur zwei gewesen waren.

Wieder dachte ich, ich hätte überlebt, überlebt familienlos zu sein.

Ich dachte, die Tränen wären als Bach ins Meer gefloßen, und nicht als Regen auf die Erde gefallen, die Tropfen, die Pflanzen wachsen lassen. Doch nun schneide ich gerade ein weiteres Band zur Heimat durch und die Heimat entzweit sich ebenfalls und ich verliere Halt. Zuerst versteinerte ich, erstarrt wie ein Statue konnte ich das Leben noch leben. Jede Bewegung schmerzte. Als ich die Totenstarre verließ, wurde mir schwindlig und mir zog es den Boden unter den Füßen weg. Jede Drehung und es zog Kreise über mir, und ich wusste nicht, wohin ich den Fuß setzen sollte. Alles bewegte sich um mich, die ganze Welt rotierte um mich wie sie um die Sonne. Inzwischen nur mehr manchmal und nicht mehr die ganze Zeit rundherum.

Du meinst, eine Wahlfamilie sei Ersatz. In Zeiten des Sonnenscheins ganz leicht – ich übertreibe maßlos, für mich relativ leicht. Andere haben nicht so viel Glück. Ich mag Menschen, ich spreche gerne mit ihnen, bin gerne mit ihnen. Doch bei Sturm und Unwetter jeglicher Art spielte ich wieder Lotterie. Und verlor. Ich verlor so oft.

Schon als Stöpsel lachte ich, wenn andere vor mir liefen und mich auslachten, weil ich Pummelchen ihnen nicht nachkam. Ich lachte zurück, den das Weinen hätte selbst diese Verbindung getrennt. Ich zuckte zusammen, als mir die Freundin, die ich wochenlang alleine besuchte, weil sie ans Bett gefesselt war, sagte, die andere, die, die nicht da war, sei ihre beste Freundin. Und ich lachte. Die andere, die meinte, nein, sie können nicht meine Freundin sein, denn die andere hatte sie erpresst, sie oder ich. Und ich verlor. Die nächste, die mich überredete zu ihr zu ziehen, ein Versuch, wie ein Leben in einer WG aussehen könnte, und ich war einsam wie nie zuvor. Denn da war die eine andere Freundin, die sie bräuchte, während ich niemand bräuchte, wie sie sagte, und sie ward nie gesehen. Und ich saß 2 Monate alleine in einem Haus am unbekannten Land, unter der Bettdecke, denn das Jahr war jung, der Winter noch im Lande, bis ich reumütig nach Hause zog. Experiment gescheitert. Ich war eine Last, nicht nur für Eltern, auch für meine Freunde und heiratete den, der mich wollte. Sonst gab es keinen, der mich wollte. Bis auch der mich nicht mehr wollte.

25 Jahre später wagte ich es nochmal. Ich dachte, ich müsse nur klar sagen, was mir gut tut und was mir ein Messer in die Brust rammt. „Authentisch sein“ sagen sie dazu oder „Ehrlich“, „Ganz du“.

Die eine lachte und meinte, das sagtest du schon. Ja, ich sagte, dass es mich verletzt, wenn du auf eine mail von mir, einer zweiten mail und einer dritten du nicht antwortest. Und ich sagte es einmal, zweimal, dreimal. Ich habe aufgegeben. Das Loch im Herzen blieb.

Oder jene, deren verächtlichen Blick ich ignorierte, weil die Liebe zu ihr so groß war. Bis ich die Verachtung nicht mehr aushielt und Abstand suchte. Und hin und wieder bricht die Wunde auf und ich pflege sie, bin gut zu ihr, verbinde sie und warte bis sich wieder eine Kruste bildet.

Das andere Mal bat ich, lass mich zu Wort kommen – einmal, zweimal, dreimal. Und als ich dreimal nicht zu Wort kam, weil die Wörter so tief in mir voll Schmerzen steckten und Zeit brauchten, um an die Oberfläche zu kommen, und trotzdem Wörter über mich ergoßen wurden, drehte ich mich um und ging. Es trampelten Wörter auf mir herum.

Als ich bat, sprich mit mir, sag mir, was ich falsch gemacht habe – einmal, zweimal, dreimal. Da wurde ich mit Schweigen niedergestreckt. Ich erhielt keine Antwort, also fragte ich noch ein viertes Mal und bekam ein fertiges Bild überreicht, wer ich denn sei. Verrückt und ohne Tassen im Schrank. Zumindest damals. Doch damals war ich nicht weniger ver-rückt als heute. Ich hatte nur meine Seele beschützt, doch das interessierte sie nicht, das glaubte sie nicht. Narrisch, wie meine Mutter. So trug ich den Wahnsinn mit Stolz wie meine Mutter und für meine Mutter, die auch niemand in ihrem Sosein ernst nahm.

Ich verbog mich nicht mehr. Aber vertrauen kann ich nicht mehr so wie vor 10 Jahren. Vorsichtig bin ich geworden, werfe mit meiner Liebe nicht mehr so herum, wie die vergangenen 50 Jahre, dabei liebe ich es zu lieben. Oh Gott, wie sehr ich es liebe. Ich liebte es immer schon. Staunte immer über den anderen. War fasziniert über die Menschen in meinem Leben. Doch die Distanz erspart mir heute Tränen. Und manchmal bleib ich fern, weil mich der Neid zerfressen würde. Und der Neid meine Seele.

Zugleich fühle ich mich undankbar, denn mehr als je zuvor habe ich Freunde, gute – beste Freunde in meinem Leben wie nie zuvor. Ich danke euch. Einmal, Zweimal, Dreimal, nein Tausendmal. Doch gehe ich immer einen Schritt zurück, denn nichts ist mir wichtiger als ihr mit euren Familie. Mich brauchen ihr nicht dazu. Und immer hoffe ich, ihr wißt, auf wen Verlass ist, so 100% und ganz und gar. Und ja, ich weiß, dass nicht alle Menschen in diesen Familien so sind, so mit Verlass und Vertrauen ganz und gar. Und ja, ich weiß, dass es Schmerzen gibt in diesen Familien. Oft ist es ein Dornenstrauch, der ganze Clan, aber ja. Trotzdem sehe ich auch die einzelne Rose in diesem Familienstrauch.

Letztens ertappte ich mich dabei, wie ich jemandem sagte, dass ich ihm vertraue. Niemand, den ich besonders gut kenne, auch nicht jemand, in den ich mich blindlings verliebt hätte (was bekanntermaßen blind macht). Nein, keine Liebe, nur ein Mensch. Ein Mensch, dem ich zusah, wie er mit Menschen umgeht, mit ganz Nahen und weit Entfernten. Und ließ mich berühren. Und jede Sekunde, die ich daran denke, ist eine Träne. Gut, dass es viel mehr Sekunden ohne diesen Gedanken dazwischen gibt. Es wurde schwer, weil ich sah, dass ich für 10% seiner Familie alles geben würde, was ich habe. Die Vertrautheit aller, der Frau, der Kinder, der Katze, des Hundes, alter Freunde. Nur 10% davon. Mehr braucht es nicht zum Leben. Und sein Wissen vom Wert dieses Glücks hebelte mich endgültig aus. Er weiß von seinem Glück, er weiß, sein Glück zu schätzen. Gott sei Dank!

Jetzt dreht sich die Erde noch immer ein wenig um mich.

 

Ich schäme mich, wie Österreich Menschenrechte mit Füßen tritt

Alle Menschen sind frei und
gleich an Würde und Rechten geboren

 

68 Jahre wird die Allgemeine Deklaration der Menschenrechte heuer alt. Und gerade fühlt es sich an, als sei sie dem Kindergarten noch nicht entwachsen.

Nie dachte ich, dass ich in dem Land, in dem ich geboren bin, in dem ich aufgewachsen bin, in dem ich lebe, jemals zweifeln würde, ob ich diese Rechte, in dem Staat, in dem ich lebe, so in Frage stellen würde.

Wenn ich als Teenager in den 1970er Jahren Filme über die wohl beschämendste Zeit des 20. Jahrhunderts, zumindest hier in Europa für Menschen meiner Generation und jener vor mir, sah, hoffte ich, etwas derartiges nicht erleben zu müssen. Zumindest nicht in meinem Land, oder, wie ich damals dachte, in meinem Europa.

Ob dies das Töten unschuldiger Menschen oder das Beschämende Verhalten der anderen Ländern, die vielen die Flucht nicht ermöglichten, war. Hoffen, denn mir war klar: Nichts ist sicher. Zerschlagen. Wie zerbrechlich diese Menschenrechte auch in Demokratien sind, wollte ich nicht glauben. Doch heute geben rechte nationalistische Staaten die Linie vor. Zumindest hier in Österreich. Im Egoismus. Ich schäme mich.

Früher war es Nationalismus, heute schaut jeder, dass er das Seine ins Reine bringt. Nun treffen sich die Verteidigungsminister, um sich vor unbewaffneten Menschen zu schützen. Aber Geld für jene Länder, die diese Menschen über Jahre aufgenommen haben, hat man schlicht „vergessen“ zu zahlen. Nein, nicht vergessen, unser Budget gehört saniert, wir müssen das Defizit reduzieren, da können wir Menschen in Not nicht helfen. Geld wird für Zäune ausgegeben, nicht für Menschen. Und jenen, die halfen, werden verhöhnt, wenn ihre Spenden plötzlich dafür verwendet werden, um den Staat zu sanieren, den Organisationen, die einsprangen, als der Staat versagte, das gespendete Geld abzieht. Ich schäme mich.

Ich verstehe vieles nicht mehr. Trotz meiner Fragen und meines Nachlesen.

Ich weiß noch, wie ich mich vor 30 Jahren über das Milgram-Experiment unterhielt und mich Freunde betrachteten, als sei ich verrückt geworden, so ein Verhalten (von ihnen) für möglich zu halten. Wir legen heute keine Schalter um, wir hören auch keine Schreie, sehen keine Bilder, wenn wir nicht wollen, dem allen kann ich ausweichen, keine Nachrichten, schnell weiterblättern, bevor das Entsetzliche mein Herz erreicht. Warfen wir nicht genau dies den Menschen vor, die unter dem nationalsozialistischem Staat lebten? Dass sie von nichts wussten? Oder sehen und hören wir das alles und es berührt uns nicht? Es hat nichts mit uns zu tun? Genauso wenig wie der Nationalsozialismus mit unseren Eltern und Großeltern zu tun hatte. Ich schäme mich.

Ich habe nicht vergessen, ich habe die zahlreichen Kämpfe vergessen. Dass die Gleichheit in den USA länger eine Ungleichheit war. Ich habe nicht vergessen, dass Frauen lange nicht wählen durften, in Spanien und Portugal erst wieder nach dem Ende der Diktaturen in den 1970ern, in der Schweiz 1971und Liechtenstein als Schlusslicht Europas 1984. Wobei der Kanton Appenzell Innerrhoden nur durch die Verfassungswidrigkeit ihrer Kantonsverfassung 1990 gegen die Mehrheitsentscheidung der Männer das Frauenwahlrecht einführen „musste“, quasi gezwungen wurde. Gleich und gleicher. Früher war es nicht besser.

Viel zu wenig dachte ich darüber nach, dass meine Mutter damals die Erlaubnis meines Vaters brauchte, um arbeiten zu dürfen. Ich glaube, mein Vater wusste das nicht. Denn sie war es, die nach einer Krebserkrankung nicht mehr in der Nacht in eine Fabrik putzen gehen wollte, Putzen, weil sie die Fließbandarbeit noch viel weniger aushielt. Später war sie auch mal Garderobiere und putze auch wieder, das war das kleine Stückchen Freiheit, ein wenig eigenes Geld. So klein konnte Freiheit sein: ein wenig Taschengeld als Symbol für ein klein wenig Unabhängigkeit. Früher war es nicht besser.

Warum ich daran denke? Weil so viel von unseren Werten die Rede ist und mir die Fragilität dieser jetzt wieder bewusst wird. Wir haben Politiker, die von Werten sprechen. Doch von welchen Werten sprechen sie? Den Menschenrechten?

Alle Menschen sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander
im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.

Klingt dies nicht wie Hohn? Geiste der Brüderlichkeit? Mir sind all jene unheimlich, die kleine Kinder anschreien: „Wir sind das Volk“, während diese ihre Worte nicht verstehen, nur Ungeheures hinter sich, Ungeheures vor sich sehen.

Christliche Werte? Weihnachten empfand ich zum ersten Mal sehr beschämend. Denn ich fragte mich, welchen Sinn es hat, dass wir von klein auf diese Geschichte hören und dann nicht erkennen, dass genau dies jetzt – und nicht vor 2000 Jahren – passiert.

Mir ist es nicht geheuer, wenn ich höre, wie Menschen heute und hier in Österreich andere anschnauzen, weil sie hören, dass sie sich mit jemand anderem nicht in ihrer Sprache unterhalten. So berichtete es Julya Rabinowich und nicht nur sie in einer Diskussion bei Kreuz und Quer. (http://tvthek.orf.at/program/Kreuz-Quer/8598576 Schade, dass dieses Gespräch nicht länger nachgeschaut werden kann, es gibt Momente da zweifle ich am öffentlich rechtlichen Rundfunk. Wozu zahle ich eine Gebühr, wenn ich es nicht schauen kann, wann ich will?) Mir läuft es kalt hinunter, wie ungeniert rassistische und nationalistische Äußerungen von sich gegeben werden.

Das sind die Menschen, die ich fürchte.

Jede andere Angst ist so gerechtfertigt, wie die Angst vor dem Ziegelstein, der mir auf den Kopf fallen könnte. Aber die aggressiven Nachbarn, Menschen in öffentlichen Verkehrsmittel, Gäste im Kaffeehaus, die sind da, sind ganz nah und wenn die so sprechen, habe ich Angst.

Wo lebe ich heute?

In einem Land, wo seit Jahrzehnten Öl ins Feuer geschüttet wurde, und als Ergebnis Menschen stolz Menschenverachtendes sagen können. Vorbei sind die Zeiten, wo Mitschüler den anderen als Nazi bezeichneten, wenn er rassistische Äußerungen von sich gab. Heute wird dann von Meinungsfreiheit gesprochen, die sich aber dann nur auf die eigene bezieht. Doch die Ruppigkeit zeigt sich auf allen Ebenen, von rechts und links. Ich mochte das nie. Aggression ist mir nicht geheuer.

Wo lebe ich heute?

In einem Land, wo nicht nur rechte, sehr rechte Parteien menschenverachtend sprechen, sondern Mainstream-Politiker diesen Populisten nachhecheln, anstatt stolz zu sein, diese Zeiten hinter sich gelassen zu haben. Wo es egal ist, dass die Wissenschaft schon längst festgestellt hat, dass es Rassen im naturwissenschaftlichen Sinn nicht gibt. Erschreckend genug, dass es rund 30% der österreichischen Bevölkerung ist, die in Unkenntnis des Parteiprogramms, jene wählen, die ihnen noch mehr nehmen wollen. 30% ist nicht die Mehrheit. Doch es sind nicht nur jene 30%, die nach dem Motto „Steter Tropfen höhlt den Stein“ herumpöbeln, Menschen in verachtender Weise anschnauzen, und schließlich bedrohen. Sie haben diesen Ton salonfähig gemacht.

Wo lebe ich heute?

In einem Land, wo jede kritische Äußerung egal in welche Richtung, selbst wenn sie nur zum Nachdenken anregen will, zerfetzt wird. Wie gehen wir heute miteinander um?

Sind das die Werte, die Flüchtlinge lernen sollen? Wenn Zäune errichtet werden, um Fluchtsuchende abzuwehren. Wir Österreicher, Europäer, die seit Jahrhunderten auswanderten, weil sie nichts zu essen hatten, ob dies Irland war oder das Burgenland. Heute, wo wir nicht mehr hungern, schimpfen wir auf jene, die kommen, weil sie Hunger haben. Mir macht das mehr Angst als alles andere. Ist es das, was jene, die Schutz suchen, von uns lernen sollen? Dieses Verhalten?

Ich fange nicht an aufzuzählen, mit wem wir Geschäfte machen, weil Schnaps Schnaps ist und Bier Bier. Mit Ländern, denen Menschenrechte egal sind, aber Geld haben. Ich spreche auch nicht von jenen Ländern, die wir als EU in Knüppelverträge zwingen à la TTIP und holländische Zwiebel nach Afrika exportiert werden und die dortigen Bauern ihre Produkte nicht mehr verkaufen können. Und wir wundern uns, dass sie zu uns aufbrechen? Ernsthaft? Werden wir von Vollidioten regiert? Ländern, die Menschenrechte nicht kennen, werden sichere Drittländer. Was sind uns die Menschenrechte wert? Ein Stück Kuchen am Sonntagnachmittag? So wie wir Europäer heute mit Menschenrechten umgehen, ist es das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Ich schäme mich.

Was bekomme ich von der EU mit? Aufmarsch im Mittelmeer, seltsame Verordnungen für Bauern und Glühbirnen, Verträge, die meine Großmutter als unmoralisch bezeichnet hätte. Wenn Altpolitiker sich engagieren für ein humanes Europa, weil ihre Kinder eine schandhafte Politik machen. Das soll Europa sein? Mein Europa?

Und dann stehe ich da, spreche mit einem Flüchtling und wir beide haben Tränen in den Augen, weil er seine Familie zurückgelassen hat und nicht weiß, wann er sie wiedersehen wird. Aber Familienzuzug wird durch Quoten geregelt, als ob es sich um ein Stück Ware handelt.

Mir macht es Angst, dass die Mindestsicherung für Flüchtlinge gekürzt wird. Wenn die Hetzer nicht wissen, dass sie nicht arbeiten dürfen, solange das Asylverfahren nicht abgeschlossen ist. Sie zur Untätigkeit gezwungen sind. Was wird aus Menschen, die nichts tun dürfen? Artikel 23. der Menschenrechte: Jeder hat das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen. Menschenrecht, es gilt für alle. Und ich verstehe die Verzweiflung Arbeitsuchender, die sich mehrfach bedroht sehen, nicht nur von Flüchtlingen.

Nur zur Erinnerung: Österreich hat die Allgemeine Deklaration der Menschenrechte unterschrieben. Was ist das heute wert?

Denn dann reicht es nicht mehr zum Leben. Was ist, wenn nicht sofort ein Job gefunden wird? Was ist, wenn er oder sie Schwierigkeiten beim Lernen der Sprache hat?

Ich lese diese Deklaration und frage mich, was davon noch gilt. Ich schäme mich.

Sie zu lesen, ist ein Hohn. Sie sind in den letzten Jahren so eng ausgelegt worden, dass sie einfach nicht mehr stimmen. Sie werden nicht eingehalten, nicht von irgendwelchen fernen Ländern, nein von uns, den Wohlhabenden, die wir Angst haben vor Menschen, die nichts mehr zu verlieren haben. Wohl zurecht, wir führten sie dorthin. Menschenrechte, deren Gültigkeit so eng ausgelegt wird, dass ich inzwischen das Gefühl habe, sie nur mehr wie durch einen Spalt betrachten zu können. Die Menschenrechte waren immer schon mehr Ideal als Realität. Nun ist diese Realität für viele erstrebenswerter als das Ideal. Sie sind verzerrt, wie noch nie in meinem Leben zuvor. Ich schäme mich.

Dann erscheinen Institute und erklären uns, dass die Welt die Armut bekämpfte, weil heute nicht mehr so viele von 2 oder 3 Dollar täglich leben. Wie beschämend.

Und zugleich fühle ich mich hilflos, weil ich nicht weiß, was ich dagegen tun kann.

„Unsere Werte wie Menschlichkeit, Vielfalt, Solidarität und eine offene Gemeinschaft sind die stärksten Waffen gegen Gewalt und Terror“, erklärte der norwegische Ministerpräsident Jens Stoltenberg nach den Terroranschlägen von Oslo im Jahre 2011.

Wir haben keine offene Gesellschaft mehr. Die Menschlichkeit ist bei vielen geschrumpft. Vielfalt wird als Gefahr angesehen. Solidarität ist kein Prinzip mehr, sondern wird als Gutmensch-Attitüde abgetan.

Die größte Gefahr sind wir selbst.

Was nun?

Die Welt kann ich nicht retten, auch nicht Europa, Österreich oder die kleine Stadt, in der ich lebe. Aber ich habe darüber nachgedacht, was ich kann. Lange. Habe meine Kräfte betrachtet und meine Stärken. Ich bin ein Wörtermensch, ein Mensch, der gerne lernt, nicht in den traditionellen heiligen Hallen der Weisheit, aber begierig nach Wissen und Erkenntnissen ist.

Bildung ist nicht alles, aber es ist ein Versuch, eine bessere Welt zu ermöglichen. Ich will weg von irgendwelchen Hürden. Ich habe an Webseiten gedacht. Viele Seiten zur Lese- und Bildungsförderung richten sich an Pädagogen, oder mit erhobenen Zeigefinger an „Laien“, oder mit kindlich vorgetragenen Referaten an durchschnittliche Bürger. Den Zeigefinger lasse ich zuhause, ich versuche Menschen zu unterstützen, die kein abgeschlossenes einschlägiges Studium haben (so wie ich, ich bin keine Pädagogin). Wenn ich eine Mutter oder Vater bin, brauche ich keine Experten, die mir in ihren Aufsätzen erklären, wie wichtig lesen ist, damit ich vorlese. Auf der einen Seite wird beklagt, wie viel Verantwortung Eltern an Schulen und Kindergärten abgegeben wird, und zugleich erklären Experten in theoretischen Abhandlungen, was alles zu tun sei. Die Forderungen werden immer mehr und die Vogel Strauß Mentalität wächst, wie die Ansprüche des täglichen Lebens. Es wächst uns wohl alles, was wir sollen, über den Kopf.

Dieses Vorgehen, dass überall Experten erklären, wie die Welt sich dreht, hat Menschen entmündigt. Die Rechnung ist da, es werden Verantwortungen abgegeben.

Davon will ich weg. Manchmal habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich so gar nicht einschlägig ausgebildet bin, sondern „nur“ denken kann, aber es ist wohl meine Stärke.

Ich will nur wissen, was es etwas gibt, wo ich es bekomme, ob es eine Buchhandlung ist, eine Bücherei, oder Online, als ebook, als video oder anderes. Ich will das Vergnügen teilen, das ich empfinde, etwas zu lernen, ohne Pisa, Bologna oder mit hübschen Namen verzerrte Bildungsvorgaben. Ich brauche keine Experten, die mir erklären, warum es sinnvoll ist. Mir macht es einfach Spaß. Darum mache ich, was ich mache.

Nachdem die Daten der Lesefähigkeit der Kinder am Ende ihrer Volksschulzeit nun bekannt gegeben wurden, fühle ich mich bestätigt, in dieser Richtung weiter zu arbeiten. Ich finde die Schockreaktion der Politiker lächerlich, ich versuche zu handeln und nicht schockiert zu sein.

Das war die Basis für die Überlegungen, die zur Gründung der Webseiten leseorte.org und lesewelten.org.

Das kann ich tun und tu es.

und es geht weiter

8.4.2016: Die Regierung erklärt einen Notstand, wo ich nur die eine Not sehe, von einer solchen Regierung regiert zu werden: Novelle zur Aussetzung des internationalen Rechts schon vor einem „Notstand“ soll kommende Woche in den Innenausschuss und ohne Begutachtung in den Nationalrat – derstandard.at/2000034463023/Regierung-setzt-schaerferes-Asylrecht-im-Eiltempo-durch

14.4.2016 Vertrauliche EU-Dokumente belegen weitgehende Kooperationspläne mit ostafrikanischen Despoten in der Flüchtlingspolitik. Pläne sollten „unter keinen Umständen an die Öffentlichkeit gelangen“.

Die EU-Direktorin von Human Rights Watch, Lotte Leicht, kritisiert den Grundansatz dieser EU-Politik: „Es ist unglaublich zynisch, wenn die Europäische Union, die auf Werten basiert und die europäischen Regierungen, die sagen, dass ihnen die Menschenrechte etwas bedeuten, mit menschenverachtenden Regierungen zusammenarbeiten, nur mit dem Ziel, Menschen davon abzuhalten nach Europa zu kommen.“

Geborgenheit

Wie seltsam, sich ein Wort zu nehmen, das vertraut wie ein alter Freund ist, und plötzlich ein Gefühl eines ersten Verliebtseins entstehen lässt. Geborgenheit: Geborgensein im Leben – geboren und geborgen – Zuhause im Sein – Sicher ohne Fragen – angenommen im So-Sein – im Sein, wie ich bin – darauf Vertrauen im Guten wie im Schlechten, wissen, in der Not aufgehoben zu sein.

Geborgenheit: bedingungs-, zeit- und raumlos geliebt. Keine Angst zu haben, nicht zu passen, in Vorstellungswelten, in Normen gezwängt, in Rahmen der Vorurteile anderer. Dass ich kein Bild und keine Illusion der Fantasie der anderen mehr bin. Nur ich. Geborgen.

Geborgensein heißt, sicher sein. Dass Verlass ist auf den anderen oder nur mir selbst. Denn die einzige Täuschung wäre, nicht sicher zu sein im Selbersein, im Sosein und sich verirren in den Erwartungen der Welt der Menschen. Geborgen, weil es kein Loslassen des Irrtums geben muss, denn die Enttäuschung ist nur das Erkennen der eigenen Täuschung, die Entdeckung der eigenen Parteilichkeit. Einer Einbildung, die nur in meinem Kopf lebt und nicht in Wirklichkeit. Ich lege das Trugbild zur Seite. Kein Vorwurf wird herausgezogen, weil ich es bin, die sich täuscht. Kein ewiges Schweigegefängnis ob des Anderseins findet Raum. Nur Verstehen der eigenen Verblendung und Akzeptanz der Differenz.

Dann brauche ich dem Überbringer der Botschaft, nicht meine eigene Intoleranz an den Kopf zu werfen. Sie gehört zu mir wie mein falsches Urteil. So hadere ich mehr an mir als am anderen, denn der einzige Betrug, der stattfand, ist jener durch mein Vorurteil. Wie soll ich auf mein Gegenüber sauer sein, wenn ich es bin, die irrte und nicht er, der täuschte. Der Augenschein zeigt nur meinen Fehler, der Schwindel ist nicht der seine, sondern meine Illusion, die mich taumeln lässt.

Geborgenheit weiß nichts davon. Sie vertraut. Ohne Fragen, ohne Zweifel umarmt sie dich und mich. Du bist wie du bist, und ich bin ich, auch wenn wir morgen andere zu sein scheinen, bist immer du, noch immer du und ich noch immer ich. Die Schattenseiten machen uns erst komplett. Geborgen im Schwarzen wie im Weißen, im Kalten wie im Warmen. Sicher in allen Stufen dazwischen.

Akzeptiert, geliebt und ganz gelassen.

Das ist vielleicht die letzte Kunst, den anderen komplett sein lassen. Denn dazu muss ich erkennen, ob meine Erwartungen den anderen drängen, muss ich erkennen, welche Ängste in uns beiden wohnen, die nach Bildern suchen, die wir nicht sind.

Die größte Aufgabe von allen ist, mich zu trennen von meinen Erwartungen.

 

Wer bin ich?

Nein, keine Angst, ich bin keine Philosophin und ich habe auch nicht nachgelesen oder offizielle Definitionen dazu eingeholt.

Ich denke nur gerne, also tu ich es.

Allein, über mich selbst, ohne Proklamation irgendwelcher Standards oder Wahrheiten. Denn über diese bin ich mir nicht sicher. Das hat weniger mit Zweifel zu tun, als mit dem Bewusstsein, dass ich meine Meinung immer wieder nachjustiert habe. Nicht auf den Kopf gestellt, aber eine regelmässige Feinabstimmung habe ich immer als angenehm empfunden.

Hingegen wissen und wussten andere immer schon so viel mehr. Die können auch voraussagen, wie sie handeln werden.

Der Unterschied zu ihnen wurde mir klar, als ich vor vielen Jahren vom Milgram-Experiment las. Jenem Experiment, bei dem untersucht wurde, wie autoritätshörig Menschen sind. Milgram wollte wissen, zu welchen Taten Menschen fähig sind, die im totalen Gegensatz zu ihren eigenen Wertvorstellungen liegen. 65% folgten den Anordnungen von Experten bis zum Ende, das wäre der Tod des anderen gewesen. Ich sollte nicht vergessen zu erwähnen, dass manche Teilnehmer des ursprünglichen Versuchs bis in ihre Grundfeste erschüttert waren und noch Jahre später unter ihrer damaligen Entscheidung litten.

Ich war jung damals. Und meinte, dass ich hoffentlich fähig bin, „Nein“ zu sagen und wurde dabei angesehen, als ob ich zu allem fähig wäre. Die anderen waren felsenfest davon überzeugt, niemals soweit gehen zu können. Sie waren mir unheimlich. Nur ich zweifelte.

30 Jahre später bin ich etwas sicherer, dass ich es nicht zulassen würde, ziemlich sicher sogar. Schwören würde ich noch immer nicht. Zu viele Bedingungen könnten meine Entscheidung beeinflussen. Hoffen allerdings, tu ich noch immer.

Denn ich erlebte vergleichbare Situationen, vielleicht nicht so dramatisch, aber intensiv genug. Ich arbeitete unter Menschen, die meinen moralischen Anforderungen nicht entsprachen.

Meine Vorgesetzte lachte über einen Gebärdendolmetsch, weil sie nicht wusste, dass zur Gebärde auch Körpersprache und Mimik gehört, eine Akademikerin in leitender Position. Sie lästerte leise bei einem Meeting, über einen gehörbehinderten Kollegen, dessen Frage sie so umständlich beantwortete, dass er sie trotz Dolmetsch nicht verstand. Sie umschrieb das Faktum bis zur Unkenntlichkeit. Empathie und Wissen über die Sprache von Gehörbehinderten hätte eine klarere Aussage gebracht. Dies löste bei mir Kopfschütteln aus und kurz darauf einigten wir uns, dass ich diese Einrichtung verlasse. Ein Beispiel unter vielen. Was hätte ich ausrichten können? Nichts, keiner hätte mir geglaubt. Man hatte mich das bereits wissen lassen. Ich hatte erfahren, dass ich hätte nichts verändern konnte. Denn ich hatte schon einmal Zweifel geäußert, bat diesen nachzugehen und wurde abgeschmettert.

Menschen hören und lesen gerne, was sie hören und lesen möchten.

Ich erlebte aber auch Journalisten, die, als es um ihren wohldotierten Job ging, lieber schwiegen, als gegen ihren Chef aufzutreten. Sie ließen sich den Mund verbieten. Als ihr Chef nichts dagegen hatte, wurden sie hingegen als Kämpfer gefeiert, gegen … – ist ja auch egal was. Es war ein „Gegen“, das genehm und öffentlich akzeptiert in ihren Kreisen war, weil es nutzte, und ohne Gefahr behaftet, den eigenen Wohlstand zu verlieren. Ich hatte die Villenetage gesehen, die 200 m2 Wohnung, und das Wochenenddomizil, eine Fabrik, die den Arbeitergeist zeigen sollte, der sie beflügelte. Ich hatte gesehen, was verloren gegangen wäre. Aber ich erlebte nicht, dass sie ein tatsächliches Risiko eingegangen wären und irgendetwas verloren hätten.

Und ich soll keine Zweifel haben, wer den Knopf für den Stromschlag in Milgram’s Experiment drückt? Was ist nun mein freier Wille? Wenn ich agiere, dass es mir nicht schadet? Wenn ich danach trachte, ein gemütliches Leben zu führen? Welche Normen habe ich für mich errichtet? Oder schleiche ich mich durchs Leben, auf angenehme Art und Weise, suche nach Freunden, die mir applaudieren? Ist das noch freier Wille oder nur die Suche nach Anerkennung, nur der Weg der Bequemlichkeit, des geringsten Widerstands? Interessiert mich nur, was andere von mir halten oder mein gemütliches Leben? Definiere ich mich darüber, was sie von mir denken? Wer bin ich dann? Noch ich selbst oder doch die anderen?

Zeit des Aufbruchs

Es war verdammt still die vergangenen Monate. Aber die Zeit des Aufbruchs ist gekommen. Eingeleitet wird es wiedermal durch eine lange Reise. Ich bin wieder in Amerika, wo ich diesen Artikel zuerst postete. Doch hier sollte ich wohl auch ein paar Worte verlieren.

Die letzten Monate waren gefüllt mit neuen Ideen und deren Planung. Und in den vergangenen Wochen war es soweit. Am 8. April jährte sich der Todestag meiner Mutter und damit startete ich mit der Umsetzung. Nachdem meine Mutter vergangenes Jahr in Frieden gehen durfte, habe ich beschlossen, dieses Trauerjahr zu nutzen, um tief in mich zu blicken.

Die vergangenen 10 Jahre kosteten mich viel Energie, anfangs fiel es mir nicht besonders auf, wie kräftezehrend die Krankheit meiner Eltern, aber auch andere Umstände waren, über die Jahre wurde es aber intensiver und intensiver. Zuletzt war ich mit meinem Leben nicht mehr zufrieden, ich funktionierte meist nur mehr. Nur das Schreiben war mir geblieben, das machte mich glücklich. Das Jahr ist vorbei, nun geht es zur Realisierung dieser Träume.

Der erste Schritt war eine neue Wohnung, die meinen Vorstellungen entspricht. Vielen zeigte ich nur die schönen Bilder und die wunderbare Lage, aber es ging mir auch darum, selbst einen Schritt in eine ressourcenschonende, lebenswerte Zukunft zu setzen. Auch wenn ich keine Kinder habe, möchte ich der Welt respektvoll und achtsam gegenüber treten. Die Wohnung ist praktisch neu, gut isoliert und braucht nicht viel Energie. Sie liegt so, dass es mir möglich ist, vieles zu Fuß oder mit dem Rad zu erreichen. Die Stadt setzt auf Car-sharing und E-bike-Verleih. Das waren alles Beweggründe, mich für Eisenstadt zu entscheiden, neben vielen anderen. Ich werde Burgenländerin.

Das andere zielt auf meine berufliche Zukunft. Ich habe mich entschlossen, mich dem zu widmen, das mein Herz erfüllt und lauter schlagen lässt. Ich will das tun, was mich die vergangenen Jahre überleben ließ. Ich habe den Rechenstift gezückt, meine Finanzen geordnet und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich es ruhig wagen kann. Ich will schreiben und schreibe.

Und ich will ausreichend Zeit haben für unbezahlte Arbeiten, die ich für ein funktionierendes Gemeinwesen für notwendig erachte, ob dies Singen mit dementen Menschen ist oder das Halten einer Hand, wenn sonst nichts mehr geht.

Beginnen wollte ich dieses Abenteuer mit einer Recherche über eine Frau, mit einem für mich aufregendem Leben, aber es kam anders. Meine Freundin, inzwischen 88 Jahre alt, hatte in den letzten Wochen große Verluste zu tragen und möchte nicht mit mir darüber sprechen. Das kann ich verstehen und gut nachvollziehen. Ich weiß noch, wie klein und müde ich in den dramatischsten Stunden meines Lebens geworden bin. Ich war froh um jene, die mich ruhig bei ihnen sitzen ließen, ohne irgendetwas zu fordern oder zu wollen. Einige gingen. Großreinemachen könnte man dies wohl nennen. Das darunter gerade jene waren, die mir immer wieder versichert hatten, wie ähnlich unsere Gedanken seien, lässt mich an ihrer Kenntnis meiner Person zweifeln. Wie froh war ich, dass ich ausreichend Selbstschutz entwickelte, um auf mich zu schauen. Manche nannten dies Egoismus, ich nenne es Vernunft. Niemand kann so gut auf einen selbst schauen, wie ich selbst. Und das tat ich, wann immer mir Dinge oder Menschen zuviel wurden.

Und so bin ich dankbar, dass meine Freundin über deren Leben ich berichten wollte, meine Pläne über den Haufen warf, weil es zu viel für sie ist.

Und so bin ich nun dagesessen und habe in meinen wirren Gedankenwegen herum gesucht, was mir denn in den Sinn käme, in den kommenden Wochen zu unternehmen. Natürlich hatte ich an die aufregenden Nationalparks in Utah und Arizona gedacht. Klar kam mir Yellowstone in den Sinn. Aber eigentlich suchte ich nach etwas Stillem. Nachdem ich im Winter eine Dokumentation über Gordon Hempton gesehen hatte und ihm auch schrieb, wie sehr mich seine Sehnsucht nach Ruhe und Friede berührt hatte, wundere ich mich nun nicht über meine Entscheidung, die großen Naturwunder hinter mir zu lassen und nach Unaufgeregtem, Ruhigerem zu suchen. Vielleicht nimmst du dir Zeit und klickst den folgenden Link an und wartest.

“SILENCE IS NOT THE ABSENCE OF SOMETHING,BUT THE PRESENCE OF EVERYTHING.”

Ich schaute mir Karten und Reiseführer von Wisconsin an und plötzlich sah ich das viele Wasser: die großen Seen, die kleinen natürlich auch, und den Mississippi, der die westliche Grenze Wisonsin’s zu Iowa bildet.
Kommende Woche wird es losgehen.
Um meine Reise mitzuverfolgen, folge diesem Link Ruth in Amerika.

Amerika

So schnell flog ich noch nie über den Atlantik und wenn mir jemand gesagt hätte, wie herrlich ich mich unterhalten würde, hätte ich vielleicht genickt, besonders aufregend hätte ich es nicht gefunden. Ich hatte mich schon öfter gut unterhalten, aber wenn mir jemand gesagt hätte, ich würde mich wunderbar amüsieren, weil ich neben einer Frau mit Burka sitze, hätte ich zu zweifeln begonnen. Inzwischen weiß ich auch, dass es ein Niqab ist, den sie trug, ich sah ihre lebendigen Augen und erst später die Cowboystiefeln, die unter ihrem schwarzen Körperschleier hervorlugten.

Maureen mit irischen, kroatischen, böhmischen Wurzeln ist eine selbstbewusste, offene, herzliche Frau, die eine Niqab trägt. Und Maureen ist keine Frau, die irgendetwas mit sich machen lässt. Ein seltsames Gefühl sich seinen eigenen Vorurteilen stellen zu müssen. Zuerst glaubte ich, mich nicht erinnern zu können, jemals eine Frau mit einem Gesichtsschleier bewusst gesehen zu haben. Aber es ist noch gar nicht lange her, da fuhr ich in der U-Bahn und sah eine und ich weiß auch noch, dass, ich mich fragte, wie es ist, so etwas zu tragen.

Sie fiel mir schon auf, als wir in den Flieger eincheckten, wo sie sich deutlich gegen die „besondere“ Behandlung wehrte, die ihr auf Grund ihrer Kleidung zukam.

Im Nachhinein stelle ich fest, es gibt noch so vieles, was ich sie fragen hätte wollen. Die Zeit verging sprichwörtlich wie im Flug. Es waren mehr unsere Gemeinsamkeiten, die mich in den Bann zogen. Ihre Bekleidung wurde Nebensache, auch wenn mich ihr Faible für Dr. Martens und Cowboystiefel amüsiert. Da ist unser Wunsch, mit Menschen zu kommunizieren, unsere Freude mit alten und sterbenden Menschen zu arbeiten. Aber auch die Sehnsucht nach einem spirituellem Leben. Sie ist fast genau 2 Jahre jünger und hat 5 Kinder, ihr Mann ist Ägypter und nachdem er jahrelang zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten und den USA pendelte, entschlossen sie sich mit den Kindern dorthin zu ziehen. Natürlich sah ich die Bilder der gesamten Familie und selbstverständlich wurden die Kinder gefragt, ob sie mitkommen wollen.

Wir lachten und weinten gemeinsam, tuschelten und wurden laut, so vertraut, dass uns eine Sitznachbarin fragte, wie lange wir uns kennen würden.

Muslimin in den USA. Kein leichtes Los. Und nochmehr: eine Muslimin, die dazu steht und zwar so, dass es jeder sieht. Immer nur hörte ich, das Frauen dazu gezwungen wäre, sich so zu kleiden. Bestenfalls dachte ich, dass sie eine Scheu hätten, sich dem Druck der Gesellschaft, der sie angehören, zu stellen. Ich konnte mir nicht vorstellen, sich freiwillig so zu kleiden. Maureen ist anders.  Sie hat verdammt viel Selbstvertrauen und streiten möchte ich nicht mit ihr. Eine Scheibe ihres Selbstbewusstseins wäre gut für jede Frau. Mit ihren irischen Wurzeln war sie natürlich katholisch und in jungen Jahren ein Hippie und kannte auch Magic Mushrooms. Es war die Spiritualität der Native Americans mit der Belebtheit von Pflanzen und Steinen, der ganzen Natur, die sie berührte und diese fand sie dann auch im Koran. Ich habe das nicht gewusst.

Dass in der Schöpfung Gottes alles Lebendige und Nichtlebendige gleichberechtigt nebeneinander steht, berührt mich. Nicht dieses „Macht euch die Erde untertan„, das zu Respektlosigkeit und Ausbeutung gegenüber allem, was nicht der Krone der Schöpfung entspricht (und nicht mal der bringen wir die notwendige Achtung entgegen), geführt hat.

Vorurteil, Halloooo! Eigentlich sollte man ausrufen: Radikale aller Religionen vereinigt euch! Ich brauche sie alle zusammen nicht. Ohne Toleranz interessiert mich kein anderer Glaube, denn dort finde ich keinen Platz, dort ist kein Raum für mich.

Es war nun das zweite mal, dass ich mit einer Muslimin zufällig reiste. Und ich mag diese Vertrautheit, die beide Male entstand. Es waren beide Male Frauen, bei denen eine gewisse Intimität einfach durch das Frausein entstand.

Wir im westlichen Kulturkreis tauschten Nähe ein gegen eine gewisse Distanz, gleichberechtigt, egal, ob wir einem Mann oder Frau gegenüber treten, ein. Wir vertrauen einfach nicht mehr so leicht, wir sind vorsichtiger, misstrauischer geworden. Wann ist dieser Abstand wichtig geworden? Ich verallgemeinere schon wieder, wie dumm. Ich spüre Nähe und manchmal frage ich mich, ob es gerade diese Zufälligkeit ist, dieses kurze Zusammentreffen, das gleich wieder verfällt, die einen so schutzlos einem anderen ausgeliefert sein lässt. Der andere bekommt nie die Chance, die Verletzlichkeit des anderen zum persönlichen Gewinn auszunützen. Nun ich kann es testen, ich habe eine Einladung nach Abu Dhabi. Wir hatten uns so gut unterhalten, dass wir gefragt wurden, ob wir uns schon lange kennen. Emails tauschten wir aus. Und bevor sich unsere Wege trennten, sie in der Schlange für Amerikaner, ich in der aller anderen, umarmten wir uns noch ganz fest. Sie war unterwegs nach Arizona, ihrer böhmischen Großmutter ging es nicht mehr so gut. Sie war siebenundneunzig.

Und es ist wieder einmal der Beweis, dass alleine reisen viel aufregender ist. Mit jemanden an meiner Seite, wäre niemand Fremder neben mir gesessen, ich hätte nicht zu quatschen begonnen, ich hätte wieder versäumt, etwas über andere zu lernen. Noch viel weniger hätte ich mich vermutlich neben eine vollverschleierte Frau gesetzt. Das Schicksal meint es gut mit mir. Ich darf lernen. Ich will das alleine reisen nicht missen. Ich habe keine besonderen Menschen getroffen, weil ich besonders bin, sondern weil überall besondere Menschen herumlaufen. Dazu müssen nur die Augen geöffnet sein und der Wille, den anderen auch wahrzunehmen. Das reicht.

ps. Ein Jahr später: Wir schreiben uns noch, nicht oft, das Schreiben ist nicht ihres. Wir vermissen uns.

Reflux

Ich bin immer schon negativ aufgefallen, als ich bohrte und fragte und wissen wollte, wer DU denn bist. Ich wollte nicht einmal eine schnelle Antwort, mir reichte ein Überübermorgen. Und nicht einmal das musste sein. Ich teile meine persönlichen Bemühungen, meine ganz privaten Überlegungen. Ob ein anderer so nachdenken möchte, ist dessen Entscheidung.  Einmal sagte eine Freundin: „Ich möchte dich nicht mehr sehen, deine Reflexionen machen mir ein schlechtes Gewissen.“ Reflux – es stößt etwas auf.

Es waren Rückschauen auf mich, nicht über sie. Und sie wollte nicht über sich nachdenken, doch meine Gedanken klopften bei ihr an. Das wollte sie nicht. Ich glaube, sie war nicht die einzige. Nur andere waren nicht so mutig wie sie. Die sagten zwar, es sei ihnen zuviel. Und ich hörte auf, ihnen über mich zu schreiben und fragte nur, ob sie Zeit hätten mich zu sehen, auf ein Plauscherl im Kaffeehaus. Nie wieder hatten sie Zeit für mich.

Heute bin ich ohne Versenkung in mein Handeln, vor und zurück, nicht mehr denkbar. Lange war es anders, da spielte ich nachdenken. Ich spielte viel, unbewußt. Jetzt weiß ich das. Denn es fließt zurück zu mir, wenn ich verdränge. Manchmal dauert es Monate, auch Jahre, bis ich das Spiel erkenne, aber ich schaue meiner Angst ins Gesicht. Immer wieder. Je geübter ich werde, desto weniger Sodbrennen habe ich.

Biedermänner

Es gibt Menschen, die glauben, das Leben spielt sich im geschriebenen Wort ab. Denn dort sind sie revolutionär, da bewegen sie, da rufen sie auf, da sind sie Veränderer, Rebellen und Revolutionäre.

Doch lüftet man den Vorhang, dann kommt ein biederer, gewöhnlicher Mensch heraus, der an anderen herumnörgelt, alles besser weiß und nichts besser macht. Der sucht nach Bewegungen, großen Mustern, ob es die alte Linke, die noch älteren Reaktionäre, oder auch die neuen Selbständigen sind. Alles wird schubladisiert. Und er selbst, erkennt nicht, dass er nur in der Schublade des Schwaflers sitzt.

Es ist eine adrette Falle, sich über andere lustig zu machen, in einer Art und Weise, dass zuletzt der Zeigefinger nackt auf einen selbst zeigt. Er fragt schon mal in fremden Lande, wie die Stimmung so sei unterm Volke. Und begreift nicht, dass der soeben Gefragte auf Bilder zurückgreift, die Menschen, wie er selbst, entworfen hat. Da kann Panik sein, da kann Freude sein, Wahrheit ist etwas anderes. Dazu sind wir zuviele, zu Unterschiedliche.

Wer von anderen beachtet wird, aus welchen Gründen auch immer, kann nun was sagen, wen er gefragt wurde und auch was sagen, wenn er nicht gefragt wird. Doch hören tun wir es nur, wenn darüber berichtet wird. Nur wer ist berechtigt, zu bestimmen, wer etwas sagen darf oder nicht. Dann kommt ein Schubladen-Journalist und schließt von einer Rede einer Person, über deren Qualität ich nichts sagen will, auf eine gesamte Berufsgruppe. Wie platt.

Wie mir vor diesen Schubladen graut.

Die sagen mal zu Künstlern Bilde, Künstler, und rede nicht so viel Blech! wie Tilman Krause. Als ob die Schublade „Künstler“ zu blöd zum Denken sei. Herr Krause meint, Künstler sind doof und sollen den Mund halten. Wie schön wäre die Welt, wenn Künstler die Einzigen wären, die Blech reden. Leider spricht nicht nur ein Mensch viel Schwachsinn und auch nicht eine bestimmte Gruppe von Menschen. Wie immer ist es differenzierter. Schwachsinn ist zu kritisieren. Nicht der Mensch, sondern das Blech.

Dieses Gleichgewicht scheint heutzutage arg aus der Balance zu kommen. Denn so gedacht, wäre der Journalist das Gelbe vom Ei. Wenn dem doch so wäre, wie schön. Und doch reden auch sie viel Blech. Und dieses Blech sei auch kritisiert. Denn diese Menschen sind dieselben, die die anderen (und so auch Künstler) fragen, was sie denn denken. Spricht nun, wer auch immer Blech, sind es Journalisten, die es anstatt als Altmetall zu entsorgen, es wieder ins Feuer geben, um es neu zu hämmern. Ganze Menschengruppen werden zu Idioten. Ausgrenzung, das gab’s schon mal. Und es fällt niemandem auf. Beifall wird aus allen möglichen Ecken geklatscht. Der Künstler soll Kunst machen, zu allem anderen ist er unfähig.

Ich habe die Rede, um die es da ging, nicht gelesen. Ich hätte von ihr nicht einmal erfahren, wenn andere – nämlich Journalisten – nicht darüber gesprochen hätten. Aber das Maul verbieten, löst bei mir zunächst Beklemmung aus und dann werde ich zornig. Wir hatten so etwas schon mal.

Seit ich nun auf Maulverbieten schaue, sehe ich es links und rechts und oben und unten immer wieder aufblitzen, wenn einer wieder mal, einem anderen das Maul verbietet. Das passiert öfter, als ich dachte. Meist sind die gleichen Leute, die dann rufen: Denkt mal, Leute!

Nicht von anderen verlangen, dass sie denken sollen, und dann das Maul verbieten. Es ist noch viel schlimmer, denn einer gesamten Gruppe von Menschen wird gesagt, dass sie nicht fähig sind zu denken, ist eine Frechheit. Er sagt quasi mir, dass ich ein Volltrottel bin. Wenn er es mir ins Gesicht sagen würde, wenn er Manns genug wäre zu sagen, Frau Taler, das ist Schwachsinn. Nur, das glaube ich nicht.

Kann so jemand glauben, dass Menschen überhaupt denken können, entscheiden können? Nein, das geht nicht. Ich kann nicht sagen, die sind blöd und dann noch glauben, der Mensch sei prinzipiell zum Denken fähig. Das geht nicht zusammen. Das ist ein Widerspruch. Lasst doch die Leser selber denken und das Blech selbst entsorgen, wenn Journalisten glauben, davon berichten zu müssen.

Wie leben diese getarnten Biedermänner ihr Leben? Sind sie tatsächlich revolutionär, oder behandeln sie dich so, wie sie es von klein auf gelernt hatten, ganz altmodisch, die Muster der Kindheit verfolgend. Haben sie ihr Leben umgedreht? Oder schreiben sie und schreiben sie und schreiben sie. Wer so spricht, erobert sich nicht meinen Respekt.

Schreiben allein ist nicht klug, Schreiben allein ist nicht revolutionär, Schreiben alleine ist Schreiben. Nicht mehr, nicht weniger.Und wenn die Worte so verzaubern, dass sie unendlich klug klingen, sind sie doch die Worte eines Zauberers und die wollen entzaubert werden.

Leben, Tun, Atmen, da findet Revolution statt. Wie gehe ich mit anderen um? Wie achte ich andere, die nicht meiner Meinung sind, die nicht die Musik mögen, die ich mag, die arbeiten, wie ich es nicht aushalte, die leben, wie ich niemals leben möchte. Sie sollen da alles machen dürfen, denn ich will auch alles machen dürfen, solange es andere nicht verletzt. Und glauben Sie mir, wenn ich blaues Haar hätte, würde keiner sterben daran, auch wenn sie sich noch so aufregen. Wahre Verletzungen sehen anders aus.

Wenn ich über die Schreiber lästere, weiß ich, wovon ich rede, schwafle ich selbst gerade vor mich hin.

Marktwert

Ich bin verdammt froh, keinerlei Marktwert anzustreben. Damit ist egal, ob ich einen besitze oder nicht. Dieses sich selbst als Produkt definieren, ist seltsam. Etwas teilen, Begeisterung, ein Lied, einen Text, das ist etwas anderes. Da geht es um Leidenschaft und Freude, die man teilen will. Andere hingegen machen Werbung, und wenn du nicht ihrer Meinung bist, dann bist du weniger wert. Die überzeugen nicht, weil sie Argumente haben, sondern weil sie lauter sind. Hast du nicht deren Tempo, bist du Zweiter. Bist du nicht so laut, bist du Zweiter. Willst du denken, bevor du redest, bist du Zweiter.

Irgendeinen Geschmack suche ich, der bei mir zurückbleibt, wenn es nicht aufrecht ist, dieses Werben um jeden Preis. Aber wie kann ich das beschreiben, was ist es genau? Schneller, lauter, schlagfertiger und dann bist du Nummer eins am Markt. Und das soll einen Wert haben? Vielleicht ist es nur Naivität, die mich führt. Eine Naivität, die wissen will, was ein anderer empfindet, was er denkt, was er braucht. Wenn ich etwas verkaufen will, ist es mir völlig egal, was du empfindest, was du denkst, was du brauchst. Und wenn es nur das Gefühl ist, dass du etwas Besseres seist.
Nur so will ich nicht leben.

Ich teile, weil ich mich freue und hoffe, dass ein anderer sich freut.

Deshalb will ich meinen Marktwert auch gar nicht wissen. Damit bin ich frei. Scheiß drauf. Sollen die anderen geliebt werden wollen. Mir reicht, dass ich finde, dass ich cool bin. Mögen die anderen verbrennen, wenn sie an mich denken. Oder auch nicht, ist mir auch egal.

Wir-Sager

Krankenschwesternplural” oder der „Lieber Onkel Doktor hat auch Bauchweh“-Plural hat jeder schon mal gehört, ich kenne aber niemand, dem schlecht wurde, weil er mit mir sprach, zumindest hat es keiner gesagt oder hat sich übergeben müssen. Denn „uns geht es nicht besser“, noch „fragen wir uns, wie es uns heute so geht.“ Wie geht’s dir, wie geht’s mir, das ist die korrekte Frage. Vielleicht soll es ja nur ein vertrautes Miteinander erzeugen, aber ehrlich gesagt, stehe ich drauf, im Allgemeinen ich zu sein. Wir dürfen gerne miteinander essen gehen, tanzen und singen.

Oder jene, die mir etwas erzählen und mir auf die Schulter klopfen oder wenn jemand von „Wir Armen“ – was auch immer – spricht. Ein Ausdruck von Bescheidenheit soll es sein? Nicht doch. Wenn mir einer erzählt, was ich denke, wie ich reagiere, wie ich fühle, wie ich handele, dann weiß er zuviel, aber nichts von mir. Dies ist wohl eher der überhebliche, übermächtige „Pluralis prae potens“. Manche gewöhnen sich diese Ausdrucksweise so an, dass sie nicht mehr erkennen, wie aufdringlich sie sind. Ich spreche von mir, von meiner Meinung, von meinen Entscheidungen, meinem eigenem Verstand und den verwende ich. Anstatt einzuladen selbst zu denken, müssen wir verstehen, wir überlegen, wir klar erkennen. Im Gleichschritt marsch!

Anscheinend werde ich mit dem Alter pubertierender, kindischer und vielleicht vergesse ich irgendwann alles. Aber vorerst streike ich. Ich nehme Einladungen zum Denken an, höre Überlegungen zu, genieße es abzuwägen und eine Meinung zu haben.  Jeder darf mir erzählen, zu welchen Schlüssen er gekommen ist, aber wir sind nicht prinzipiell einer Meinung. Prinzipiell sind wir erst mal zwei und dann werden wir sehen. Überzeugen Sie mich mal! Und glauben Sie mir, nur weil ich nicht verstehe, was Sie sagen, halte ich mich nicht für dumm. Und Sie haben etwas Essentielles nicht verstanden. Oder haben doch wir etwas nicht verstanden?

Meine private Sternschnuppe

Sternschnuppen kann man kaufen, dass ich das nicht früher entdeckt habe, ist Schade, aber besser spät als nie. Als ich aus dem Laden rausging, dachte ich, Marilyn Monroe hatte nicht recht, Sternschnuppen sind die beste Freunde eines Mädchens. Und wie immer tut es mir leid, dass ich es nicht wagte, laut rauszuschreien: Ich habe mir eine Sternschnuppe gekauft!sternschnuppen

Vielleicht werde ich auch mal eine finden, wenn nicht die gesamten Edelsteingeschäfte der Erde die Fundplätze plündern.

Aber ob ich ihn erkennen würde, glaube ich nicht. Schließlich sieht er nicht anders wie ein Stück Eisen aus. Oder ist es wie Goldwaschen eine Touristenattraktion? Aber ich durfte ja schon vom Mount St. Helens keinen simplen Stein mitnehmen.

Die Altersangabe hat mich umgehauen, 4,6 Milliarden Jahre. Den genauen Geburtstag weiß ich leider nicht. Ich weiß auch, dass die meisten kein Herzklopfen bekommen, wenn sie diese Angabe hören. Ich war mir aber ziemlich sicher, dass es die Zeit der Entstehung unseres Sonnensystems sein musste. Und so war es. Ich hab nun etwas vom Beginn unseres Sonnensystems um meinen Hals hängen. Auf die Erde herunterfiel der meine  vor 4-6.000 Jahren, Menschen haben sie wahrscheinlich fallen sehen – irgendwo in Argentien. Meine Sternschnuppe enthält mehr Iridum als die Kruste unserer Erde. Nicht nur das, Iridium gibt es viel seltener als Gold und Platin. Vermutlich ist seine Heimat zwischen Jupiter und Mars. Das ist eine Adressenangabe, beneidenswert. „Ich wohne am Asteroidengürtel 4562.“

Bislang hatte ich es nur zu einem Tektiten gebracht, die entstehen, wenn eine Sternschnuppe auf Gestein fällt, das dann ziemlich heiß wird und sobald es kalt ist ziemlich anders aussieht als vorher, wie ein Tektit eben. Er wurde mir allerdings als Meteorit verkauft. Er stammt also von der Erde und ist nur ziemlich ins Schwitzen geraten. Keine Sorge er war erschwinglich, vielleicht zu erschwinglich, deshalb blieb ich misstrauisch, bis ich die Wahrheit im Museum erfuhr. Doch heute las ich von einem Einschlag am Mond im letzten Jahr und plötzlich wusste ich, ich will meinen Teil eines Sternes eine Weile in meiner Nähe wissen, damit mir immer bewusst ist, woher ich stamme.

Ab jetzt brauche ich nur mehr meine Sternschuppe nehmen, sie vor mir herunterfallen lassen, Augen schließen und mir etwas wünschen. Eine private Sternschnuppen sollte jeder besitzen.

Langweilige Zeitgenossen dürfen auch Meteorit sagen. Ich musste die Verkäuferin mehrmals korrigieren: „Gehen Sie achtsam um, es ist eine Sternschnuppe, die Sie da in Ihren Händen halten.“ Ich darf nun meine Lebenszeit mit einer Sternschnuppe teilen.

Auf Nummer sicher gehen

Wenn es eine Versicherung gäbe, die uns Vertrauen garantiert, dann würden viele sie wohl abschließen. Es gehört vielleicht zu den großen Mysterien, warum unser Vertrauen enttäuscht wird, aber vielleicht enttäuschen wir andere ebenso. Oder gibt es wirklich Menschen, die uns mit voller Absicht enttäuschen wollen? Vielleicht bin ich wirklich absolut naiv und davon überzeugt, dass die meisten Menschen gute Menschen sein wollen.

Manche sind aber von ihrer guten Absicht nicht wirklich überzeugt, dann beginnen sie zu lügen. Sie lügen weniger, um dich anzulügen, mehr um das Bild, das sie für dich entworfen haben, aufrecht zu erhalten. Dabei wissen sie nicht einmal, welches Bild du gemalt hast.

Einmal erwischte ich jemanden beim Lügen für mich. Was er nicht bedachte, war, mit der Zeit glaubte ich immer weniger, beobachte ihn immer eifriger, immer misstrauischer. Und so wie ich skeptischer wurde, wurde er unsicherer und verlogener. Und ich bin gut beim Riechen seltsamer Geschichten.

Das Vertrauen war hin. Doch der Wunsch zu vertrauen lebt in mir, als ob ich 5 Jahre alt wäre. Versicherung gibt es keine und ich würde auch keiner Gesellschaft glauben, die es anbieten würde. Wie gerne würde ich auf Nummer sicher gehen.

Heilige Kuh

Die Regierung ist Schuld, an ….

Setzen Sie ein, was Ihnen beliebt. Die Verantwortung an eine Organisation abzugeben, haben Menschen immer schon geliebt. Früher war es mal der liebe Gott, heute darf es die Regierung oder die EU sein und wenn es nicht passt, kann ich endlich auf jemanden schimpfen, denn ich selbst kann nichts dafür.

Mich stört, auf wieviele Dinge ich keinen Einfluss mehr habe. Es stört mich, dass andere so viel Verantwortung für mich übernehmen und ich keine Chance habe, dieser Entmündigung zu entgehen. Seltsamer Weise würde einen Basiseinkommen tatsächlich Freiheit bedeuten. Die ewigen Herumjammerer würden sich ihres liebsten Hobbys entledigt sehen. Aufgeblähte Verwaltung würde in sich zusammenfallen, sie wäre einfach nicht mehr notwendig. Wenn mir ein Job nicht passt, kann ich gehen. Mitleid mit Bewegungslosen ist nicht mehr notwendig. Die können sich im Kreis drehen, es wird keine Beachtung mehr finden.

Aber in diesem Moment bin ich auf mich zurückgeworfen. Ich denke, ich entscheide, ich gehe, ich stehe, ich lebe. Niemand macht mit mir. Ich bin nicht ohnmächtig. Ich bin nicht einflusslos. Ich bin nicht hilfsbedürftig. Ich bin aktiv. Ich bin zumindest mächtiger, eigenverantwortlicher, trage mehr auf meinen Schultern als früher.

Auch wenn ich ungläubig auf die USA blicke, weil man sich gegen eine allgemeine Krankenversicherung wehrt, so sind Pflichtversicherungen in allen Richtungen in Österreich schon lächerlich. Oder haben Sie gewusst, wenn Sie als neuer Selbständiger im Vorhinein wissen müssen, was Sie verdienen werden (wie ein Angestellter), wenn Sie das nicht melden, 9% Strafe zu zahlen ist. Nun werden Sie denken, jeder muss Steuern zahlen. Da gebe ich Ihnen schon recht, aber wie jemand bei einem Einkommen von 537,78€ im Monat, dann 148,86€ an Pflichtversicherungen zahlen muss, grenzt an, ich weiß nicht was. Es bleiben also 388€ zum Leben. Und beachten Sie, wenn ich unter diesem Einkommen bleibe, das ich vorab angebe, bekomme ich dieses Geld nicht refundiert, wenn ich es aber nicht melde, bezahle ich 9,3% Strafe. So lese ich den Beitrag über Neue Selbständige der Wirtschaftskammer (als Neuer Selbständiger bin ich nicht Kammermitglied, auch so ein Verein, dem ich mich nicht entziehen kann, und so falle ich aus jeglicher Sozialpartnerschaft raus. Das erklärt wohl, wie es zu solchen Vorschriften kommt. No Lobby, no service). Zu wenig zum Leben, zu viel zum Sterben.  Verstehen Sie das? Ich nicht, ich will das auch nicht verstehen. Vielleicht ist es auch ganz anders. Mir ist schon klar, dass ich das genau wissen will.

Aber über Länder wie die USA schimpfen und unsere Krankenversicherung so toll finden, kann ich nur, wenn ich weiß, welche Bedingungen daran geknüpft sind. So wie die meisten glauben, es gäbe keine Menschen, die nicht versichert sind. Es gibt sie aber. Und es gibt wenige Stellen, wo sie sich behandeln lassen können. In Österreich ist nicht jeder krankenversichert. Das muss einfach gesagt werden. Es ist eine Illusion, wenn ich das nicht weiß. Krankenversichert und mit 388,92 zahle ich dann Wohnung und Essen.

Heilige Kuh der Entmündigung, denn keiner hat davon gewusst. Wenn es nicht so ist, dann nur zu, schreibt mir! Ich wäre froh, wenn das, was ich gelesen und gerechnet habe, falsch ist.

Mit der Axt entzwei

Ich bin verletzlich geworden.

Es ist nicht mangelndes Vertrauen oder Misstrauen, das mich beherrscht, sondern Angst verletzt zu werden. Ich dachte, ich hätte mein Vertrauen im Klo runter gespült. Aber ich bin nur vorsichtig geworden. Es waren nicht Fremde, die bei mir diesen Schrecken auslösten.

Ich habe nie verstanden, wie andere leichtfertig Versprechungen gaben, an denen ich zweifelte, zu groß, zu umfassend, zu schwer wogen sie. Ich kann nicht für immer und ewig Versprechungen geben. Und wenn ich versucht bin so zu denken, dann behalte ich es für mich. Denn auch ich war versucht. Aber in Wahrheit geht es nicht. Eine Freundin, die mich ohne Erklärung stehen gelassen hatte, dachte nach 3 Jahren wäre SIE soweit, wieder mit mir zu sprechen. Egal, was sie mir als Erklärung gegeben hätte, ich wollte mich auf niemanden mehr einlassen, der mich 3 Jahre lang ignoriert. Geheult habe ich deshalb viel, aber das Risiko stillschweigend ignoriert zu werden, wenn ihr etwas an mir nicht passt, war zu groß. Jemand, der nicht wissen will, warum ich so gehandelt hatte, mich nicht einmal sagt, was genau es war, was ihn störte, ist niemand, dem ich vertrauen kann.

Es ist ein Unterschied, wenn sich Wege auseinander bewegen. Immer versuchte ich, wenn ich die Bewegung kommen sah, noch darüber zu sprechen. Die wenigsten konnten. Und manchmal gab es wieder eine Bewegung aufeinander zu. Das heißt im Fluß sein. Keiner hob die Axt und schlug auf die zarte Pflanze Vertrauen entzwei, die durch Kommunikation genährt wird.

Ich bin vorsichtig geworden.

Abenteuer

Abenteuer sind geil. Auch wenn ich sie meist nur in homöopathischen Dosen geniesse, aber das ist nichts gegen die Jahrzehnte, in denen es gar keine Abenteuer in meinem Leben gab.

Ich selbst fand mich als Teenager nicht besonders abenteuerlustig. Im Rückblick sieht es anders aus. Jungen Menschen, die meine Kinder sein könnten, erzähle ich hin und wieder, was ich erlebte, als ich in ihrem Alter war. Sie wollen doch ermahnt werden, ein klein wenig verrückter zu sein und nicht nur eindimensional auf ein unkalkulierbares Übermorgen hinzusteuern. Und manchmal geht es nur darum, wieder einmal herzlich über sich selbst lachen zu können.

Als ich, 18 Jahre alt, mit einer Freundin in Korsika auf Urlaub war, entschlossen wir uns spontan doch noch 2 Tage länger zu bleiben, obwohl das Budget absolut aufgebraucht war. Wir hatten die Karten für die Fähre und für den Zug. Klingt gut, meinen Sie?  Na ja, von der Fähre waren wir 100 km entfernt und sobald wir das Meer überquert hatten, fehlten uns immer noch 150 km bis Florenz. Wir ernährten uns von Zuckerpäckchen, die wir umsichtig Tag für Tag beim morgendlichen Kaffee mitgenommen hatten. Aufmerksame Männern halfen uns mit Nahrungsmittel aus, als sie sahen, wie wir mit feuchten Fingern den Zucker in unsere Münder beförderten. Aber das ist eine andere Geschichte. Korsika war uns gut gesonnen, wir wurden nicht nur zur Fähre transportiert, sondern bekamen noch Berge und Nordküste gezeigt, und wurden auf ein formidables Abendessen eingeladen. Am nächsten Nachmittag erreichten wir Piombino, es dämmerte bereits, ein alter Mercedes hielt und nahm uns mit. Als wir hinten auf der Rückbank saßen, stellten wir fest, dass wir auf einen Kopf mit kurzgeschnittenen Haaren und bulligen Nacken schauten. Vorurteile? Wir doch nicht, er hat uns mitgenommen. Er hat unseren Wunsch erfüllt. Als wir jedoch das Loch in der Windschutzscheibe sahen, dass einem Einschuß verdammt ähnlich sah, wurde die Stille im Innenraum hörbar. Zumindest ich konnte mein Herz laut klopfen hören. Damals wurde monatlich „Aktenzeichen XY … ungelöst“ ausgestrahlt, eine Sendung, in der mit Hilfe von Zuschauerhinweisen, Täter überführt wurden. Ich weiß nicht, ob Sie mir glauben, aber jedes 2. Verbrechen fand in einem typischen XY-Wald statt, durch den schnurstacks eine einsame Straße verlief. Dort wurden regelmäßig Frauenleichen gefunden. Auf einer solchen Straße befanden wir uns auch, als das Auto stehen blieb und sich dieser gefährlich aussehende Mann umdrehte und fragte, ob wir zu seinem Haus mitkommen wollten. Wir lächelten freundlich, verneinten, stiegen aus und fürchteten uns, weil wir nicht wußten, ob wir von dieser abgeschiedenen Straße jemals wegkommen würden. Kurze Zeit später hielt ein Mailänder, der uns bis zum Bahnhof brachte. Er nahm einen Umweg über Florenz, weil er sich Sorgen machte und seine Freundin in unserem Alter war. Er hoffte, seine gute Tat würde auch Schutz für sie bedeuten. Er hatte gutes Karma angehäuft.

Doch Geschichten will ich sammeln, auch heute noch. Ich war und bin abenteuerlustig. Ich lernte Gefahren einschätzen und gelegentlich habe ich auch später einen Autostopper mitgenommen. Die letzte war Laura. Ihr Vater war Italiener, weshalb sie so oft fror, sagte sie. Getroffen hatte ich sie an einem verregneten Tag auf Vancouver Island. Es war Juli, Hochsommer und sie trug einen Daunenanorak. Ihre Mutter gehörte zu den Ahouat, einer der First Nations in Canada. Ich erzählte ihr von dem Weisskopfadler, den ich gesehen hatte und sie mir, dass dieser das Totemtier ihres Stammes war. Bei jedem Begräbnis zog ein Adler seine Kreise über die Trauernden, wirklich bei jedem, versicherte sie mir. Aus diesem Grund hatte sie begonnen, zu den Elders, zu den Stammesältesten, zu gehen, sie wollte lernen, was sie versäumt hatte über ihre Vorfahren zu erfahren. Sie hatte erwachsene Kinder, 2 Jobs, die 35 km auseinander lagen und kein Auto. Ja, und die Seeschlange war ebenfalls eines ihrer Totemtiere. Sie war stolz auf ihre Kinder, einer war bei den Kanadischen Mounties und eine Krankenschwester. Ich brachte sie heim und schenkte ihr mein Zelt und meinen Kocher und sie mir die Adresse eines Motels, bei dem sie vor Jahren putzte.

Inzwischen kenne ich auch andere Natives oder Indigenes. Indianer darf man ja nicht mehr sagen.

Ich lerne durch Abenteuer. Ein Risiko einzugehen, ist nicht nur gefährlich, sondern bringt Gewinn. Ich bin aufmerksamer, gewinne Sicherheit auch durch Unsicherheit. Abenteuer öffnen neue Türen.

Kein Mitleid

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, mich nervt Herumjammerei über andere, weil sie nicht tun, was das verwöhnte Kinderherz sich wünscht. Und wenn einer sich selbst leid tut, reicht es und kein anderer muss ihn bedauern. Vielleicht bin ich auch nur verrückt, es liegt mir nicht, lauthals bekannt zu geben, wenn mich andere nerven. Wenn ich es tue, nerve ich mich selbst auch. Im besten Fall lache ich über mich selbst, wenn ich ins Maulen abgleite.  Im Schlechtesten versuche ich es mit mir auszumachen. Wenn ich nichts machen kann und es mir zuviel ist, muss ich gehen. Manchmal dauert es, manchmal sogar sehr lange, bis ich endlich aufbreche, aber der Moment kommt und ich stehe auf und verschwinde. Und so wie ich lächerlich bin, wenn ich rummaule, sind auch andere lächerlich.

Noch besser

Ein Postskriptum zu Blödmännern

Das Doofe beim Denken ist, dass man es nur mehr schlecht abschalten kann, wenn einmal die Leidenschaft entzündet wurde.

Werde ich selbst auch ein Besserwisser, wenn ich über andere Besserwisser lästere? Das ist eine verdammt blöde Frage. Vielleicht ist auch ganz einfach.

Was mache ich? Ich will erklären und meinen Weg aufzeigen, der mich zu einem bestimmten Schluß gebracht hat. Damit lade ich ein, sich in jener Straße der Erkenntnis selbst umzusehen. Zum Denken zwingen kann ich niemanden. Ist jemand nicht meiner Meinung, muss es mir nicht gefallen. Ihn deshalb zu verurteilen, spricht allerdings nicht für Klugheit.

Ich rede nicht von grundlegenden Prinzipien, auf die wir uns geeinigt haben, Menschenrechte und andere Konventionen. Auch will ich hier nicht von totalitären Systemen wie Faschismus sprechen. Jedoch „wer glaubt, ein Diktator sei ein Demokrat, ist blöd, “ klingt auch nicht intelligent.

Die Radikalisierung bei Trivialem nervt mich. Als Denkübung will ich hier so einige Grüppchen nennen: was halten Veganer von Fleischessern? Und Fleischesser von Veganern? Was halten Grüne von Ölkonzernen? Was denken Konservative über Revolutionäre? Und haben Sie schon mal die Fetzen fliegen gesehen, wenn diese Grüppchen sich über ihre eigenen Ziele zu unterhalten beginnen?

Nur weiß ich, manchmal bin auch ich ein Besserwisser. Da zähle ich auf weise Freunde, die mich an der Nase nehmen und mir zeigen, wie oberlehrerhaft ich gesprochen habe.

Blödmänner

„Wer glaubt, xy ist abc, ist schlicht blöd.“ Dieses Zitat brachte mich zum Nachdenken. Diese Aussage ärgerte mich, ich mochte sie nicht. Erst als ich das Ding mit xy belegte, wußte ich, woran sie mich erinnert. War das Volksschule oder doch mehr Kindergarten? Soll ich darauf antworten: „Dann bin ich lieber blöd“ oder „Wer so redet, ist doof“ oder „Na, dann … ;-)“ verlegen, wie der dort angesprochene? Mundtot gemacht, zum Schweigen gebracht und dann noch mit Smiley gekichert. Es war nur kein Kind, das hier sprach, auch kein Jugendlicher, nicht mal ein protestierender Student, nein, derjenige steht mitten im Leben und strotzt und protzt vor Selbstbewusstsein. Keine Unsicherheit trübt das Wässerchen.

In solchen Momenten komme ich mir dann sehr alt vor, denn ich frage mich, a) ob die Welt tatsächlich wissen will, was ich blöd finde und b) wenn andere über Dinge diskutieren, die ich für sinnlos halte, es nicht klüger wäre, einfach den Mund zu halten. Im Grunde appelliere ich mit einer Aussage wie dieser an die Dummheit meines Gegenübers, der selbst nicht imstande ist, zu denken. „Da du auch blöd bist, sag ich dir, was du blöd zu finden hast.“ Willkommen in der Welt der Idioten!

Viel zu viele Menschen sagen, was denn richtig ist und was falsch, anstatt daran zu arbeiten, dass alle mehr denken, damit sie selbst entscheiden können. He, ich bin erwachsen, ich brauche keine Eltern, Lehrer, Peergroup, die mir erklären, wie ich urteilen soll. Gruppendruck. Das einfachste Mittel das soziale Lebewesen Mensch auf Linie zu bringen.

Stattdessen habe ich eine Allergie bekommen: die Besserwisser-Allergie.

Einstürzende Altbauten

Ich bin dabei viele Mauern einstürzen zu lassen: Arbeitswechsel, Wohnungswechsel und Namenswechsel. Gutes darf und will ich in meinem Leben behalten: neben Freunden gehört Singen, Schreiben, Lachen, Fotografieren, Lesen, Reisen, Kochen, Stricken, Malen und sicherlich noch anderes dazu. Also bleibt eigentlich alles Wesentliche beim Alten.

Lärm

Manchmal erschrak ich, als ich mir des Lärms rund um mich bewusst wurde. In meinem Büro rauschte die Klimaanlage, die 4 Computer im Raum brummten, seit Neuestem blubberte ein Luftbefeuchter, draußen landete regelmäßig der Hubschrauber, weshalb die Fenster oft geschlossen blieben, denn das Rotieren der Blätter war lauter als alles andere. Um alles besser ignorieren zu können, spielte ich Discjockey. Auch wenn ich Abba nicht wirklich mochte, ich liebte die Reaktion auf sie, die einen tanzten am Zimmer vorbei, von weitem hörte sie jemand pfeifen und die Kollegen im Zimmer sangen falsch mit. Im Pausenraum wurde um die Wette geredet, den Lauten unter ihnen fiel nur auf, wenn die Leisen auch einmal laut auflachten. Manchmal war es keine Pause sondern nur ein Belastungstest und ich musste gehen. Die Heimfahrt in der U6 aufreibend – sie war die lauteste der U-bahnen Wiens -, um ein Hörbuch noch hören zu können, musste ich meinen mp3-Player voll aufdrehen, was mich manchmal noch aggressiver machte. Da waren mir noch nicht einmal die Menschen aufgefallen, die lauthals telefonierten.

Das ist Stadt, da ist mal so.

Weit gefehlt.
Als ich in Nationalparks unterwegs war, konnte ich der Stille zuhören, bis Menschen kamen.
Menschen machen Krach.
Und Flughunde, die sind auch laut.

Risse im Eis

„Ich fahre nicht Auto, weil ich den anderen nicht traue, dass sie sich an Verkehrsregeln halten,“ sagte eine Freundin zu ihr, als sie sich über Vertrauen unterhielten. Während ihr Gegenüber ihr versicherte, niemandem zu trauen und antwortete sie, dass sie anderen fast immer vertraue. Sie hatte übersehen, dass sie dabei war, wie eine Statue inmitten eines Sees einzufrieren. Ihr Vertrauen war dabei sich zu wandeln. Ihre Erfahrungen sagten, traue anderen alles zu. In Wahrheit war es längst Misstrauen, das zurückgeblieben war, und kein Vertrauen. Eisregen umhüllte sie. Mit jeder Sekunde, jeder Minute und jedem Tag wurde die Schicht dicker und dicker. Sie wandelte sich zur Statue, eine Eisprinzessin. Sie vergaß sogar, dass sie sich nicht mehr bewegte. Vielleicht konnte sie sich einfach auch nicht mehr rühren, sie hatte es vergessen.

Die größte Liebe ihres Lebens hatte alles dazu getan, dass sie nicht mehr vertraute. Womit sie nicht rechnete, dass dadurch die Größe ihres Vertrauens, das sie in alles gesetzt hatte, schrumpfte. Es war keine enttäuschte Liebe und doch war es die größte Nähe zu einem anderen Menschen, die sie je empfunden hatte. Nein, sie wünschte ihm Gutes, immer schon das Beste, denn er hatte die Frau getroffen, mit der er Kinder haben wollte. Sie wußte, wie sehr er sich diese wünschte, und sie selbst konnte keine bekommen. Drei Jahre brauchte es, bis sie seine Anfeindungen nicht mehr aushielt und sie nichts als Abstand von ihm suchte. Er lachte und meinte, er kenne sie, das wäre alles nicht so tragisch. Trotzdem begann er zu toben: „Du bist mir zu nahe gekommen.“ und brüllte: „Ich schulde dir nichts!“ Und sie verstand nichts. Sie hatte keine Ahnung, wovon er sprach. Sie brach den Kontakt zu ihm ab, jedoch nicht zu seiner Frau. Es zählte nicht mehr, was er wollte, relevant war, was seine Frau wünschte. Sie war ihr ans Herz gewachsen und deshalb wollte sie nicht, dass sie aus ihrem Leben verschwindet. Doch Angst war zurückgeblieben. Sie hatte Angst, auch sie zu verlieren. Jeder Glaube war gegangen, alles Zutrauen war verloren, dass liebevolle Gedanken, liebevolles Handeln alles heilen könnte. Sie bekam Angst vor anderen. Sein Gesicht hatte sich für sie zu einer absurden Fratze verwandelt.Nichts war von der unglaublichen Liebe übrig geblieben, die sie für ihn empfunden hatte. Nie zuvor hatten ihre Gefühle sich so gewandelt. Er war der Erste, der so viel Kälte hinterließ. Mit der Entscheidung auf Distanz zu ihm zu gehen, ging sie auch mit dem Rest der Welt auf Distanz. Sie konnte ihn lachen hören. Er wußte, er hatte sie besiegt. Sie war nicht mehr reinen Herzens, sie sah nur mehr die Schmerzen, die er anderen gebracht hatte, ihre waren nicht die Schlimmsten. Sie begann zu erstarren.

Zur gleichen Zeit schrieb ihr eine andere Freundin, Dinge, die sie auch nicht verstand. Diese wollte sie wütend sehen. Auch sie meinte, sie zu kennen. Sie hatte keine Ahnung, wie viel Panik in ihr auftauchte, wenn Wut in ihr wuchs. Sie hatte Todesangst. Sie hatte nie gelernt, dass jemand sie trotzdem mochte, auch wenn sie schlecht aufgelegt war. Im Gegenteil, wenn es ihr schlecht ging, hatte sie sehen müssen, dass sie immer noch eins drüber bekam. Sie lernte alleine zu überleben. Die Frage nach ihrer Authentizität war nicht weniger verstörend. Am Schlimmsten war der Verlust von Menschen, die sie liebt, selbst wenn sie ihr nicht zur Seite standen. Ihr Vater war gegangen und ihre Mutter begann den Verstand zu verlieren. Die andere versprach ihr, immer eine Freundin zu bleiben. Sie waren schon so lange befreundet, dass sei durch nichts zu zerstören. Also stellte sie sich diesen Ängsten in einer Therapie und durchlebte Panikattacken, bei denen sie zu atmen aufhörte. Tot wollte sie sein. So war das Gefühl, sich in Luft aufzulösen. Sie hörte auf zu existieren. Ihr Gegenüber sah sie nicht, sah nicht ihre Verzweiflung. Wenn sie aufhörte zu atmen, breitete sich Ruhe aus. Manchmal blieb sie aber nach dieser Stille verstört zurück, denn da war auch Sehnsucht. Deshalb wagte sie die Therapie. Sie sollte doch wahrhaftig sein, meinte die Freundin. Sie streifte jede Furcht ab und versuchte so offen und ehrlich zu sein, wie es ihr nur möglich war und ihre Freundin es wünschte, und dann, dann flippte ihre Freundin aus und sprach nicht mehr mit ihr. Was für eine absurde Erfahrung, sich seiner größten Angst zu stellen und es passiert genau das, was sie sich in ihren schlimmsten Alpträumen vorgestellt hatte. Nur langsam hatte sie gelernte auf ihre Bedürfnisse zu achten, sich ihren Ängsten zu stellen, ihre Grenzen zu setzen und ihre Freundin reagierte  mit Schweigen. Sie wurde Luft. 3 Jahre lang. Als die Andere sich wieder meldete, fragte sie, warum sie sie damit strafte: „Dieses Umdichschlagen, hemmungslose Dich-Zulassen hat irgendwann einen Grad erreicht, wo ich mir dann ernsthaft dachte, du hast nicht mehr alle Tassen im Schrank. Ich konnte nicht mehr sagen, bist das noch du oder eine psychische Störung?“

Ihr Vertrauen war perdue. Sie ließ niemanden mehr heran.

Nachdem Tod ihrer Mutter verging ein Jahr und sie spürte die ersten Sprünge im Eis, es begann zu tauen.

Sommerloch oder Silly Season…

Wie schön, dass unser Sommerloch im Englischen „Silly Season“ genannt wird. Unsere Hundstage beginnen heuer sehr gemischt. Also dachte ich mir, ich mache mal wieder etwas, um das Herz zu erwärmen.

Wenn es den Anschein hatte, dass ich die letzten Jahre im Winterschlaf verbrachte, dann täuscht es.
Ich habe heuer mein erstes Riesenprojekt fertiggestellt. Nachdem ich Anfang des Jahres glaubte, dass es geschafft sei, bin ich noch über Monate an den Korrekturen gesessen. Nun, jetzt bin ich zufrieden. Doch mehr davon, später.

Die letzten Jahre waren die schwierigsten meines bisherigen Lebens. Der Sterbejahrestag meines Vaters war vergangene Woche. Meine Mutter, die an Alzheimer erkrankt ist, wurde zum besten Lehrmeister, den ich je hatte und ich freue mich, den heurigen Urlaub viel mit ihr zusammen sein zu können.

Ich brauche und brauchte meine Freunde, wie nie zuvor in meinem Leben. Und die alte Weisheit, in der Not erkennst du, wer deine Freunde sind, bewahrheitete sich auf, wie ich finde, sehr traurige Weise. Zum ersten Mal in meinem Leben meldete ich meine Bedürfnisse an und meine alte Angst, dass dadurch Menschen aus meinem Leben verschwinden würden, wurde bestätigt.

Doch meine Liebe zu mir, die ich wie eine wunderschöne Blume pflege und pflegte, gab mir die Kraft und half mir, Stabilität in mir zu suchen. Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn ich diese nicht gehabt hätte. Jahre zuvor hatte ich ein Gedicht geschrieben, das genau diese Liebe zum Inhalt hatte. Mit dem soll mein „Silly Season Jewels“ beginnen.

Bevor ich nun mit dem nächsten großen Projekt beginne, habe ich in meinen Schubladen gestöbert und viele kleine Schmuckstücke gefunden. Ich dachte mir, ich werde das Sommerloch mit vielen kleinen Überraschungen schmücken.  Einiges ist bekannt, ich habe Altes überarbeitet und einiges ist neu.

Ich wünsche dir soviel Freude damit, wie ich sie gefunden habe.
Ab heute geht es los … rein ins Vergnügen!

NYTimes.com: Earthly Dream Is Realized in the Rain Forest

I should have told Bill that I want to write small books about the earth and it’s wonder. (and he should hear me giggle now. It was nothing he got to hear 🙂

The New York Times

Out Here | Hoh Rain Forest, Wash.: Earthly Dream Is Realized in the Rain Forest
By WILLIAM YARDLEY
Pounded by up to 170 inches of precipitation each year, these woods are wetter and grayer and gloomier than most. But not every summer traveler seeks sunshine.

Copyright 2011 The New York Times Company

Read the complete story in the New York Times!

Big Cedar Tree which is mentioned in the article

quotes

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Yesterday I heard a quote by Somerset Maugham that I want to share with you:

“We are not the same persons this year as last; nor are those we love. It is a happy chance if we, changing, continue to love a changed person.”

and I found some others:

“It is better to be hated for who you are, than to be loved for someone you are not.”

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and for the optimists:

“If you don’t change your beliefs, your life will be like this forever. Is that good news?”