Grotte du Peche-Merle

Keine Höh­le vorher hat so zum Tanzen ein­ge­laden wie diese. Es war unglaublich. Tanzen und Sin­gen in einem wun­der­baren Ball­saal mit leuch­t­en­den Sta­lagtiten und Stalgmiten.
Wielange wuch­sen die bizarren Girlan­den hier herunter?
Kein Wun­der, dass Men­schen hier ihre Hand­ab­drücke hinterließen.
Ich hätte so gerne laut gesun­gen, aber die geführte Tour hat es ver­boten. Was wäre passiert, wenn ich es gewagt hätte? Doch ich hörte sie sin­gen und spürte den Trom­melschlag. Die Fußspuren der Jugendlichen und Kinder, die wir zu sehen beka­men, sprachen davon.
Zu gerne hätte ich eine Fet­t­lampe entzün­det. Wieviel hätte man gese­hen, wieviel wäre im Dunkeln ver­bor­gen geblieben? Welch ein wun­der­bar­er Abschluss mein­er Reise! Auch diese Höh­le bewieß mir, dass jede etwas Beson­deres ist.
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Welches Leben will ich leben?

Ich weiß, es ist Urlaub und nicht mit nor­malem Leben zu ver­gle­ichen. Den­noch beginne ich mich inten­siv zu fra­gen, wie ich wirk­lich leben will und wie ich dieses Leben auch ver­wirk­lichen kön­nte. Es geht nicht darum, nichts zu tun, es geht darum, etwas sin­nvolles zu tun.

Seit ich unter­wegs bin, geht mir die Ver­mark­tung, die auf den soge­nan­nten sozialen Plat­tfor­men nicht aus dem Sinn. Muss ich mich wirk­lich verkaufen? ist es wirk­lich nor­mal einen Men­schen wie eine Ware anzupreisen?

Ein­er schreibt als Titel­bild: “mir hat auch kein­er gesagt, wie man Kap­i­tal­ist wird!” Und ich denke mir nur, ich will das nicht wis­sen. Schon gar nicht, dass mir ein­er erk­lärt, wie ich dazu werde. Ich will ein Men­sch sein und das ist irgend­wie gar nicht so leicht. Ich will doch nicht wis­sen, wie ich zu ein­er bes­timmten Schublade werde. Und es ist mir egal, ob diese Schublade viel Geld bringt oder nicht.

Ob es die 200-Zeichen­welt ist, der man sich mit­teilt, oder 500 Zeichen, bizarr ist bei­des. Teilt man sich hier mit? Wird hier nicht vielmehr ein Bild, ein Image, ent­wor­fen, ohne es vielle­icht zu wis­sen, ohne sich dessen bewusst zu sein, oder vielle­icht noch schlim­mer, ohne es zu wollen? Aus welchem Zweck soll ich diese Medi­en ver­wen­den? Geht es nicht ein­fach nur darum, was andere von mir denken sollen? Doch was geben ein paar Wörter schon von mir preis? Es ist doch nur eine Annäherung an das, was wir sind.

Und immer wieder muss ich daran denken, wieviele mein­er besten Fre­unde nichts davon benutzen. Also darf ich mich hin­set­zen und ihnen schreiben. Und sie schreiben mir. Oder ich besuche sie, wie jet­zt Corinne. Ihr Englisch ist nicht so gut. Aber wir sind miteinan­der inten­siv verbunden.

Ein­mal las ich: “ich wün­sche den anderen das Dop­pelte von dem, was sie mir wün­schen” kam mir nicht in den Sinn, dass der­jenige davon sprach, dass andere ihm Gutes wün­scht­en. Nein, es war wie ein bös­er Fluch. Die anderen wün­schen mir bös­es und ihnen sei es mit dem dop­pel­ten ver­golten. Schlim­mer als “Auge um Auge, Zahn um Zahn”, denn das sollte der Blu­tra­che Ein­halt gebi­eten. Es stimmte mich trau­rig. Was so zynisch und selb­stzufrieden dahin gesagt war, und ich kenne den­jeni­gen, der das sagte, gut genug, um es so zu deuten, tut mir weh. Welchem Zweck dient dieser Sarkasmus?

Lustig ist, dass ich erkenne, dass ich mich nicht so wichtig nehme, dass sich jemand x‑beliebiger die Zeit nimmt, mir irgen­det­was zu wün­schen. Dafür bin ich mir sich­er, dass mir meine Fre­unde das Allerbeste wün­schen, so wie ich ihnen. Die anderen mögen mir verzei­hen, ich glaube, ich bin abso­lut egal für ihr Leben. Und wenn ich der Rede Wert bin, dann inter­essiert es mich eigentlich nicht. Was soll ich mit der Mei­n­ung mir fremder Men­schen anfan­gen, die mich entwed­er nicht mögen oder vielle­icht gar nicht ken­nen. Was soll ihre Mei­n­ung mir über mich aussagen?

Allein unter­wegs zu sein bedeutet auch, viel Zeit zu haben, über das, was mir begeg­net, was ich lese, nachzu­denken. In einem frem­den Land unter­wegs zu sein nochmal mehr. Und wenn ich die Sprache nicht spreche erst recht.

Sind mir die Blicke in Öster­re­ich wirk­lich so ver­traut, dass ich in ihnen Lesens kann? Klar weiß ich, dass ich hier in Frankre­ich auffiel, wenn ich in der Apparte­men­tan­lage unter­wegs war, wo son­st nur Paare und Fam­i­lien waren, doch war dies leichter auszuhal­ten, als jeden Tag allein in einem Hotel zu sein.

Oder bin ich mir vielle­icht der Indi­vid­u­al­ität so bewusst, dass mir sehr klar ist, dass ich nicht ein­er Gruppe zuge­hörig sein kann. Eine Gruppe ist dadurch gekennze­ich­net, dass sie sich von anderen unter­schei­det, sie tren­nt. Grup­pen sind definiert, was sie verbindet: Durch das, was wir arbeit­en, wo wir leben, ob am Land oder in der Stadt, wo wir herkom­men, was für Aus­bil­dung wir erhal­ten haben, wie wir unsere Freizeit ver­brin­gen, was für Hob­bys wir haben. Und es geht weit­er, was wir anziehen, welche Frisur wir haben, was wir essen, wie wir unseren Urlaub ver­brin­gen. Die Basis der Vorurteile.

Das alles weist uns ein­er Schublade zu. Je mehr wir mit dieser Box verbinden und je genauer wir es definieren, um so bess­er ist unser Vorurteil definiert. Diese Box­en wer­den dann miteinan­der verknüpft und fer­tig ist ein bes­timmtes Bild.

Kurz durchge­spielt, funk­tion­iert es ganz leicht an Hand von Berufen: ein Bib­lio­thekar ist … Ein Jour­nal­ist ist … Ein Kün­stler ist.… Oder Öster­re­ich­er, Deutsch­er, Fran­zose, das ganze noch weib­lich und die Vorurteile sprießen nur so heraus.
Ich lade jeden ein, dieses Spiel für sich durchzus­pie­len. Da tun sich Wel­ten auf. Mit ein­er sim­plen Beze­ich­nung wird unglaublich viel verbunden.

Also ist es ganz leicht, diesem Bild nicht zu entsprechen. Nur eine Eigen­schaft, die wir ganz eng damit verbinden und der­jenige fällt aus der Rei­he. Es sind keine Grup­pen, denen du wie einem Vere­in beitrittst, nein es ist die Struk­turierung, die wir als Vere­in­fachung unseres Lebens ver­wen­den. Sie ist zu ver­führerisch, um sie nicht zu benutzen. Sie ist auch notwendig, denn wenn alles immer neu und unge­wohnt ist, bedeutet es auch eine ständi­ge Aufmerk­samkeit, aber auch Anstren­gung und Aufre­gung. In einem gewis­sen Umfang ist das ganz wun­der­bar und fein, doch gibt es Gren­zen. Wenn du wie ein Men­sch, der an Alzheimer erkrankt ist, jeden Tag deinen Schlüs­sel aufs Neue suchst, dann wird es dich verzweifeln lassen.

Hier bin ich wieder an jen­em Punkt, wo ich immer bess­er ver­ste­he, was mit dem mit­tleren Weg der Bud­dhis­ten gemeint ist. Es ist nicht Schwarz oder Weiß. Ich mag es auch nicht wie Bil­ly Joel “shad­ows of grey” nen­nen, nein, es soll ein bunt wie ein Regen­bo­gen sein, alle Far­ben enthal­ten und dadurch jedes beliebige Bild entste­hen lassen, sei es ein lustiges oder ein trau­riges, ein stilles oder ein lautes. Und manch­mal wird es schwarz sein und manch­mal weiss. Es ist nicht nur ger­adeaus, aber auch nicht nur ver­winkelt. Es ist min­destens beides.

Das Leben enthält alles und wir Men­schen sind mehr, als uns klar ist. Was wir hier brauchen ist, die Ein­sicht, dass es mehr gibt. Diese Erken­nt­nis hil­ft uns offen­er zu sein und die Vari­a­tio­nen des Lebens zu sehen.

Abri du Moustier und Gisement de la Ferrassie

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Die bei­den Fund­stät­ten im Val­lée Vézère geben Zeug­nis über die Beliebtheit dieser Land­schaft über Jahrtausende. Es sind Wohn­plätze und zahlre­iche Funde geben davon Zeugnis.

Nean­der­taler lebten dort vor 300.000 Jahren eben­so wie die Cro-Magnon Men­schen, die später in dieses Tal kamen. Die Funde sind manch­mal irri­tierend, denn man kann nicht mit 100%iger Sicher­heit sagen, ob sie nicht noch gle­ichzeit­ig dieses Tal auf­sucht­en. Der derzeit­i­gen Wis­sen­stand läßt diese Aus­sage noch nicht zu. Aber in La Fer­rassie graben sie derzeit regelmäs­sig und es scheint, als ob hier bald Uner­wartetes für die Urgeschichte zu tage treten wird. Noch wird aus­gew­ertet und die Datierung, die ein sehr teures Unter­fan­gen ist, find­et ger­ade statt.

Die bei­den Skelette sind Nean­der­taler, die im Musée in Les Eyzies aus­gestellt sind.

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Ich habe zahlre­iche Doku­men­ta­tio­nen in den let­zten Wochen angeschaut und da hörte ich erst­mals, dass bes­timmte Gene des Nean­der­talers zeigen, dass er eine weiße Haut­farbe und rote Haare hat­te. Ganz anders als man ihn noch vor weni­gen Jahren als grob­schlächti­gen Früh­men­schen sah. Viele neueste Erken­nt­nisse erzählen uner­wartet “mod­ernes” von ihm. Die Nean­der­taler waren Großwild­jäger, die sicher­lich auch wegen der kli­ma­tis­chen Umstände mehr Fleisch als Beeren und Wurzeln zu sich nah­men.
Aber sein kräftiger Kör­per­bau und seine gedrun­gene eher rundliche Form ist eine Anpas­sung an die Eiszeit, so wie auch die Inu­it eher klein und gedun­gen sind, im Gegen­satz zu den hochgewach­se­nen Afrikan­ern, deren Kör­per­bau nichts mit unseren Schön­heit­side­alen, son­dern mit den kli­ma­tis­chen Gegeben­heit­en zu tun hat.

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Die Wohn­stät­ten in diesem Tal befan­den sich nie im Inneren von Höhlen son­dern unter geschützten Über­hän­gen (Abri Cap Blanc). Höhlen wur­den oft von gefährlichen Tieren, wie Höh­len­bär, Höh­len­hyä­nen und Höh­len­löwen als Quarti­er aufge­sucht. Es sind keine Plätze, wo man sich beruhigt zurückziehen kann, son­dern Orte, die eine erhöhte Aufmerk­samkeit erfordern. Egal ob ein gefährlich­es Tier in der Höh­le wartete oder ob es von außen reinkam, irgend­wie war man hier vielfach bedro­ht. Ein Über­hang hinge­gen ver­sprach Sicher­heit zumin­d­est von ein­er Seite.

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An bei­den Orten gab es Über­hänge (Abri oder Shel­ter) an weit­er oben gele­ge­nen Stellen und an tief­er­en, wobei ger­ade die tief­er­en durch Früh­jahrsüber­schwem­mungen zahlre­iche Funde kon­servierten. Bei diesem Beispiel sieht man wieviele Über­reste die Her­stel­lung von Stein­werkzeug in den ver­schiede­nen Schicht­en vorhan­den sind. Anfangs fragte ich mich, ob es nicht ungemütlich gewe­sen sein muss, wenn diese vie­len schar­fen Split­ter rum­la­gen. Aber nach ein­er Unter­hal­tung mit Fran­cois, eine der wun­der­baren Führerin­nen, erkan­nte ich, dass  dieser “Abfall” sicher­lich nicht mit­ten im Wohn­bere­ich lag.

Es gab keine Behausun­gen, die das gesamte Jahr benutzt wur­den. Als Jäger und Samm­ler waren sie unter­wegs und lebten dort, wo aus­re­ichend Nahrung zu find­en war. Und wenn die Tiere weit­er­zo­gen, wan­derten auch sie weit­er. Und dann kam eine heftiger Regen­fall und deck­te die Schicht mit den Stein­split­tern zu. Als sie das näch­ste Mal wiederka­men, war nichts mehr von den Über­resten zu sehen. So ging es über viele Jahrtausende. Ich muss immer wieder innehal­ten, wenn ich an den Zeitrah­men denke. 90.000 bis 10.000 Jahre und unsere Geschichte? Europa vor 100 Jahren, vor 500 Jahren, Mit­te­lal­ter, Römer, erste Acker­bauern… was haben wir aus diesem Land gemacht.

Ich habe heute wo gele­sen, “Mir hat auch nie­mand gesagt, wie man Kap­i­tal­ist wird.” Ich habe nicht das ger­ing­ste Bedürf­nis, das zu hören noch zu ler­nen. Wo ste­hen wir heute? Sind wir wirk­lich ein Höhep­unkt der Evo­lu­tion? Ist es nicht nur ein Ver­such zu schauen, wohin es führt, ein Gehirn wie unseres zu besitzen. Das Spiel ist noch nicht zu ende. Wir wis­sen nicht, ob wir gewon­nen haben. Und es ist kein Men­sch-ärg­ere-dich-nicht, wo wir ein­fach von Neuem beginnen.

Ich hat­te das Glück, bei diesen Unterkün­ften (Le Pois­son, Cap Blanc, La Fer­rassie und Mousti­er) alleine die Führung gebucht zu haben. So kon­nte ich Fra­gen stellen, innehal­ten, die Umge­bung auf mich wirken lassen. Sie lagen alle in südlich­er Rich­tung und so wur­den alle von der Sonne gewärmt. Das Gefühl bei ihnen war immer anders als in den Höhlen. Fre­undlichkeit, gute Stim­mung, lustige Lieder kamen mir in den Sinn, wenn ich mich dort umsah. Auch wenn heute alles bewach­sen und Bäume die Aus­sicht versper­ren, sind es gute Plätze, um hier Zeit zu verbringen).

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Nach­den­klich stimmt mich nach­wievor, dass zu einem bes­timmten Zeit­punkt eine Fam­i­lie beschloss, ihre Mit­glieder dort zu begraben. In Cap Blanc wurde ein Grab gefun­den, in La Fer­rassie lagen Erwach­sene im West­en und Jugendliche und Kinder im Osten. Die Forsch­er gehen davon aus, wenn ein gesamtes Skelett eines Men­schen gefun­den wird, im beson­deren die Fuß­knochen, denn die sind es die als erste “ver­loren” gehen, dass eine Bestat­tung stattge­fun­den hat. In Fer­rassie wur­den ins­ge­samt 8 Skelette gefun­den. Mulden, wie jene, wo diese lagen, gab es mehr. Es waren Nean­der­taler, die hier Ange­hörige zur let­zten Ruhe bet­teten. Darunter war ein Neuge­borenes, nur wenige Tage alt. Es ist die älteste Begräb­nis­stätte von Nean­der­taler in Europa. Ob Nean­der­taler so gefühlt haben wie wir heute? Ich glaube, es war nicht so viel anders. Sie kan­nten Trauer und Ver­lust, vorallem viel unmit­tel­bar­er als wir heute. Wie oft sind wir uns unser­er Vergänglichkeit bewusst? Wie sehr blenden wir heute Alter und Tod aus? Wie oft glauben wir, dem Tod entkom­men zu sein, indem wir uns ein­er Illus­sion der ewigen Jugendlichkeit hingeben?  Vielle­icht ist dieser Traum zu tief­st men­schlich, ob homo sapi­ens oder homo nean­der­tal­en­sis. War es ein Sym­bol für die Ewigkeit, als Men­schen vor 40–45.000 Jahren diese Zeichen in La Fer­rassie hinterließen?

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Und falls dich, diese Zahlen nicht irri­tieren, sie soll­ten es, denn es ist ein Zeichen dafür, dass Nean­der­taler und Cro-Magnon-Men­sch nebeneinan­der in Europa lebten. Und wer weiß, wer diese Sym­bole hin­ter­ließ, die aus jen­er Zeit stammen?

Musée national de Préhistoire — Les Eyzies-de-Tayac

Stein­werkzeuge, Klin­gen, Sch­aber … Unzäh­lige bear­beit­ete Steine.

Trotz der gelun­genen Ausstel­lung ver­ste­he ich nun, dass Muse­um­späd­a­gogik ein wichtiger Bestandteil sein muss. Wis­senschaftler ver­lieren vielle­icht in ihrem Eifer und Begeis­terung den Überblick, mit welchem Wis­sen ein sim­pler Besuch­er ins Muse­um kommt.

Mir ist wichtig, dass in Museen wis­senschaftlich gear­beit­et wird, und dass Platz auch für jene Wis­senschaftler ist, die nicht an diesem Muse­um arbeit­en. Aber ein wesentlich­er Punkt ist, das Museen der bre­it­en Öffentlichkeit den Wis­sens­stand in einem Fachge­bi­et näher bringen.IMG_0509

Hier in Les Ezyies sehe ich den Stolz der Wis­senschaftler, die gefun­de­nen Objek­te zu präsen­tieren. Aber ich bin der Mei­n­ung, dass in diesem Fall weniger mehr wäre. Bei besten Willen kann ich nichts mit­nehmen, wenn ich vor 100 für mich völ­lig gle­ichar­ti­gen Faustkeile liegen und zwar jew­eils Hun­derte für jede Peri­ode, wenn mir nicht jemand erk­lärt auf was ich zu acht­en habe, wird es ein großer Eintopf.

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Dank der Führun­gen, die ich Mousti­er und le Fer­rassie hat­te, ver­stand ich ein wenig mehr. Aber ist es eigentlich nicht tragisch, dass ich zulet­zt ins Muse­um gehen hätte sollen, um die dort aus­gestell­ten Objek­te zu ver­ste­hen? Das ist doch ein Wider­spruch in sich.

Es wäre für mich viel sin­nvoller gewe­sen, an Hand weniger Faustkeile (Biface auf Franzö­sisch klingt ein­fach ele­gan­ter als Faustkeil auf Deutsch) aufzuzeigen, dass dieses Werkzeug seit 1,5 Mil­lio­nen Jahren ange­fer­tigt wur­den. Nur kurz zum Ver­ständ­nis, zu jen­er Zeit existierten noch ver­schiedene Hominiden-Arten in Afri­ka und die benutzten Faustkeile als Unter­stützung in ihrem Leben. Es ist also noch ein langer Weg bis zum mod­er­nen Men­schen. Denn vom Homo sapi­ens, so wie wir sind, kann erst früh­estens vor 200.000 Jahren gesprochen wer­den. Ich sollte genauer sein. Die Datierung des mod­er­nen Men­schen ist nicht ganz so ein­fach. Auf der einen Seite ver­sucht man die beson­deren Merk­male der ver­schiede­nen Homo festzuhal­ten. Bei Nean­der­taler sind das die beson­deren Augen­wül­ste, die flachere Stirn im Gegen­satz zu uns, das Kinn, das weniger her­vor­tritt als das unsere, und die Schädelform, die nicht so rund ist, wie der unsere.

Ich bin fasziniert, wenn ich daran denke, dass die ersten bear­beit­eten Steine, die Vorgänger der Faustkeile, der Chop­per, bere­its vor 2,6 Mill. Jahre in Ver­wen­dung waren. Durch die Führun­gen die Tage zuvor haben mir die vie­len Stein­werkzeuge etwas näher gebracht.

Es ist beein­druck­end, wie geschickt die Steine bear­beit­et wur­den. Doch auch damals gab es geschick­tere und weniger geschick­tere. Es waren nie alle gle­ich begabt in jeglich­er Hin­sicht. Bei bei den Stein­werkzeu­gen hat sich eine Wis­senschaft­lerin die Mühe gegeben und die “Abfälle” sortiert, ihre Ent­fer­nung zur Feuer­stelle gemessen und die Qual­ität des Steines geprüft. Und es war so, je geschick­ter, um so näher kon­nte der­jenige am Feuer sitzen und umso bess­er war die Qual­ität des Steines, der bear­beit­et wurde. Gute Qual­ität durfte nicht ver­schwen­det werden. IMG_0564
Ich habe ver­sucht die beson­deren Klin­gen des Solutrèen einz­u­fan­gen, denn sie sind ver­dammt dünn. Von diesen hat man lange nicht soviele gefun­den, wie von den etwas robus­teren. Die Frage ste­ht im Raum, ob nicht viele dieser Klin­gen mehr rit­uellen Zweck­en dien­ten, als für den täglichen Gebrauch. Die Meth­ode hat sich nicht für län­gere Zeit und in einem größeren Raum aus­ge­bre­it­et. Sie zeigt aber, wie geschickt und gekon­nt diese Steine beschla­gen wurden.

Eine mein­er Frem­den­führerin­nen erzählte, dass ein Archäolo­gen, der dur­chaus ver­siert in der exper­i­mentellen Archäolo­gie ist, beim Ver­such diese Klin­gen eben­falls herzustellen,  kläglich scheit­erte. Es gelang ihm nicht die Steine in dieser Fein­heit zu bearbeiten.

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Um einen Ein­druck zu gewin­nen, wie ein Fund­platz aussieht und wo Archäolo­gen bud­del­ten, um Klin­gen zu find­en, wurde ein solch­er Fund­platz in die Ausstel­lung aufgenom­men. Ichh ver­mute, dass anfangs die Klin­gen von dem umgeben­den Stein oder Sand gar nicht unter­schieden wer­den konnten.

Beson­ders berührend waren für mich die Skelette.  (Nean­der­taler Skelette werde ich bei den jew­eili­gen Fund­stellen, die ich besuchte, zeigen.) Am lieb­sten hätte ich sie in ein Grab gelegt. Das Bewusst­sein, dass es Men­schen sind, mit denen ich wenn auch nur weitläu­fig, aber doch ver­wandt bin, ließ mich still und ruhig wer­den. Auch wenn es vielle­icht lächer­lich erscheinen mag, aber mir war es wichtig, jedem eine Form von Gebet zukom­men zu lassen, mit dem Wis­sen, dass alles einen guten Weg geht, wenn es aus einem guten Herzen kommt. Das Mascherl, das Reli­gio­nen so gerne um Men­schen hän­gen, ist irrel­e­vant. Entwed­er gibt es etwas Höheres oder nicht. Und wenn es etwas  Höheres gibt, dann wird es wohl nicht genau­so beschränkt denken wie Menschen.

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Kunst oder was?

Die Malereien, Zeich­nun­gen, Gravuren, Ritzun­gen, Bas­re­liefs, Reliefs beein­druck­en mich zu tief­st. Während viele vor sich hin philoso­phieren, was der Hin­ter­grund für diese Aus­drucks­for­men sei, bin ich noch beim Nach­denken, wie sie das über­haupt konnten.

Wenn ich an die Bilder in Le Toth denke, die Kinder anfer­tigten, dann ist jed­er­mann klar, so schaut es aus, wenn man begin­nt zu malen.

Aber so sehen diese prähis­torischen Bilder nicht aus. Es sind keine Bilder von Anfängern, das ist nicht das erste Mal, dass diese Men­schen hier zeich­neten oder mal­ten. Ich kann keines dieser Tiere so darstellen. Und nur weil ich etwas sehr lange beobachte, bin ich immer noch nicht fähig, es abzu­bilden. Das wäre ja so, wenn ich nur lange genug einem Opern­sänger zu höre, lange genug mitsinge, dann würde ich wie er. Nichts da! So ein­fach geht das ein­fach nicht.

Die Beobach­tung allein genügt nicht, um etwas wiederzugeben. Da muss geübt wer­den. Und zwar geduldig. Man kon­nte nicht ein­fach herge­hen und das Blatt Papi­er weg­w­er­fen, man kon­nte es auch nicht ein­fach aus­radieren. Ein­mal ger­itzt, für immer ger­itzt. Ein­mal hin gesprüht, für die Ewigkeit gesprüht.

Um mit einem Zug ein Mam­mut vom Schwanz bis zum Rüs­sel authen­tisch in eine Wand zu ritzen, reicht nicht der Entschluss es zu wollen, auch nicht, dass ich das Bild eines Mam­muts vor meinem inneren Auge sehe.

Diejeni­gen die diese Bilder fer­tigten, mussten vorher schon geübt haben. Geduldig und aus­dauernd. Da wären wir wieder bei Zeit und Muße. Waren sie so getrieben, wie wir heute? War die Jagd so zeitraubend, dass für nichts mehr Platz war? Wohl nicht. Es musste Zeit­en gegeben haben, wo anderes im Mit­telpunkt stand.

Waren es also Künstler?

Auch das ist bei genauer­er Betra­ch­tung unre­al­is­tisch. Seit wann sprechen wir denn von Kun­st? Aber waren es beson­ders begabte Men­schen? Das vielle­icht wohl. Men­schen, die eine beson­dere Begabung hat­ten und diese auch pflegten. Das heißt sie übten. Kun­st von Kön­nen. Vielle­icht außer­halb, an Stellen, die heute ver­wit­tert sind oder vielle­icht den näch­sten Regen und Schneefall nicht über­dauerten. Bis sie dann soweit waren, dass sie fin­ger­fer­tig genug waren und sie an beson­deren Stellen anbrachten.

Auch wenn Ritzun­gen keine bild­hauerische Schw­er­star­beit waren, sie gezielt und genau durchzuführen, ohne viele Kor­rek­turen anzubrin­gen, ist etwas Beson­deres. Mit einem Stück Manganox­id mal schwungvoll einen Stein­bock zu zeich­nen, das soll mir mal jemand vor­ma­chen. Ich kann es nicht. Selb­st wenn ich ein Buch zeich­nen würde, käme es nicht wirk­lich überzeu­gend hinüber. Wie hat das jemand mal so schön gesagt, es ist mehr Aus­drucks­malerei oder Art brut.

Waren es Schamanen?

Wer sich schon ein­mal mit schaman­is­ch­er Prax­is auseinan­der geset­zt hat, weiß, dass es ein­er lan­gen Schu­lung bedarf, bevor sie sich mit der Geis­ter­welt auseinan­der­set­zten. Ob das die richti­gen Gesänge, die wirkungsvollen Zer­e­monien, mit Trom­meln, Musik jeglich­er Art, schaus­pielerischen Dar­bi­etun­gen, Trance war. Auch hier ist es jahre­lange Prax­is, die einen erst zum Schama­nen macht. Und ich spreche hier noch nicht von den Geheimnis­sen der Kräuter. Denn dass sie davon wussten, glaube ich. Nicht umson­st hat­te Ötzi vor über 5000 Jahren den Pilz Birken­por­ling mit sich geführt, der eine antibi­o­tis­che Wirkung hat­te. Nicht alles was wir als Zauberei und Hum­bug klas­si­fizieren, war nur Show. Es hat­te auch Wirkung. So wie die Indi­an­er dur­chaus Mit­tel gegen Syphilis hat­ten. Nur weil wir nichts darüber wis­sen, heißt es nicht, dass es nichts gibt. Wenn wir heute groß von Place­bo sprechen, dann soll­ten wir vielle­icht von unseren Selb­s­theilungskräften sprechen. Die kön­nen wir aktivieren und helfen uns beim Gesundw­er­den, aber eben nicht nur. Ob es nun eine Geis­ter­welt gibt oder nicht, will ich hier nicht disku­tieren, aber dass die Seele Hil­festel­lun­gen annimmt, um wieder gesund zu wer­den, glaube ich. Auch wenn nicht alles mit natur­wis­senschaftlichen Meth­o­d­en erk­lär­bar ist, heißt es nicht, dass es diese Dinge nicht gibt. Vor nicht allzu langer Zeit war Mag­net­ismus ein solch­es unerk­lär­lich­es Phänomen. Egal ob Kräuter, Pilze oder mod­erne Medika­mente, sie unter­stützen uns, wenn unser Kör­p­er gesund wer­den will.

Ein Schamane ist also eben­so ein Spezial­ist, der beson­dere Fähigkeit­en hat. So wie ich glaube, dass es Ärzte gibt, die einen bess­er unter­stützen wieder gesund zu wer­den, wie andere. Denn Heilung ist mehr als nur ein Kraut.

Diese Gedanken führten mich zu Spezialisten.

Während das Anfer­ti­gen von Stein­klin­gen und Beilen Fähigkeit­en waren, die jed­er beherrschen musste, weil son­st ein Über­leben nicht möglich war, kann ich mir dur­chaus vorstellen, dass für diese speziellen Auf­gaben wie das Anfer­ti­gen von Bild­nis­sen und Objek­ten, und der Kom­mu­nika­tion mit der anderen Welt, beson­dere Men­schen sich auser­wählt fühlten. In der Eth­nolo­gie habe ich immer wieder von Schama­nen gehört, die nicht begeis­tert waren, diesen Weg einzuschla­gen. Durch schwere Krankheit­en getrieben entsch­ieden sie sich dafür. Nicht immer ist das, was man kann, ein leichter Weg. Vielle­icht macht man es lieber, aber ein­fach­er muss es nicht sein.

Wenn also ein Men­sch, seine Fer­tigkeit ein Abbild eines Tieres anzufer­ti­gen, per­fek­tion­iert hat­te, kam ein ander­er Men­sch, der die Fähigkeit erlangt hat­te mit der anderen Welt zu kom­mu­nizieren, auf ihn zu und sie planten gemein­sam an einem Rit­u­al tief drin­nen in ein­er Höh­le zu arbeit­en. Nicht nur Kom­mu­nika­tion, son­dern auch die soziale Kom­pe­tenz dieser Men­schen gemein­sam etwas auszuführen, mag dahin­ter ges­tanden sein.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein­er allein sich dachte: Ach, heute geh ich mal ein paar hun­dert Meter tief in eine Höh­le und male ein Mam­mut, aber so dass es kein­er sieht und an ein­er beson­ders schwieri­gen Stelle, damit nur ich es sehen kann.

Für so ein schwieriges Unter­fan­gen braucht es Pla­nung und Zweck. Während die Bilder in den Abri oder Über­hän­gen und Wohn­höhlen aus anderen Grün­den ange­fer­tigt wur­den, ist es bei Höhlen, die nicht im alltäglichen Leben benutzt wur­den, ein anderes Ziel, das ver­fol­gt wurde.

Ich bin davon überzeugt, dass es rit­uelle Hand­lun­gen waren. Was sie genau bezweck­ten, ob sie nun die Tiergeis­ter beschworen oder andere Geis­ter zu Hil­fe riefen, ist reine Fan­tasie. Das wer­den wir nicht sagen können.

Als ich in Pech-Mer­le war, wurde mir bewusst, dass hier andere Men­schen die Abbil­dun­gen anfer­tigten. Viele Bilder waren abstrak­ter, enthiel­ten mehr Andeu­tun­gen als real­is­tis­che Darstel­lun­gen. Sie waren anders als weit­er nördlich im Val­lé de Vézére.

Jede der Höhlen, in denen ger­itzt, geze­ich­net, gemalt und gesprüht wurde, emp­fand ich anders. Es waren unter­schiedliche Emo­tio­nen, die in mir hochka­men. Es gibt nicht den einen Zweck, den sie erfüll­ten. Meinem Empfind­en nach waren sie unter­schiedlichen Zweck­en gewid­met. Ger­ade in Pech-Mer­le, das eine wun­der­bare Akkustik hat und her­rliche Säle bietet, kon­nte ich förm­lich die Trom­meln und Gesänge hören. In Les Cam­barelles, wo man nur auf allen vieren die Höh­le erobern kann, wird es still, ein heim­lich­es Zwiege­spräch mit der Geis­ter­welt bietet sich direkt an.

Aber es waren beson­dere Fähigkeit­en von beson­deren Men­schen, die nicht jedem zugänglich waren und nicht jed­er fähig war auszuführen. Und dass ich mich nicht alleine so tief in eine Höh­le vor­wa­gen würde, ste­ht noch auf einem ganz anderen Blatt. Mir war nicht bewusst, wie weit inner­halb sich viele dieser Bilder, Zeich­nun­gen und Gravuren sich befind­en. Mir ist nicht ein­mal klar, wie sie aus dem oft sehr verzweigten Höh­len­sys­tem wieder her­aus­fan­den, denn mein Ori­en­tierungssinn ist in unser­er mod­er­nen Zeit ein äußerst beschränk­ter, auch wenn ich nicht über­all das Navi brauche.

Und Spezial­is­ten hat­ten sie. Auch wenn wir heute nur an Hand der Abschläge der Stein­werkzeuge fest­stellen kön­nen, dass es Begabtere und weniger Begabte gab, so wird es welche gegeben haben, die gut kochen kon­nten, die gut jagen kon­nten, die bess­er Spuren lesen kon­nten als andere, die früher die Zeichen des Früh­lings lesen kon­nten, die Klei­dung bess­er anpassen und lan­glebiger anfer­ti­gen kon­nten. Es gab immer schon Unter­schiede zwis­chen Men­schen. Unter­schiede, die das Leben span­nend machen, die aufre­gend sind und erst zum Übel wer­den, sobald sie verurteilen. Nur zur Erin­nerung möchte ich ein­wer­fen, dass es Kul­turen gibt, wo Geis­teskrankheit­en als eine beson­dere Gabe gese­hen wer­den, die eine außergewöhn­liche Verbindung zu ein­er anderen Welt mit sich brin­gen. Schwarz-Weiß ist die Welt der Naiv­en, Shad­ows of Grey, jen­er der Ungläu­bi­gen, im Rege­bo­gen erstrahlt die Welt als Ganzes. Es ist eine Sache des Glaubens, wer dem wider­spricht, glaubt ein­fach nur an anderes. Denn wis­sen tun wir bei­de es nicht. Falsch denkt jen­er, der rechthaben will.