Grotte de Font-de-Gaume

Bei dieser Höh­le habe ich gel­ernt, dass es nicht zu gut ist, zuviele Höhlen an einem Tag zu besuchen, als ob ich nicht mehr Umw­er­fend­es sehen kann.

Denn eigentlich ist diese die berühmteste von jenen, die ich heute besucht habe (davor waren Les Com­barelles und Abri Cap Blanc, aber jede einzelne ver­di­ent einen eignen Ein­trag, finde ich) aber in der Früh war ich spät dran, 15 Minuten bevor die Kas­sa auf­machte und so kam ich erst mit der Führung um 16.00 hinein. Erst, sage ich, ich hätte schon Angst gar nicht hineinzukom­men, im Reise­führer war die Rede sich einen Monat vorher schriftlich oder tele­fonisch anzumelden. Per­sön­lich kann man sich allerd­ings keine Karten für mor­gen holen, da muss man schon um halb 10, eigentlich um 9, in der Schlange ste­hen. Das geht defin­i­tiv nur in der Vor­sai­son und damit hat­te ich gerech­net. Glück gehabt.

Ich mag es nicht im Urlaub mit Ter­mi­nen einge­quetscht zu sein. (Für die kleineren Höhlen, die nur an weni­gen Tagen Führun­gen haben, kon­nte ich allerd­ings Karten im voraus kaufen. Sie sind alle an der Kasse von Font-de-Gaume erhältlich und dort hal­ten sie auch fest, wieviele Karten bere­its für welche Höh­le oder, Abri, oder Fund­plätze an diesem Tag verkauft wur­den. Man kann dann zit­tern, wo wie ich, ob ich noch hineinkomme, wenn man am Mon­i­tor mitver­fol­gen kann, wie die Plätze “verkauft” wer­den und “com­plete” bei den einzel­nen Führun­gen steht.

Die weniger “berühmten” sind auch nicht direkt zugänglich, son­dern wir wer­den in Font-de-Gaume abge­holt und fahren mit dem Auto dem Guide hin­ter­her. Ich bin schon gespannt.

Zurück zu Font-de-Gaume, genug auf die Folter ges­pan­nt. Ich glaube, dass es in dieser Höh­le mehr als in den anderen, die ich bish­er gese­hen habe, wichtig ist, den richti­gen Winkel und Abstand zu haben. Manch­mal habe ich den Sti­er ein­fach nicht erkan­nt, weil ich falsch ges­tanden bin. Aus dem Gründe sind die kleinen Grup­pen dur­chaus gerecht­fer­tigt, nicht nur aus kon­ser­va­torischen Grün­den. Während man im Muse­um sich vor und zurück­be­we­gen kann, ist indem schmalen Gang oft auss­chlaggebend, an der richti­gen Stelle zu stehen.
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Die Höh­le war dur­chaus bekan­nt, bevor sie “ent­deckt” wurde. Und was machen Men­schen, wenn sie wo waren? Sie verewigen sich. Und so hat­ten im 18. Jahrhun­dert einige eifrige ihre Graf­fi­tis über den Jahrtausende alten ange­bracht. So sind sie halt, die Menschen.

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Wie schon bei Les Com­barelles war ich fasziniert, wie tief drin­nen die Bilder ger­itzt, gesprüht, gemalt wor­den sind. Doch im Gegen­satz zu ersteren sind hier die Gänge sehr hoch und man krack­selte anscheinend auch in die Höhe, um dort Bilder anzubrin­gen (wenn ich mit meinem nicht vorhan­de­nen Franzö­sisch richtig ver­standen habe)

Vielle­icht klingt es ver­rückt, aber am meis­ten beein­druckt haben mich, abstrak­ten For­men (tek­ti­forme — haus­för­mig bedeutet das in der Fach­sprache), denn die entziehen sich kom­plett unser­er Deu­tung. Da wird dann von Stäm­men oder Fam­i­lien gesprochen, aber die Wahrheit ist, wir wis­sen es nicht. Genau­so wenig kön­nen wir sagen, warum in ein­er Rei­he von Bullen ein­er in die andere Rich­tung marschiert. Aber mir gefällt, wie sie einge­fan­gen haben, dass diese Tiere in Rudeln leben und dass es hin und wieder Wider­spen­stige, Eigen­willige, beson­dere Wesen gibt, auch wenn sie von außen nicht anders ausse­hen wie die anderen, denn sie marschieren in die Gegen­rich­tung, egal wieviele sich ihnen entgegenstellen.

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Abri Cap Blanc

Es hat was, ein Fries von lebens­großen Pfer­den im Wohnz­im­mer zu haben. Denn das gibt es hier zu sehen. Es ist eigentlich keine Höh­le, ein Über­hang ähn­lich jen­er, die ich bei Les Com­barelles fotografiert habe.

Während die Wiese dort vor 10.000 Jahren 7 Meter tiefer lag, hat hier auch Schutt und Geröll den Fries geschützt. ABER gut gemeint ist nicht immer gute gemacht. Die Ama­teure, die diesen Über­hang ent­deck­ten, sind ziem­lich bru­tal vorge­gan­gen, als sie 1909 mit Schaufeln die ganze Höh­le aus­räumten. Den Archäolo­gen wird bes­timmt heute noch schlecht, wenn sie nur darüber nach­denken, was die da alles zer­störten. Auch am frei­haben sie Spuren hinterlassen.

Die Farbe, mit der die Pferde bemalt waren, ist über die Jahre ver­loren gegan­gen, anders als bei anderen Fun­den, wo man gut­ge­meint das Elfen­bein und die Knochen von dem “Schmutz” befre­ite, der oft die eigentliche Orig­i­nal­farbe war, rot­er Ocker.

Der Abri wurde im Mag­dalien bewohnt und wieder muss ich nach­le­sen, ich Laie. Also zwis­chen 15000 und 11000 BP (auch das kan­nte ich noch nicht “before present”). Die Funde in 2 Schicht­en weisen darauf hin. Also Sch­aber, Bohrer, Klin­gen aus Feuer­stein, Speere und Schmuck­ele­mente die in diversen Museen zu sehen sind. Ohne weit­er Erk­lärung schauen diese Dinge für mich ziem­lich gle­ich aus, auch wenn ich mich noch in die Arme einiger Museen wer­fen werde, ohne viel Hoff­nung, denn wenn es keine englis­che Erläuterung gibt, scheit­ere ich vollends.

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Auf der tief­sten Schicht unter drei Stein­plat­ten fand man das Grab ein­er jun­gen Frau, die in Embry­ohal­tung zur Ruhe gebetet wurde. Bis man sie an ein Muse­um in Chica­go verkaufte. Eine Nach­bil­dung kon­nte ich dort sehen und sie ähnelte dem, was ich in Cler­mont-Fer­rand gese­hen habe. Sie war eigentlich tiefer und weit­er hin­ten in der Abri begraben, aber was tut man nicht alles für uns Touris­ten, die ja alles sehen wollen. Nun liegt eine Kopie ganz vorne, durch­bricht jede Ehrfurcht, dass es sich hier um einen Men­schen han­delt. Vielle­icht habe ich auch deshalb so viel Erbar­men, weil sie so zusam­mengerollt, wie Schutz suchend, gebet­tet wurde.

Der moderne Mensch ist laut

Als Allein­reisende bin ich fast über­all den Stim­men ander­er Men­schen ausgesetzt.

Vor­let­ztes Jahr ist mir das um ersten Mal im vollen Umfang bewusst gewor­den. Ruhig war es, wenn ich um 7 Uhr mor­gens zu einem Vulkan — eigentlich ein Aschenkegel, cin­der cone — wan­derte. Da in dieser Umge­bung auch wenig wuchs, waren nicht viele Vögel zu hören. Es kann auch sein, dass mir das Sin­gen der Vögel lieber ist, als das andauernde Gerede.

Doch ein­mal liebte ich es. Als ich mit meinem Zelt umrun­det von lauter Fam­i­lien zu liegen kam, und als es dunkel wurde, hörte ich aus jedem Eck einen Vater eine Gute-Nacht-Geschichte vorlesen.

Welche Geschicht­en es waren?
Das weiß ich nicht, das kon­nte ich nicht hören.

Woher ich weiß, dass es Gute-Nacht-Geschicht­en waren? Der Ton­fall, die Melodie der Stimme, die San­ftheit, die die kleinen Zuhör­er auf den kom­menden Schlaf vor­bere­it­ete. Und auch ich schlief gut.

Tja, und was ist, wenn man keine Stimme hört. Dann hört man ein Auto. Sicher­lich kann ich weit weg gehen, aber da ich meist alleine unter­wegs bin, ver­suche ich, nicht ver­loren zu gehen. Also suche ich gemäßigte Ein­samkeit, so dass ich in der Not gefun­den werde, also in Menschennähe.

Ich weiß noch, wie verza­ubert ich war, als ich auf meinen Haus­berg stieg und plöt­zlich war es ruhig.

Aber was rede ich so gescheit daher, ich bin dich selb­st eine, die um sich herum Lär­mquellen schafft. Denn zu einem Teil beun­ruhigt mich absolute Ruhe.

Aber hier gibt es Enten und Frösche, die am Abend ein schauder­haftes Konz­ert geben. Die Stim­men der kreis­chen­den Kinder vom Pool sind weit weg und wenn sie um mich herum Ball spie­len, freu ich mich über ihre Begeis­terung. Den anderen Teil bilden Pen­sion­is­ten, viele mit Hun­den, und die hört man aufgeregt hin­ter ihrem Hund her schimpfend, wenn der nicht Franzö­sisch ver­ste­hen will. Wie der Mini­hund mein­er Nach­barin, der mein Apparte­ment auch beset­zen will, und sie im Nachthemd ver­sucht, ihn von mein­er Ter­rasse zu bringen.
Dieser Lärm stört mich nicht.

Ich merke nur, in Men­schen­nähe ist es laut.

So hätte wed­er Nean­der­taler noch Cro-Magnon-Men­sch über­leben kön­nen. Aber vielle­icht wird’s am Lager­feuer genau­so ein Stim­mengewirr gegeben haben wie bei uns. Nur wie laut wer­den 15 bis 20 Homo gewe­sen sein?

Das führt mich zu dem großen Rät­sel, wann wir denn zu quatschen began­nen. Der Nean­der­taler, mit dem wir einen gemein­samen Vor­fahren teilen, besitzt eben­falls das FOX­P2-Gen, ein für unsere Sprech­fähigkeit wichtiges Gen (neben anderen). Ihr Kehlkopf war noch anders gebaut und der unsere war anscheinend auch nicht von Anfang an reif. Mir war nicht bewusst, dass Sprechen nur durch eine kom­plexe Motorik möglich ist. Sprech- und Sprach­störun­gen gehen damit ein­her. Eine Störung dieses Gens lässt die Betrof­fe­nen auch bei non­ver­balen Intel­li­gen­ztests schlechter abschnei­den. Tja, da soll noch ein­er sagen, quatsch nicht so viel.

Man ver­mutet auch, dass die kom­plex­en Anforderun­gen, die der mod­erne Men­sch in den ver­gan­genen 70000 Jahren bewälti­gen musste, die Sprache förderten. Denn die Umwelt, mit der es der mod­erne Men­sch zu tun hat­te, änderte sich ständig. Warm und Kaltzeit­en forderten ständi­ge Anpas­sun­gen. Die Sprache kön­nte da geholfen haben.

P.s. Bevor wir nun über­schnap­pen, Vögel besitzen dieses Gen auch, son­st kön­nten sie wohl nicht so schön sin­gen. Allerd­ings soll unsere Gen­vari­ante tat­säch­lich so alt sein wie der mod­erne Men­sch zwis­chen 100 und 200.000 Jahre.

Le Thot

Ich war sehr neugierig, was dieses Muse­um mir neues bieten kön­nte. Meine Erwartun­gen waren nicht beson­ders, aber es ist ein kalter Tag und es würde mir ganz gut­tun hinauszugehen.

Doch ich würde, wie die let­zten Tage immer wieder, über­rascht. Endlich ein Platz für Kinder, ein Ort wo nicht die ganze Zeit “sch, sch” zu hören war (obwohl die Lehrer drin­nen doch immer wieder ver­sucht­en, sie damit ruhig zu hal­ten) aber ich finde, da dür­fen sie ruhig lautesten und toben. Denn ein­er­seits haben sie hier ganz ein­fach nochmals Teile von Las­caux aufge­baut und ander­er­seits gibt es auch etwas zu tun.

Während in Las­caux II die Aufre­gung auch der Erwach­se­nen erhöht war und die Ner­vosität, nicht alles ver­ste­hen zu kön­nen, Span­nung erzeugte, ist hier Platz genug. Ich weiß nicht, ob man den Kinder hier auch etwas dazu erzählt hat, aber hier wäre es der richtige Platz. Für Erwach­sene wie mich, wäre, wenn sie Franzö­sisch sprechen, noch 3 Filme zu sehen und zu hören. Ich sah also ein­fach zu. Und durch gekon­nte Ani­ma­tio­nen sah ich auch mehr als vorher, da nicht viele Leute im Muse­um waren, lief ich auch wieder zur Repro­duk­tion zurück und schaute nach. Mir war ent­gan­gen, dass es unter den Malereien in Las­caux auch Ritzun­gen gab, die erst sicht­bar wer­den, wenn man mit Sei­den­pa­pi­er die Ober­fläche abpaust. Und so war unter ein­er riesi­gen Kuh, deren Kör­p­er im Ver­hält­nis zum Kopf zu groß ist, wie ein Hengst ein Pferd bespringt. So waren die Ritzze­ich­nun­gen qua­si eine Skizze, an die man sich nicht immer hielt. Was der Mon­sieur son­st noch alles sagte, weiß ich nicht.

Dass Kinder beein­druckt waren, kann man an diesen Bildern sehen.

Ich habe mir erlaubt, die Bilder zu fotografieren, die in meinen Augen mehr mit den orig­i­nalen zu tun haben, als die “authen­tis­cheren”, die von ein­er Vor­lage kopiert wurden.

Doch was gefällt Kindern noch sehr gut? Tiere und selb­st was machen. Denn im Außen­bere­ich sind lebendi­ge Tiere: eine Kuhrasse, die an den Aue­rochsen erin­nert, ein Pferd, das an Wildpferde erin­nert (mit einem Blick, der mich verza­uberte) und das eng mit einem Esel befre­un­det ist, die sich gegen­seit­ig bei der Kör­perpflege halfen. Ren und Stein­bock und noch eines schaut zwis­chen den Büschen her­vor. An ein­er Stelle kön­nen Kinder dann auch nachvol­lziehen und sel­ber graben wie Archäologen.

Und sie krochen in Höhlen — Les Combarelles

Uns mod­er­nen Men­schen wären es sog­ar zu anstren­gend, die Gravierun­gen im Orginalzu­s­tand zu besichti­gen. Denn ich kon­nte diese schmale (sie ist teil­weise nur 1m bre­it) aufrecht besichti­gen. Denn als die Höh­le für Touris­ten adap­tiert wurde, hat man ein­fach gut 50 cm tiefer gebud­delt und nun kön­nen wir aufrecht­en Ganges durchmarschieren.

Da diejeni­gen, die die Höh­le als erste erkun­de­ten, so groß wie ich, also rund 1,60 cm, waren, erkun­de­ten sie die 240m lange Höh­le kriechend. Es ist feucht und kühl, rund 10 Grad, nicht ein­ladend. Und trotz­dem haben Men­schen 2000 Jahre lang, zwis­chen 9400 und 11700 vor heute, 800 Ritzze­ich­nun­gen angefertigt.

Mit Feuer­stein hätte man nach 6x einen Strich gese­hen, meinte die Führerin.Das klingt alles so ein­fach. Da kauert man am Boden sitzend, andere liegen bäuch­lings, ein flack­ern­des Licht lässt die unzäh­li­gen Erhe­bun­gen und Ver­tiefun­gen schon ohne men­schlich­es Zutun zum Leben erwachen.

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Auch frage ich mich, wer von den anderen schon ein­mal alleine in eine Höh­le gegan­gen ist. Ich schon. In eine, die ähn­lich wie diese hier durch Kalk­felsen ent­standen sind, aber auch eine die ein Lavafluss ent­standen ist. In der einen hab ich laut gesun­gen, um Geis­ter zu vertreiben. In der anderen habe ich das kom­plette Blit­zlicht meines Fotoap­pa­rats ver­braucht, um zu schauen, wo ich hin­steige. Zum Sin­gen bin ich gar nicht mehr gekom­men. Über­leben war angesagt.

Das ist ja erst der Anfang. Da hab ich noch gar nicht ans Malen gedacht.

Also die sind hier bäuch­lings rein (und wie schwierig muss es sein, da wieder raus zu kom­men, aber an ein­er bre­it­eren Stelle kon­nte man vielle­icht umdrehen).

War er oder sie alleine in der Höh­le? Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie hin­tere­inan­der liegend, vielle­icht noch tratschend, Mam­mut oder Pferde in die Wände ritzten.

Nein, ger­ade die Enge der Höh­le, in die man wie in einen Bauch hinein krabbeln muss, erin­nert mich mehr an Rit­uale, eine spir­ituelle Annäherung.

Einen Strich hat man vielle­icht mit 6x fer­tig, aber ein Strich ist noch kein Pferd. Ich muss ein Bild vor Augen haben, über­legen wie ich den Strich führe. Entschei­den, wo ich das Tier oder Sym­bol anbrin­gen will. Radieren war ja auch nicht möglich. Diese Aus­sagen, das hätte man in dieser Zeit fer­tig­stellen kön­nen, das sollen sie mir mal zeigen. Wer von denen hat schon mal was zu ritzen ver­sucht, weich­er Kalk­stein hin, har­ter Feuer­stein her?

Ich habe eine Zeit lang mit Speck­stein gear­beit­et. Mit Met­all­w­erkzeug und nicht Feuer­stein. Ver­dammt, da rutscht man ziem­lich leicht ab, das sagt sich so leicht. Speck­stein ist auch ein weich­er Stein, mir ist er hart genug. Kur­ven brachte ich über­haupt nicht leicht zusam­men. Aber ich saß auch auf dem Boden, so wie die Men­schen in dieser Höh­le, die Füße unter meinen Couchtisch geschlun­gen und genoss die besinnliche Arbeit des Herum­schnitzens. Aber es war wärmer als 13 Grad und trock­en­er auch. Das elek­trische Licht machte leichter, wo ich den Meißel anset­zen sollte. Dafür hat­te ich nicht den rußi­gen, knis­tern­den, flack­ern­den, duf­ten­den Wachold­erzweig bren­nen. In Kali­fornien hat­te ich dor­ti­gen Juniper (es dauerte Monate, bis ich endlich daran dachte, die Über­set­zung nachzuschla­gen) in den Bergen gesam­melt, mich bei den Büschen bedankt, gel­ernt, dass er zur Reini­gung von Räu­men dienen soll, und ihn zu kleinen Räuch­er­sticks gebun­den. Wenn ich diese anzünde, zis­cht es und raucht es von den Ölen in den Nadeln und es duftet. Das weiß ich deshalb so gut, weil ich mir welche mitgenom­men habe. Sie bren­nen gut.

Diese Gedanken waren in mir, auch wenn ich nicht an alle dachte, als ich die Ritzze­ich­nun­gen betra­chtete. Das war nicht ein­fach mal schnell gemacht. Sie sind tief in diese schmale, lange Höh­le hinein gekrochen. Ich kon­nte die Ehrfurcht spüren, mit der sie die Pferde galop­pieren ließen. Oder wenn sie ver­sucht­en die Erd­mut­ter um Frucht­barkeit zu bit­ten, in dem sie eine Vul­va und Frauen abbildeten.

Hier lobe ich mir die Fran­zosen, unsere Führerin hat immer sehr auf die Kinder geachtet, immer wieder nachge­fragt, ob sie alles ver­standen haben oder ob es nicht Fra­gen gab (und auch mal den Vater um Geduld gebeten, weil sein Sohn sich vor ihm an sie gewen­det hat­te). Sie sprach von der weib­lichen Vul­va, die hier sym­bol­isch dargestellt wurde, mit der größten Selb­stver­ständlichkeit. (Wo die kleine Ruth plöt­zlich Franzö­sisch gel­ernt hat?)

Und falls es noch nicht ganz klar ist, die Führung ist deshalb auch so nett, weil es nicht viele sind, die in ein­er Gruppe hineinge­hen. Das hat keine beson­deren Gründe, mehr wür­den ein­fach nicht sehen, was ger­ade erk­lärt wird. Und es gab eine feine ver­traute, intime Atmosphäre.

Um einen Ein­druck zu bekom­men, wo all diese Höhlen liegen, wie der Kalk­stein aussieht und wie die Land­schaft geformt ist, hier noch ein paar Bilder.

Lascaux II

Fotografieren ver­boten!
Auch in der Nach­bil­dung von Lascaux.
Nach der Ent­deck­ung dieser Höh­le sind bis zu 1 Mil­lion Men­schen jährlich dieses Weltkul­turerbe besuchen gekom­men, bis Algen (grüne Krankheit, durch erhöhte Luft­feuchtigkeit) und Kristalle (weiße Krankheit, durch CO2 aus der Atem­luft) schon eini­gen Schaden anrichteten. 1963 wurde sie geschlossen. Das ist alles was man als Tourist noch zu sehen bekommt.

Ich bin also in die Nach­bil­dung, die 1983 eröffnet wurde, gegan­gen. Und ich hab mich vorge­drängt, wir waren so viele Leute, dass wir den Raum fast aus­füll­ten. Es gehen halt nicht so viele hinein, da füllen schon schnell mal ein paar Leute einen Raum aus. Und da die Fläche am Boden nicht so groß ist und sich zu den Bildern weit­et, ist der Raum mit 25–30 Leuten voll.

Es war ver­dammt gut, dass ich ganz vorne war. So hat­te ich für einige wenige Sekun­den vielle­icht eine Minute einen Blick auf den Raum, ohne von Men­schen abge­lenkt zu sein.

Mir war als ob die Tiere tanzten, alle liefen zusam­men herum. Wie muss das erst gewe­sen sein, als nicht monot­on leuchteten elek­trische Lam­p­en son­dern flack­ernde Lichter, in denen Fett und Wachold­erzweige bran­nten. Man hat die Asche von Wachold­er in ein­er der Lam­p­en gefun­den. Für einen kurzen Moment kon­nte ich fühlen, wie gewaltig es gewirkt haben muss. Ich kon­nte das Tram­peln der Tiere hören. Und auch den Gesang der Men­schen, die mit den Tieren feierten, ihre Trom­meln, die im Rhyth­mus der Tiere geschla­gen wurden.

Dann begann der Guide zu reden und das Bild, der um mich laufend­en, tanzen­den Tiere begann zu verschwinden.

Statt die in Bewe­gung — in mein­er Vorstel­lung — von flack­ern­den Läm­pchen Schat­ten wer­fend­en Stiere, Pfer­den und Ren­tieren zu sehen, sah ich nur mehr die einzel­nen Abbil­dun­gen. Davor waren es Her­den, die sich drei­di­men­sion­al im Raum bewegten.

Nun sah ich die 4 riesi­gen Stiere, das Ein­horn, die Pferde und die hüb­schen Ren­tiere. Aber sie tanzten nicht mehr. Fällt es uns mod­er­nen Men­schen gar nicht auf, wie wir alles zer­legen und zerteilen. In allen Beschrei­bun­gen wer­den nur mehr einzeln die Tiere aufge­führt, aber vielle­icht waren sie zusam­men dort.

Das war mehr, als ich mir erwartete. Kurz sah ich sie alle miteinan­der tanzen und singen.

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Ps. Einen Tag später besuchte ich andere Höhlen. Es waren schmale enge Gänge, sie kon­nten dieses Gefühl der Bewe­gung nicht aufnehmen. Aber davon später.

Die Bilder, die ich von hier und anderen Höhlen abbilde, habe ich aus einem teuren Buch fotografiert, aber ich ver­rate nicht welch­es, mir ist klar, das unter­liegt dem Copy­right. Aber ich will doch hier meine Erin­nerun­gen auch fes­thal­ten. Und innen durfte ich nicht fotografieren, also irgen­dein Ver­brechen musste ich bege­hen. So gibt es eine Abbil­dung pro Höh­le, die ich mir erlaube.

Eiszeiten, Flechten, Moose und andere Dinge

Bevor mich die Höhlen des Perig­ord Noir ganz in Beschlag nehmen, möchte ich nochmals zu den Gedanken zurück­kehren, die mich begleit­eten als ich durch die Alpen fuhr, den Eiszeiten.

Der Neuen­burg­er See ist ein solch­es Überbleib­sel, näm­lich ein Teil ein­er der Gletscherzun­gen des Rhône-Gletsch­ers, der der größte alpine Gletsch­er der let­zten Eiszeit war. Eine Gletscherzunge erre­ichte Lyon, die andere ging bis nach Aarau ins Schweiz­er Mittelland.

Hier muss ich ein­mal beto­nen, wie sehr ich diesen Schweiz­er Prag­ma­tismus schätze.
Das Land, das in der Mitte liegt, heißt Mit­tel­land, die let­zte Eiszeit nen­nen sie nicht Würm, son­dern let­zte Eiszeit, selb­st die Riss-Eiszeit bekommt keinen Namen son­dern wird vor­let­zte genan­nt. Warum ich das erwähne? Tja, auf der Suche nach Infor­ma­tio­nen über die Eiszeit (das Wis­sen darüber hat mich die ver­gan­genen 40 Jahre ein­fach ver­lassen) habe ich erstaunliche Dinge herausgefunden.

Oder wüsstest du, dass die über­all anders genan­nt wer­den. Nehmen wir mal die let­zte Eiszeit. In der Wikipedia fand ich folgendes:
Im Alpen­raum wird sie als Würm‑, in Nord- und Mit­teleu­ropa als Weichsel‑, in Osteu­ropa als Waldai‑, in Sibirien als Zyryanka‑, auf den Britis­chen Inseln als Deven­sian, in Irland als Midlandian‑, in Nor­dameri­ka als Fraser‑, Pinedale‑, Wis­con­si­nan- oder Wisconsin‑, in Venezuela als Mérida‑, in Chile als Llan­qui­hue- und in Neusee­land als Oti­ra-Kaltzeit bezeichnet. 
Und irgend­wo fand ich dann auch noch die let­zte Eiszeit der Schweiz­er. Geolo­gen sind ein selt­sames Volk und ob sie danach streben, ver­standen zu wer­den, glaube ich nicht recht.

Egal, diese Zeit begann ‑über­all ein wenig anders, um mich weit­er zu ver­wirren- vor etwa 115.000 bis 110.000 Jahren und endete vor etwa 12.500 bis 10.000 Jahren. Damit sollte es gewe­sen sein? Nichts da! Es war zwar kein Wech­sel­bad der Gefüh­le, aber sicher­lich eines des Tem­per­a­turen. Es war ein ständi­ges hin und her. Wenn es da Wis­senschaftler gibt, die den men­schlichen Fortschritt mit diesen sich ständig änderten Bedin­gun­gen in Zusam­men­hang brin­gen, dürften sinnliche Unrecht haben. Not macht erfind­erisch, heißt es doch so schön. Mal sehen, wie erfind­erisch wir noch werden.

Was hat das nun wieder mit mein­er Reise zu tun?

Es ist die Zeit, als die Nean­der­taler hier lebten und die ersten mod­er­nen Men­schen vor 40.000 Jahren Europa betrat­en. Um diese Zeit, wenn nicht früher, betrat­en die ersten Aus­tralier ihr neues Land. Hier habe ich so viel ver­schiedenes gele­sen, dass ich nicht recht weiß, was ich glauben soll. Ich fürchte, dass wir Europäer es nicht aushal­ten, wenn andere früher einen anderen Kon­ti­nent ent­deck­ten. Mit Lumi­neszenzmeth­o­d­en sind aus­tralis­che Wis­senschaftler heute bei 60.000 Jahren ange­langt. Während wir Europäer uns noch nicht aus Afri­ka hinauswagten.

Ich wollte mir vorstellen, wie Europa damals aussah.

Die Land­schaft war ver­mut­lich oft von Tun­dra und Steppe geprägt, auch einzelne Waldin­seln soll es gegeben haben.

Hier haben wir also Flecht­en und Moose. So unschein­bar diese Lebens­for­men sind, so wichtig sind sie für unsere Erde. Denn sie waren wesentlich daran beteiligt, die unsere Erde zu dem zu machen, was wir heute als so selb­stver­ständlich nehmen. Flecht­en sind Lebens­ge­mein­schaften zwis­chen Pilzen und einem oder mehreren Pho­to­syn­these betreiben­den Part­nern. Diese Pho­to­bion­ten, auch Phy­to­bion­ten genan­nt, sind Grü­nal­gen (Chloro­phy­ta) oder Cyanobak­te­rien. Sie eroberten das steinige Land und erzeugten als erstes Erde. Erde, die die Pflanzen zum Leben braucht­en. An ein­er stelle stand, dass sie vielle­icht schon vor 800 Mil­lio­nen Jahren an Land gin­gen. Das sind 200 Mil­lio­nen Jahre bevor mehrzel­lige Lebe­we­sen, deren Fos­silien wir gefun­den haben, ent­standen. (Für jene, die es genau wis­sen wollen, ich spreche von der Edi­acara-Fau­na). Damit beteiligten auch sie sich an der Sauer­stoff­pro­duk­tion, denn durch den Sauer­stoff wird erst höheres Leben möglich werden.

Und Moose? Wenn man die kleinen Stiele betra­chtet, ahnt man nicht, was daraus wurde. Sie waren die ersten For­men, die nach oben strebten. Später soll­ten daraus Bäume werden.

Nach­wievor sind es diese Flecht­en und Moose, die als erstes Land erobern, das nur aus Gestein beste­ht. Das wird auch so an jenen Stellen sein, wo Gletsch­er sich zurückziehen.

Wie es hier im Perig­ord Noir aus­sah, weiß ich nicht. Ein­er der Guides meinte, das die Land­schaft hier eben­so bewaldet war wie heute. Da schlägt bei mir der alpine Men­sch durch. Als ich durch die Gegend fuhr, hat­te ich keinen Ori­en­tierungssinn. Zugegeben­er Maßen war es bewölkt und die Sonne kon­nte mir bei der Ori­en­tierung auch nicht weit­er helfen. Wie der Cro Mang­no Men­sch die Höhlen wiederfind­en kon­nten, die sie zum Teil bewohn­ten, zum Teil nur für die Zer­e­monien auf­sucht­en, um auf Wän­den Malereien, Gravuren (Pet­ro­glyphen), und Skulp­turen anzufer­ti­gen, ist mir nicht ganz klar. Vielle­icht halfen ihnen die Flüsse. Beim Fahren erschienen mir die Wälder wie eine ein­heitliche riesige Landschaft.