Ab zu den ersten Menschen in Österreich: Ins Urgeschichtemuseum MAMUZ in Asparn an der Zaya

Mehr als 30 Jahre ist es her, als ich das erste Mal in Asparn an der Zaya war. Damals bei ein­er Exkur­sion eines Studi­ums, das heute Kul­tur- und Sozialan­thro­polo­gie heißt und nicht mehr Eth­nolo­gie wie zu mein­er Zeit. Kein Stein bleibt mehr auf dem anderen. Manch­mal sage ich noch immer Völk­erkunde und es sind die selt­sam­sten Blicke, die ich ernte. Am lieb­sten wäre es mir, von Men­schen zu sprechen und ihren ver­schiede­nen Kul­turen. Aber auch da bleibt der Erk­lärungs­be­darf nicht aus, wenn man den Begriff genauer ansieht. Egal.

Jed­er Schritt, bess­er zu ver­ste­hen, wie alles lebt, führt dahin, tol­er­an­ter zu wer­den. Es hil­ft zu begreifen, dass Unter­schiede zum Leben gehören und sie das eigentlich beson­dere am Leben sind.

Ich bin also mor­gens von einem mod­er­nen Urnen­gräber­feld nach Asparn an der Zaya aufge­brochen. Einem Fried­hof von dem nichts, aber abso­lut nichts übrig bleiben wird, zu einem Muse­um, wo müh­sam Über­reste aus weit ver­gan­genen Tagen zusam­menge­tra­gen wer­den. Was für ein Widerspruch!

_mg_0997-cr2

Der ober­ste Stock des Schloss­es ist der ältesten Zeit gewid­met. Unentschlossen begann ich meinen Rundgang und auch im Nach­hinein kann ich nicht sagen, ob der Weg ein zeitlich­es Muster ver­fol­gte. Es waren mehr die Objek­te, die sich zusam­men­fan­den, Grüp­pchen bilde­ten und zu The­menkreisen zusam­mengestellt wur­den. Doch ich will immer mehr. Ich will Geschicht­en. Einzelne Teile, deren Bindeglied „Jung­paläolithikum“ heißt, ist mir zu wenig. Schließlich umfasst jene Zeit einen Rah­men von über 30.000 Jahren, damals als die ersten anatomisch mod­er­nen Men­schen Europa betrat­en. Also suchte ich und wurde nicht enttäuscht.

In den let­zten Jahren kon­nten in Niederöster­re­ich die ältesten Fund­schicht­en der ersten Europäer in Wil­len­dorf nachgewiesen wer­den. Men­schen kamen an diesen Platz, lange bevor Wil­len­dorf gegrün­det wurde. Vor 43.500 Jahre lagerten sie in der Wachau (Das ist der Bericht der Grabung: Ear­ly mod­ern human set­tle­ment of Europe north of the Alps occurred 43,500 years ago in a cold steppe-type envi­ron­ment). Damit ist klar, dass sie min­destens einige tausend Jahre zusam­men mit Nean­der­talern in dieser Region lebten. Neun markante Schicht­en kon­nten Archäolo­gen fest­stellen, die von wech­sel­n­dem Kli­ma erzählen. Also Schicht­en, die dick genug waren, dass sie noch heute her­ausstechen. Wie her­aus­ra­gend dies ist, wurde mir erst klar, dass die ältesten Knochen außer­halb Afrikas 44–46-000 Jahre sind, gefun­den in Sibirien.

Es muss ein guter Platz gewe­sen sein, zum Lagern und sich  für einige Zeit niederzu­lassen. Das Land rund­herum Steppe, geprägt von Gräsern aber noch viel mehr von Kräutern wie Wegerich, Bei­fuß, Schaf­garbe, Chrysan­the­men, Kuh­schellen und Sil­ber­wurz, Mose und Flecht­en bilde­ten Pol­ster, und Hei­dekraut­gewäch­sen bracht­en hin und wieder etwas Farbe in die Land­schaft. In den Flusstälern wie Donau, Thaya oder Krems gab es Nadel­wälder, mit Ficht­en, Kiefern, Tan­nen und Lärchen, schreiben die Wis­senschaftler. Das war neu für mich.

Bish­er hat­te ich immer die Vorstel­lung ein­er Steppe ohne Bäume gehabt, aber ich habe mir meine Bilder von der Prärie in den USA nochmals angeschaut, und gese­hen, dass es in den weit­en Flächen immer wieder Bäume gibt.

Prairie in South Dakota/USA © Ruth Bar­bara Lotter

Die meis­ten Quellen bericht­en nie von Bäu­men, die Steppe wird als reine Grasland­schaft beschrieben. Ich begann nach Kli­ma­dat­en zu suchen, weil mir nicht klar war, welche Unterkün­fte sie gehabt haben kön­nten. Aber Bäume und Mam­mut­knochen geben gute Stützen ab, ob sie nun ähn­lich wie ein Tipi (das wir klas­sisch als Indi­an­erzelt anse­hen, auch dies ist eine Unterkun­ft von Präriebe­wohn­ern, also Men­schen, die in ein­er Steppe wohnen) oder ein Wig­wam (ein Kup­pelzelt) oder der Kote, der Behausung der Samen (die genetisch gese­hen, mit diesen ersten Wild­beutern noch am näch­sten ver­wandt sind), aus­sa­hen, wer­den wir nie erfahren.

Immer wenn es käl­ter wurde, deck­te der Löss alles immer wieder san­ft zu, somit kon­nte es bis heute erhal­ten bleiben. Ich frage mich, wie lange es braucht, bis eine solche Schicht sich bildet. Wenn ich meinen Balkon nicht kehre, bildet sich eine dünne Sand­schicht, kaum sicht­bar. Selb­st wenn der Wind aus der Sahara Sand here­in­we­ht, dann würde es doch lange Zeit brauchen, bis sich 10 Zen­time­ter dicke Schicht­en bilden. Bis zu 40 Meter dicke Schicht­en wer­den in Krems gemessen. Die Schicht­en kön­nen aus jen­em Grund beschrieben wer­den, weil sie unter­schiedliche Fär­bung aufweisen. In sehr kalten Zeit­en ist es rein­er Lös, sehr hell, und in allen wärmeren wurde die Erde dun­kler. Als die aktuelle War­mzeit begann, kon­nte der helle Löss in die dun­kle, sehr frucht­bare Schwarz­erde umge­wan­delt wer­den. Kalt war es damals,die Tem­per­a­turen im Som­mer so wie jet­zt im späten Herb­st. Bis 20° sollen es an einem Hochsom­mertag erre­icht haben, allerd­ings sollen die Win­ter nicht so hart, wie ich erwartete hat­te, gewe­sen sein. Doch das Kli­ma war nicht über mehrere Jahrtausende gle­ich. Es war manch­mal wärmer, manch­mal käl­ter. Meine Bemühun­gen, eine Grafik über das Auf und Ab der Tem­per­a­turen für genau jene Zeit zu find­en, musste ich aufgeben. Ich wollte ein Gefühl für die wech­selvollen Tem­per­a­turen bekom­men, aber ich fand keine Tabelle für diese Zeit. Ich weiß nur, dass es vor 20.200 Jahren erhe­blich käl­ter wurde, bis vor 11700 Jahren (9.700 v.Chr.) die jet­zige War­mzeit begann.

In der Ferne mussten sie es weiß glitzern gese­hen haben, die ver­gletscherten Alpen waren nicht weit ent­fer­nt: nur 40 km waren es bis zu den ersten Gletscherzun­gen. Manche sagen, dass sie die Flus­sland­schaften im Som­mer mieden, denn so wie heute im Nor­den Gelsen­schwärme unerträglich wer­den kön­nen, wäre es damals am Fluss auch gewe­sen. Im Win­ter war die Donau zuge­froren. Sie kon­nten auch auf die andere Seite wech­seln. Da es in den Eiszeit­en trock­en­er war, war das Wet­ter nicht schlecht. So kon­nten son­nige Win­tertage dur­chaus angenehm sein.

Die Felder, die mich im Wein­vier­tel umgaben, helfen mir bei der Vorstel­lung, wie die Land­schaft von damals aus­sah. Sie erin­nern mich aber auch daran, wie sehr in der Zwis­chen­zeit der Men­sch die Land­schaft verän­dert hat, kein Fleck blieb unberührt: Kul­tur­land­schaft ist sie gewor­den. Die Vorstel­lung ein­er Steppe fällt hier um Mis­tel­bach zumin­d­est leichter, als in der Wachau mit ihren Mar­il­len­bäu­men und Wein­stöck­en. Als ich vor eini­gen Jahren in Wil­len­dorf spazierte, versper­rten Büsche und Bäume die Sicht. Aber ich werde noch ein­mal dort hin­fahren, um zu schauen, ob ich mich doch ein wenig in diese älteren Zeit­en zurück­ver­set­zen kann.

Damals zogen Tiere wie Mam­muts oder Ren­tiere in Her­den über die san­ften Hügel, sie fan­den in dieser Kargheit noch immer genug Fut­ter. Mam­muts waren auch die ersten Funde im 15. und 16. Jahrhun­dert, die in dieser Gegend gefun­den wur­den. Auch wenn auf dem Bild Rinder grasen und man sich die Leitun­gen weg­denken muss, kann es von der Ferne so ähn­lich aus­geschaut haben.

Prairie in South Dakota/USA © Ruth Barbara Lotter
Prairie in South Dakota/USA © Ruth Bar­bara Lotter

Diese ersten mod­er­nen Europäer waren Jäger und Samm­ler und aßen viel Fisch, manche Unter­suchun­gen ergaben, dass bei einzel­nen unter­sucht­en Men­schen 40–60% der Nahrung aus Fisch bestand. Sie waren dunkel­häutig und hat­ten blaue Augen, das sagen uns die aktuellen genetis­chen Analy­sen (siehe Film untern mit einem Vor­trag von Johannes Krause). Das muss für uns heute, sehr fremd ausse­hen, wir ken­nen keine blauäugi­gen Schwarze.

Die genetis­che Herkun­ft der Europäer: Migra­tion in der Vorgeschichte

Sie lebten länger in dieser Region, als wir und alle später Ank­om­menden. Die Wachau musste schon damals fre­undlich­er als andere Gegen­den gewe­sen sein. Die hellere Haut­farbe wurde evo­lu­tionär erst bei den Acker­bauern zu einem Vorteil und set­zte sich damals durch, da die bevorzugte Pflanzen­nahrung zu wenig vom wichti­gen Vit­a­min D enthielt.

Eine Vitrine widmete sich Frauenfigurinen, die im Raum Niederösterreich gefunden wurden.

Ich möchte mit der berühmtesten alten Öster­re­icherin begin­nen, der Venus von Wil­len­dorf, auch wenn man sich hier ihr nicht wirk­lich wid­met, gehört sie für mich unverzicht­bar dazu. Sie hat­te ich vor kurzem im Naturhis­torischen Muse­um in Wien besucht. Aber wie so oft, ist für mich ein Objekt, allein für sich gese­hen, recht blut­leer. Ich merke mir wed­er, wann es hergestellt wurde, noch irgendwelche anderen Details. Es sind diese speziellen Momente, die mich reizen, mir ein Bild zu malen. Selb­st die Grafik, die ich schon in Frankre­ich sah, die auf ein­er großen Land­karte die Fund­plätze ver­schieden­er Fig­uri­nen zeigen, erk­lärte mir zu wenig. Es gibt mir ein Gefühl der Gle­ichzeit­igkeit, doch wur­den diese kleinen Frauen­fig­uri­nen über mehrere 10.000 Jahre lang hergestellt. Und ich habe schon Schwierigkeit­en mir eine Dauer von 2000 Jahren vorzustellen. Zu dieser Zeit waren die Römer in ganz Europa und dem Mit­telmeer­raum unter­wegs, das fühlt sich unendlich lang an.

Die Wil­len­dor­ferin ist aus Oolith, einem Kalk­stein aus der Brün­ner Gegend, wie auch andere dort gefun­dene Gegen­stände aus Feuer­stein, der auch von dort stammt, bele­gen. 136 Kilo­me­ter Luftlin­ie oder 32 Stun­den zu Fuß, wie mir Google Maps ver­rät, also eine mehrtägige Wan­derung muss es gewe­sen sein. Für uns schw­er vorstell­bar, wie Men­schen damals zu Fuß in einem so weit­en Raum umher­zo­gen. 29.500 Jahre alt ist die kleine 11 cm große Lady, das ergaben die neuesten Analy­sen der Schicht, in der sie gefun­den wurde. Mehr als 10.000 Jahre nach den ersten Ankömm­lin­gen wurde sie hergestellt.

Eine kleine nachgemachte Venus in mein­er Hand und es fühlt sich gut an, wie dafür gemacht.

Welche Bedeu­tung weib­liche Fig­uri­nen haben, kön­nen wir heute nicht mehr fest­stellen. Aber ich ver­ste­he, dass die Objek­te klein waren, denn so kon­nte man sie mit­nehmen. Wenn du mit deinem ganzen Hab und Gut immer wieder auf­brichst, um den Her­den zu fol­gen oder ein kli­ma­tisch gün­stigeren Ort aufzusuchen, und du alles tra­gen musst, dann wer­den Gegen­stände, die keinen prak­tis­chen Nutzen haben, son­dern einen kul­turellen Hin­ter­grund aus welchem tief­er­en Grund auch immer, eine Größe haben, die unter diesen Umstän­den vernün­ftig ist. Eine lebens­große Stat­ue würde sim­pel keinen Sinn ergeben. Und ich ver­ste­he ja, dass sie auf eine beson­dere, aber sehr mod­erne Weise aus­gestellt wer­den, aber es ist ein sehr dis­tanziertes Aufeinan­dertr­e­f­fen. Als ich sie nun diese Kopie nun zum ersten Mal in meine Hand nahm, und sie nicht nur als Objekt betra­chtete, war ich selt­sam berührt. Ich fühlte mich ver­bun­den mit der Erde und allem, was unser Leben aus­macht. Ich werde sie wohl in Zukun­ft öfter in die Hand nehmen.

Schade, dass die Wil­len­dor­ferin keinen Namen bekom­men hat, wie die Fan­ny von Stratz­ing, diese wird manch­mal auch Venus vom Gal­gen­berg gerufen, aber Fan­ny gefällt mir bess­er. Fan­ny, weil sie aussieht wie eine Tänz­erin und man dachte an Fan­ny Elßler. Den Arm nach oben streckt, sieht sie aus, als ob sie sich um die eigene Achse drehen möchte. Sie ist aus Schiefer hergestellt.

Und sie ist noch ein Stück älter.
Ganze 6.500 Jahre.

Mit 36.000 gehört sie zu den Ältesten all dieser Frauen­stat­uet­ten, die in ganz Europa bis weit nach Rus­s­land hinein geschnitzt wur­den. Dieser Zeitrah­men ist irgend­wie gar nicht mehr vorstellbar.

Es muss immer wieder Zeit­en des Über­fluss gegeben haben oder Zeit­en, wo es nichts anderes zu tun gab, in kalten Win­ternächt­en am flack­ern­den Feuer vielle­icht. Neben den geschnitzten Fig­uri­nen wer­den auch Frag­mente aus Knochen­flöten gefun­den — in Niederöster­re­ich wurde eine 19.000 Jahre alte, doch die älteste fand sich in ein­er Schicht, die auf 31–40.000 Jahre alt datiert wurde, in Deutsch­land in der Schwäbis­chen Alb am “Hohle Fels”. Wer schon mal geschnitzt hat, weiß, ganz so ein­fach ist es nicht. Viel mehr berührt mich, dass sie Musik gemacht haben, wie immer sie auch gek­lun­gen hat. Und heute denken wir darüber nach, die kün­st­lerischen Fäch­er in Schulen gestrichen wer­den. Dabei sind es ger­ade diese Dinge, die mich so berühren, weil sie uns Men­schen so auszeichnen.

Muscheln und Zähne wer­den als Anhänger für Ket­ten ver­wen­det, mit Löch­ern verse­hen an ein Band gehängt als Schmuck mit ein­er per­sön­lichen Bedeu­tung. Schmuck alleine erscheint mir zu triv­ial. Es wird nicht nur schön, son­dern auch mit Inhalt verse­hen sein. Reste von rotem Ock­er (Rötel) wird auf vie­len Gegen­stän­den gefun­den, Rötel ver­wen­de­ten auch Nean­der­taler. Wozu wis­sen wir nicht, es wur­den nur Far­ben­reste gefunden.

Auch die Venus von Wil­len­dorf war ursprünglich mit diesem roten Pul­ver einge­färbt wor­den, oft enthal­ten Muschelschalen diesen Farb­stoff, vielle­icht dien­ten sie als klein­er Farbtopf. Das Leben war also nicht nur vom reinen Über­leben­skampf geprägt, wie man es sich gerne vorstellt. Es wurde gefeiert, Musik gemacht, mit Geschicht­en­erzäh­ler sind sie am Lager­feuer gesessen, jene Men­schen, die die ersten Mythen ent­war­fen, die halfen, die Welt und ihre Zusam­men­hänge zu ver­ste­hen. Ich mag sie nicht Schama­nen nen­nen, aber Men­schen, die vielle­icht spir­ituelle Führer waren. Men­schen macht­en sich hüb­sch mit Perlen aus Muscheln und Elfen­bein. In Rus­s­land wurde ein 30.000 Jahre alte Gräber gefun­den, wo ein Mann mit 3000 Elfen­bein­perlen, die ver­mut­lich Teil der Klei­dung waren, lag. Sie ver­wen­de­ten Far­ben. Ver­mut­lich auch Schwarz der Kohle. Rötel war ein Stoff mit tiefem Hin­ter­grund sein, Rot wie das Blut, vielle­icht­en Sym­bol für das Blut der Erde.

_mg_1009

Ein Grab zweier Säuglinge wurde in Wachtberg/Krems aus­ge­graben, das 32.000 Jahre alt ist. Ein Video der APA berichtet von den Ergeb­nis­sen. Berührt hat mich, wie sie die bei­den gegenüber lagen, als ob sie schlafen wür­den. Sie wur­den dick mit Rötel einge­hüllt und vor­sichtig mit dem Schul­terblatt eines Mam­muts abgedeckt. So kon­nten sie über diese lange Zeit erhal­ten bleiben.

Die Kinder­sterblichkeit war groß und gehörte trotz allem nicht zum All­t­ag. Men­schen trauerten. Skelette von Kindern kön­nen nur an Begräb­nis­stät­ten gefun­den wer­den, zu dünn sind die Knöchelchen, als dass sie so lange Zeit über­dauern. Sie wur­den mit großer Sorgfalt zum let­zten Schlaf meist in Hock­er­stel­lung niedergelegt. Kleine Elfen­bein­perlen zeigen, dass ihnen Wertvolles mit­gegeben wurde, weil sie für die Gesellschaft einen Wert hat­ten. Sie wer­den wahrschein­lich bek­lei­det gewe­sen sein und einge­hüllt in roten Ock­er, der bis heute sicht­bar ist.

Aus Feuer­stein, auch Silex genan­nt, wur­den Werkzeuge hergestellt. Auf irgen­dein­er Reise habe ich einen selt­samen Stein aufge­hoben und mitgenom­men, erst viel später sah ich andere, ähn­liche und ver­stand, dass ich ein Stückchen Feuer­stein mitgenom­men hat­te. Für mich ist es ganz beson­der­er Stein, weil er so wichtig für meine Vor­fahren war.

p1010932

Als dann vor 7000 Jahren die ersten Acker­bauern nach Europa kamen, lebten sie neben den Wild­beutern und sie beka­men Kinder. Sie began­nen Kreis­grabenan­la­gen zu erricht­en. Davon näch­ste Woche.

Ich ahnte schon, dass ich irgend­wann wieder einen Infor­ma­tionsover­load bekomme. Aber mein Puz­zle geht weiter:

Meine Reise zum Alten Europa.

Urlaub vorkosten: Ein bisserl Stonehenge ums Eck besuchen

p1010889-001

Ein Muse­ums­be­such kann manch­mal eine wun­der­bare Ersatzhand­lung sein. Statt Stone­henge zu besuchen, lerne ich ein wenig darüber und drumherum. Ich reise mit mein­er Fan­tasie nicht nur in andere Gegen­den son­dern auch in eine andere Zeit zu anderen Men­schen, Men­schen, die irgend­wo auch meine Vor­fahren waren.

Da bis 27.11.2016 im Mamuz in Mistelbach/Niederösterreich  eine Ausstel­lung über Stone­henge läuft, habe ich mich aufgemacht und mir die Ausstel­lung angeschaut. 3 Stun­den bin ich herum gegan­gen, habe mir alle Videos angeschaut, habe manch­mal bei Führun­gen zuge­hört, habe mich neben eine gelang­weilte 17-Jährige geset­zt und ihr von Reisen erzählt und eine mein­er Lieblings­geschicht­en, die ich schon Lau­ra von den Ahousat erzählt hat­te, aus­gepackt. Es ist eine Geschichte vom Anbe­ginn der Zeit.

Einen Tag später habe ich verzweifelt ver­sucht, alle Fra­gen, naja ziem­lich viele, zumin­d­est solche, die auch beant­wortet wer­den kön­nen, durch Lesen und Schauen und Hören zu lösen.

Langsam klären sich Dinge, die für mich noch offen geblieben sind. Wahrschein­lich ist es ein­fach meine Aus­bil­dung als Eth­nolo­gin, dass ich erst mal ein wenig über die Leute wis­sen will, denn son­st kön­nten es wohl auch Außerirdis­che sein, die Steine auf­stellen (wozu sollen Außerirdis­che soweit reisen, um dann sinn­los Steine anzuhäufen?) und dann wäre es mir ziem­lich egal. Aber Men­schen inter­essieren mich. Die Kleine neben mir hat mich gefragt, ob ich, wenn es möglich wäre, zum Mars fliegen wollte. Zu mein­er eige­nen Über­raschung verneinte ich blitzschnell. Es gibt so vieles, was ich hier noch zu ler­nen und zu ver­ste­hen habe, und der Mars hat nichts davon.

Es ist das Leben, unser Leben, von dem ich nicht satt werde, mehr zu erfahren.

Wer waren also die Men­schen, die so viel Zeit hat­ten, etwas Riesiges, Gewaltiges, beina­he Überirdis­ches aufzustellen?

Es waren Bauern, die ersten in Europa. Die aus Ana­tolien kamen, Ger­ste und Weizen, genau genom­men wird es Einko­rn oder Emmer gewe­sen sein, in den Taschen mit­brin­gend, Schafe und Ziegen vor sich hertreibend, die es vorher in Mit­teleu­ropa nicht gegeben hat, Rinder und Schweine, die es hier schon gab, aber nicht für den Haus­ge­brauch gezähmt, nicht zu vergessen. Dank der Genetik ist eines klar, es gab keinen Kul­tur­trans­fer, son­dern Men­schen kamen und bracht­en ihre Kul­tur mit. Die Sar­den haben heute noch am meis­ten Gene mit diesen ersten Migranten gemein, sind genetisch also noch am meis­ten mit diesen alten ana­tolis­chen Bauern ver­wandt. So wie Ötzi mit diesen genetisch ver­bun­den war. Die Sar­den und Ötzi waren mit den Migranten, den Viehzüchtern und Acker­bauern  aus Ana­tolien ver­wandt. Und die Jäger und Samm­ler, die die ersten Flüchtlinge aus Afri­ka waren, lebten noch sehr lange Zeit neben ihnen. Und sie sahen so aus, wie heute nie­mand mehr aussieht, die waren dunkel, sie waren Schwarze mit blauen Augen. Das erzählen zumin­d­est ihre Gene. (Und die Nean­der­taler eben­so, auch wenn sie in Museen ganz anders auss­chauen) Die ersten Europäer waren, wie alle späteren auch, Afrikan­er. Das Vit­a­min D der Sonne braucht­en allerd­ings erst die Bauern, die sich haupt­säch­lich veg­e­tarisch ernährten, Joghurt und Käse vielle­icht, hin und wieder mal Fleisch, aber viel zu wenig und sie wur­den weiß. Aber die Milch vertru­gen sie damals auch nicht. Joghurt und Käse besitzen kaum Milchzuck­er. Milchtrinken ist wohl das Urtyp­is­chte der Europäer. Alles andere kann disku­tiert werden.

Johannes Krause vom Max-Planck-Insti­tut für Men­schheits­geschichte erzählt es sehr begeis­tert und anschaulich und mir macht es riesi­gen Spaß, die Geschwindigkeit wie durch die Genetik die alten Inter­pre­ta­tio­nen der His­torik­er durcheinan­der geschüt­telt wer­den. Er kann Geschicht­en erzählen. Die andere Forsch­er dieser Vor­tragsrei­he fes­seln mehr durch Inhalt nicht durch Vor­trag. Und mit Amüse­ment stelle ich fest, wie manchen die Ergeb­nisse der Genetik nicht gefall­en, denn es passt nicht zu ihren Theorien.

Bevor diese Migranten aus dem Süden kamen, sah es in Großbri­tan­niens anders aus. Die Insel war bewaldet, es wuch­sen Kiefern, Eichen, Buchen, Erlen und Pap­peln. Dazwis­chen gediehen Gräs­er, Kräuter und ein paar Büsche wer­den wohl auch dazwis­chen gewe­sen sein. Als Nach­we­hen der Eiszeit gab es Step­pen­land­schaften, die sich wohl mit der zunehmenden Wärme in den Nor­den zurück­zo­gen. In den Wäldern lebten Wölfe, Aue­rochsen, Hirsche, Moorhüh­n­er und zahlre­iche Nagetiere. Erst die Acker­bauern fäll­ten Bäume, und ihre Ziegen, Schafe und Rinder ver­hin­derten, dass der Wald zurück­kam. Die ältesten Funde gehen auf 6000 v.Chr. zurück. Sie macht­en Europa zu dem, das wir ken­nen. Statt eines riesi­gen undurch­dringlichen Waldes wird das Land offen.

Es war keine Ver­bre­itung der kul­turellen Tech­nik des Acker­baus und der Viehzucht, son­dern es waren die Men­schen, die sel­ber kamen und was mit­bracht­en. Und sie kamen langsam. Viele 100 Jahre, ja 1000e Jahre vergin­gen, bis sie sich von Nor­dana­tolien über die Donau, Ital­ien und Spanien in den Nor­den bewegten. Es waren genetis­che Unter­suchun­gen, die ergaben, dass die ersten Europäer, die vor 40.000 Jahren kamen und als Samm­ler und Jäger lebten, sich genetisch von den Acker­bauern unter­schieden. Was mich immer noch verblüfft (was mit großer Leichtigkeit geschrieben wird), die kamen auch auf die iberische Hal­binsel und Südi­tal­ien. Mit Booten? Sind sie da Nordafri­ka ent­lang gekom­men? Nicht nur Bauern, son­dern auch Seeleute? Mich erstaunt dies noch immer, erk­lärt mir aber ander­er­seits auch, wie sie nach Großbri­tan­nien kamen, denn, als sie kamen, war die Insel zu Insel gewor­den. Die Jäger und Samm­ler kamen noch trock­e­nen Fußes dorthin.

Diese neuen Forschungsmeth­o­d­en wirbeln ganz nett die alten Vorstel­lun­gen durcheinan­der, hal­ten mich auf Trab, denn ich schau inzwis­chen immer nach, ob es neuere Erken­nt­nisse gibt. Das Max-Planck-Insti­tut für Men­schheits­geschichte ist da eine gute Adresse. 

Es waren also Bauern, die die Wälder rode­ten und die ersten hölz­er­nen Henges aus dick­en alten Eichen­stäm­men errichteten. Diese ersten Bauern began­nen in ganz Europa Stein­mon­u­mente zu erricht­en, und zugle­ich verän­derten sie das Land mas­siv. Die dun­klen Wälder ver­schwan­den langsam aber sich­er. Der Men­sch verän­dert das Land mas­siv und zwar seit es sie gibt und sie sich über den Erd­ball aus­bre­it­en. Selb­st die Abo­rig­ines verän­derten das Land mas­siv durch Bran­dro­dun­gen. Men­schen verän­dern die Welt, immer schon.

Und der Men­sch wird sich sein­er selb­st bewusst, aber auch über das Unberechen­bare und schafft Begrün­dun­gen für Unerk­lär­lich­es. Daran hält er sich fest und es gibt im Sicher­heit. So ent­standen die ersten spir­ituellen Plätze.

In der Nähe von Stone­henge gibt es warme Quellen. Diesen Gewäss­er frieren nie zu, das bedeutet, dass Tiere auch im Win­ter dor­thin zogen. Sel­tene Rotal­gen wach­sen dort und nimmt man einen Stein her­aus, ver­färbt er sich während des Trock­nens in ein wildes Pink. Aber ob warm oder kalt, Quellen haben Men­schen immer schon fasziniert. Selb­st heute sind sie Ziel für und Ort von Erschei­n­un­gen. Wass­er gehört irgend­wie dazu, ob es die Taufe ist oder bei Mariener­schei­n­un­gen wie in Lourdes.

Irgend­wie habe ich den Ein­druck, dass die Archäolo­gen bei spir­ituellen Plätzen sich sehr an die materielle Kul­tur anlehnen. Viele alte Kirch­leins ste­hen auf noch älteren Kult­plätzen. Soll hier der einzige Grund jen­er sein, dass vorher auch schon etwas Religiös­es dort war? Oder vielle­icht gibt es bes­timmte Kräfte, die wir heute noch nicht messen kön­nen, so wie der Strom vor 200 Jahren etwas Magis­ches war.

In diesen offe­nen Flächen begin­nen sie riesige Mon­u­mente zu erricht­en, aus Holz Kreis­grabenan­la­gen, Steinkreise wie in Stone­henge, Men­hire, Dol­men. Was mich dabei fasziniert ist nicht nur, die tech­nis­che Begabung, die wir uns noch immer nicht ganz erk­lären kön­nen (Steine von weit her trans­portieren, das Aufricht­en, das Ineinan­der­fü­gen der viele Ton­nen schw­eren Steine…), son­dern auch der geistige (spir­ituelle) Hin­ter­grund, von dem wir nur ahnen kön­nen, was er sein kön­nte, aber auch wie viele Men­schen so viel Zeit opfern kon­nten, um diese Plätze zu dem zu machen, was sie sind. Es muss auch Über­fluss gegeben haben, denn das Essen und Trinken geht immer noch vor.

Alles erzählt uns etwas. Ich komme ins Schmun­zeln bei den vie­len The­o­rien. Warum denken sie so kompliziert?

Jahreszyklen sind für Bauern immer wichtig gewe­sen (siehe Bauernkalen­der), die dun­kle Jahreszeit grim­mig (siehe Per­cht­en in Salzburg und Tirol), das Gedenken an Ahnen (Aller­heili­gen und Allersee­len) in jed­er Kul­tur vorhan­den, das Ver­bun­den­sein ver­schieden­er Kult­plätze durch Wege (ob Jakob­sweg oder das Pil­gern nach Mari­azell) lange Tra­di­tion in vie­len Gesellschaften.

Vor 5100 Jahren began­nen Men­schen einen ersten Wall zu errichten.

Stone­henge stand von 3100 v. Chr. bis 1600 v. Chr. in Ver­wen­dung, verän­derte sich immer wieder, was ver­wun­dert erwäh­nt wird. Es sind 1500 Jahre. Was haben wir heute mit den Men­schen von 6. Jahrhun­dert gemein­sam? Wir haben keine Idee. Wir wür­den ihre Sprache nicht ver­ste­hen und das Essen würde uns wahrschein­lich auch nicht schmeck­en. Das ist ver­dammt lange her und in unser­er Kul­tur gab es Schrift, um Dinge fes­thal­ten zu kön­nen. Klar haben sich Bedeu­tun­gen und Rit­uale verän­dert. Wir feiern heute die Messe auch nicht mehr so, wie vor 100 Jahren. Wenn es nicht irgendw­er aufgeschrieben hätte, wir wüssten es nicht mehr.

Span­nend finde ich auch, dass es ein weit größeres Are­al umfasst. Dur­ring­ton Walls liegt 3,2 km ent­fer­nt, dort haben die Forsch­er der Lud­wig Boltz­mann Insti­tuts und der Uni­ver­sität Birm­ing­ham einen viel älteren Henge gefun­den. Die gesamte Gegend ist durch­zo­gen von ver­schiede­nen Ritualplätzen.

Was ich beim Besuch des Muse­ums gel­ernt habe, ist, dass meine Neugi­er unendlich groß ist, ich immer mehr wis­sen will, es immer noch etwas gibt, das ich ver­ste­hen will. Ich kann das Mys­ter­iöse ein­fach ste­hen lassen. Sein-lassen. Alte Plätze als Orte, der den Vor­fahren heilig war, als solchen annehmen. Ein Raum, dem ich mich nähere mit der Achtung vor ver­schiede­nen Religionsbildern.

Sie dienen immer dazu, das Unbe­grei­fliche fassen zu kön­nen. Und alle wis­sen, wir kön­nen es nicht. Glaube ist unan­greif­bar. Nur Ver­nun­ft und Weisheit ist ein guter Fre­und. Denn es bleibt uns nichts anderes als Respekt und Wertschätzung. Vielle­icht wäre heute wichtiger als alles andere, dass wir uns gegen­seit­ig respek­tieren. Son­st scheit­ern wir beim Men­sch­sein. Oft genug sind wir nicht fähig, das Glaubens­bild ander­er ste­hen zu lassen, ohne Wer­tung und Verurteilung. Wenn alle mit diesen Bildern so umge­hen, dann ist die Welt gerettet.

Suche nach dem Alten Europa

Die Aufre­gung stieg damals 2013, aber die Reise sollte anders ver­laufen als ursprünglich gedacht.

Ich plante sie, um mehr über meinen Vor­fahren zu erfahren und zwar jen­er Europäer, die zum ersten Mal diesen Kon­ti­nent betraten.

Wohin nur soll ich mit den Eindrücken,
wo ich in eine andere Welt eintauche.

Die Welt die Heimat und doch nicht Heimat ist.

Ich liebe kurze Aus­flüge in andere Wel­ten. Die Wel­ten sind vielfältig, egal ob Orte, Musik, Malerei, ein gutes Essen. Reisen ist eine Form, sich dem Uni­ver­sum zu öffnen.

Nach­dem mich die let­zten großen Reisen nach Aus­tralien und an die West­küste Nor­damerikas geführt hat­ten, wollte ich auch in Europa bleiben — in der Nähe mein­er Mutter.

9AEu
Zu den Beiträ­gen geht es hier lang.

Ich wollte dem näher kom­men, was die Men­schen, die als erste in Europa lebten, erfuhren. Es geht nach Frankre­ich. Dort gibt es viele Höhlen, die durch ihre Malereien und Fel­sritzun­gen berühmt sind. Ich bin ges­pan­nt, was es noch alles zu erzählen geben wird. Ich werde in die Dor­dogne fahren, um dort die let­zten Reste dieser Men­schen anzuse­hen, aber auch die Land­schaften auf mich wirken zu lassen, durch sie zogen.

Ich werde an meine per­sön­lichen Vor­fahren denken und an jene, die vor paar 10.000 Jahren aus Afri­ka nach Europa kamen. Die Reise wird ruhiger und besinnlich­er wer­den als frühere. Doch ges­pan­nt bin ich auch diesmal.

Uner­wartet und doch erwartet starb ver­gan­gene Woche meine Mut­ter. Sie wäre bald 81 gewor­den. Es wird also auch eine Reise wer­den, die ich ihr widme. Meine Mut­ter wird bei mir sein.

Alle Beiträge dieser Reise findest du hier.

 

Eine Höhle — alle Höhlen gesehen? FALSCH

Die Lim­i­tierung der Besuch­er ist nicht nur ein Schutz für die Höh­le, son­dern auch ein Gewinn für die Besuch­er. In kleinen Grup­pen ist die Führung intimer, für mich ganz intim, da ich nicht Franzö­sisch spreche. Nur an weni­gen Stellen hätte ich gern gewusst, was da alles erzählt wird. Aber so kon­nte ich mehr Staunen. Ich hätte ja über­all noch gerne Zeit für mich ver­bracht, aber das geht nun mal nicht. Und so ist es auch gut.

Das Selt­same ist, wenn ich mir Bilder betra­chte, ich deren Unter­schiede schon sehen kann, aber die Art der Höh­le hat noch ganz viel mit der Wirkung dieser Malereien, Zeich­nun­gen, Gravuren, Reliefs zu tun. Ich habe immer nur von der Wirkung der Bilder gele­sen, aber die Höh­le an sich hat ganz viel Ausdruckskraft.

Es ist ein Unter­schied, ob es eine schmale, niedrige Höh­le ist, in die man hineinkrabbeln musste, um etwas in den weichen Kalk­stein zu ritzen, ich aber die Begren­zun­gen der Höh­le rund um mich erkenne (Les Com­barelles). Um sie heute betreten zu kön­nen, wurde extra gegraben, damit wir aufrecht durchge­hen kön­nen. Irgend­wie nimmt uns dies die Chance zu erken­nen, wie es sich anfühlte, als vor 15000 Jahren in diese Wände ger­itzt wurde.

Com­barelles I enthält an die 800 Ritzze­ich­nun­gen. meist han­delt es sich um Tier­darstel­lun­gen, aber auch einige men­schliche Abbil­dun­gen sind zu sehen (ins­ge­samt 48). Am häu­fig­sten sind die Wildpferde, von denen an die 140 Abbil­dun­gen vorhan­den sind, gefol­gt von Wisen­ten, Aue­rochsen, Bären, Ren­tieren, Mam­muts und Hirschar­ti­gen. Men­schen­darstel­lun­gen sind meist nur stil­isiert dargestellt. Daneben gibt es abstrak­te Abbil­dun­gen, die soge­nan­nten tek­ti­for­men (von lat. tēc­tum = Dach) bzw. dachför­mi­gen Zeichen.

Sie krabbel­ten auf allen Vieren hinein, mit dabei waren Lam­p­en, die gefun­den wur­den, mit Tier­fett gefüllt und mit Wachold­erzweigen entzün­det. Frisch hinein­ger­itzt waren sie viel deut­lich­er sicht­bar als heute, denn der frische weiche Kalk­stein zeich­nete sich deut­lich weiß ab. Die Schat­ten, die durch das flack­ernde Licht gewor­fen wur­den, mussten viel lebendi­ger gewirkt haben, als heute.

Es muss eine sehr stille, med­i­ta­tive Stim­mung geherrscht haben, denn es war nur möglich hin­tere­inan­der in die Höh­le zu kriechen. Vielle­icht war es tat­säch­lich immer nur ein­er, der sich in die Tiefe des Berges vor­wagte, und hier auf eine sehr intime Art mit den Tieren kom­mu­nizierte. Wie in einem Traum muss die Dunkel­heit auf diese Men­schen gewirkt haben.

In der anderen, die ver­gle­ich­bar schmal ist, doch sich die Höh­le nach oben hin ver­liert, weil es 8 Meter hin­aufge­ht, ver­lor sich die Bedeu­tung des Men­schen auf andere Art und Weise. In Font-de-Gaume ist es nicht nur die Tiefe, die man ahnen kon­nte, die Tiere erhiel­ten Far­ben, sie wur­den größer und sie trat­en auch miteinan­der in Kon­takt. Der Hirsch, der sich zu äsenden Hirschkuh hin­abbeugt, über­raschte mir auf Grund der Zärtlichkeit, die dieses Bild ausstrahlt. Die Fack­eln oder Fet­t­lam­p­en kön­nen dies gar nicht ausleuchtet haben. Sie haben immer nur im direk­ten Umkreis sehen kön­nen. Und weil es nicht unheim­lich genug ist, haben sie noch einige Meter ober­halb des Bodens Tiere abge­bildet, die ich als Besucherin gar nicht sehen kann. Das bedeutet sie haben Gerüste gebaut oder sind auf den Schul­tern eines anderen ges­tanden. Die Art und Weise, wie hier mit den Tieren kom­mu­niziert wurde, fühlt sich völ­lig anders an. Es ist ein Unter­schied, ob ich liegend die Tiere verklein­ert in die Wände kratze, oder ob ich aufrecht ste­hend, vielle­icht noch erhöht, die gewaltige Kraft eines Büf­fels auf die Wand sprühe, mit der Farbe in meinem Mund. Es ist so als ob ich die Energie und Lebendigkeit in mich aufnehmen könnte.

Es war Font-De-Gaume, wo ich nochmal eine Führung auf Eng­lish mit­machte. Sie hat mich nicht so beein­druckt wie andere. Und auch die englis­che war nicht so gut. Vielle­icht nehmen sie viel von der Impres­sion des Ganzen, da auf den verkauften Bildern die Objek­te viel deut­lich­er zu sehen sind, als in der Höh­le selb­st. Deshalb wollte ich auch nochmal hinein. Lei­der erschien mich das viel mehr an eine Verkaufsver­anstal­tung zu erin­nern. Wenn mir ein ander­er sagt, dass etwas gewaltig ist und ich beein­druckt sein muss, stiehlt er mir mein Gefühl. Sie zeich­nen mit einem Point­er die Gestalt der Tiere nach und ich kon­nte mir nicht helfen, es enthielt viel mehr von der Über­raschung dieses Tier zu erken­nen, als von dem Fak­tum, dass hier ein Men­sch einen Büf­fel oder einen Hirsch darstellen wollte.

Doch die riesige Höh­le in Rouffini­ac über­fiel mich völ­lig uner­wartet. Es ging tief hinein, viele Abzwei­gun­gen macht­en es zu einem Aben­teuer für sich. 700 Meter sind wir mit ein­er kleinen Eisen­bahn hineinge­fahren. Über­all Abzwei­gun­gen, Löch­er, die ins schwarze tiefe Unbekan­nte gin­gen, die Ausspülun­gen, die ein Fluss, viele Jahre bevor ein Men­sch die Höh­le betrat, als bizarre Bilder zeich­nete, nah­men mir den Atem. Und dann taucht plöt­zlich eine Herde von Mam­muts auf, die sich hin­tere­inan­der auf unbekan­ntes Land zu bewegten. Men­schen stiegen in diese Untiefen hinab, um unten weit­ere Bilder zu zeich­nen. Und in dem heute riesi­gen Saal lagen sie am Rück­en, zeich­neten Tiere in real­is­tis­ch­er Größe, die sie nicht ein­mal als Ganzes sahen, denn der Abstand zu Decke, war nur sehr ger­ing. Während in Com­barelles die seitlichen Wände benutzt wur­den, ist hier auch die Decke als Bett für diese Tier­bilder ver­wen­det wor­den. Auf dem Rück­en liegend hat ein Men­sch mit Manganox­id die Umrisse wirk­lichkeits­ge­treu zeich­nen kön­nen, ohne die großen Tiere jemals kom­plett erfassen zu kön­nen, weil es nicht möglich war, einen Schritt zurückzugehen.

Mein Entschluss Pech-Mer­le zu besuchen war richtig. Hier fand ich erst­mals nicht nur einen Saal. Es war kein Ort, den ein­er allein auf­suchen musste, hier war Platz für viele. Die Fußab­drücke von einem Jugendlichen und kleinen Kindern, die hier kon­serviert wur­den, geben davon Zeug­nis. Als uns die Höh­le gezeigt wurde und das Echo der Führerin den Raum erfüllte, legte bei mir einen Schal­ter um. Ich hörte Trom­meln und Stim­men, die hier die Winkeln und Eck­en aus­füll­ten. Zu den Bildern gesell­ten sich die Sta­lak­titen und Sta­lag­miten, die den Raum zusät­zlich verzierten. Hier war endlich auf Platz für Bewe­gung und Tanz. Hier waren es andere Dinge, die zu beson­deren Erfahrun­gen ein­lu­den. Ob Manganox­id tat­säch­lich, wenn es mit Spucke ver­set­zt, bewusst­seinsverän­dernde Zustände aus­löst, wie ich wo lesen kon­nte, weiß ich nicht. Doch die zahlre­ichen Umrisse von Hän­den, die damit erzeugt wur­den, lassen diese Idee glaub­haft erscheinen.

Höhlen waren Plätze, die nie als Wohnorte dien­ten. Anders als in den Abri oder Über­hän­gen, wo unglaublich viele Über­reste des All­t­agslebens gefun­den wur­den, waren dort kaum vorhan­den. Es waren beson­dere Stellen, die zu beson­derem ein­lu­den und auf­forderten. Tief, viel tiefer als ich mir je vorgestellt habe, sind Men­schen in diese Höhlen hinein und haben dort etwas hin­ter­lassen, das wir heute nur inter­pretieren kön­nen. Das Geheim­nis wird ver­bor­gen bleiben. Doch da diese etwas so Beson­deres sind, wer­den es für mich spir­ituelle Orte sein. Orte, wo man mit ein­er anderen Welt Kon­takt auf­nahm. Was immer sie dort erlebten, es wird ihnen im All­t­ag eine Hil­fe gewe­sen sein. Denn wäre es nicht so gewe­sen, wozu hät­ten sie diese Unan­nehm­lichkeit­en auf sich genom­men. Es wird einen Nutzen gehabt haben. Vielle­icht sind wir diejeni­gen, die etwas ver­loren haben, da wir nicht mehr fähig sind, auf diese Hil­fe zurück­greifen zu können.

Wer von uns würde tief hin­ab­steigen, um ein Bild eines Com­put­ers oder eines Autos zu zeich­nen. Wieviel Gegen­stände unser­er Welt haben eine tief­ere Bedeu­tung und wären so wichtig für uns, dass wir darauf ver­traut­en, dass sie mehr als “nur” ein Gegen­stand sind? Dass sie uns mehr geben kön­nten, als das, wozu wir sie kon­stru­ierten? Wir glauben in ein­er reicheren Welt zu leben, doch ist es wirk­lich so? Ver­spricht die Real­ität mehr als unser Geist und unsere Fan­tasie und Träume?

Ich hätte gern mehr Zeit für mich gehabt, aber das ist aus ver­ständlichen Grün­den nicht möglich. Für mich sind es spir­ituelle Orte und der alltägliche Touris­ten­strom erlaubt es nicht, sie auf eine andere Art zu erfahren. Es ist nicht möglich, so vie­len Men­schen diese Zeit zu geben.

Welche Hin­ter­gründe hin­ter den Tieren, den sex­uellen Abbil­dun­gen und abstrak­ten Motiv­en ste­hen, weiß ich nicht. Auss­er Respekt und Achtung bleibt mir nicht viel zu sagen.

Grotte du Peche-Merle

Keine Höh­le vorher hat so zum Tanzen ein­ge­laden wie diese. Es war unglaublich. Tanzen und Sin­gen in einem wun­der­baren Ball­saal mit leuch­t­en­den Sta­lagtiten und Stalgmiten.
Wielange wuch­sen die bizarren Girlan­den hier herunter?
Kein Wun­der, dass Men­schen hier ihre Hand­ab­drücke hinterließen.
Ich hätte so gerne laut gesun­gen, aber die geführte Tour hat es ver­boten. Was wäre passiert, wenn ich es gewagt hätte? Doch ich hörte sie sin­gen und spürte den Trom­melschlag. Die Fußspuren der Jugendlichen und Kinder, die wir zu sehen beka­men, sprachen davon.
Zu gerne hätte ich eine Fet­t­lampe entzün­det. Wieviel hätte man gese­hen, wieviel wäre im Dunkeln ver­bor­gen geblieben? Welch ein wun­der­bar­er Abschluss mein­er Reise! Auch diese Höh­le bewieß mir, dass jede etwas Beson­deres ist.
fotopech

Abri du Moustier und Gisement de la Ferrassie

IMG_0536-001


Die bei­den Fund­stät­ten im Val­lée Vézère geben Zeug­nis über die Beliebtheit dieser Land­schaft über Jahrtausende. Es sind Wohn­plätze und zahlre­iche Funde geben davon Zeugnis.

Nean­der­taler lebten dort vor 300.000 Jahren eben­so wie die Cro-Magnon Men­schen, die später in dieses Tal kamen. Die Funde sind manch­mal irri­tierend, denn man kann nicht mit 100%iger Sicher­heit sagen, ob sie nicht noch gle­ichzeit­ig dieses Tal auf­sucht­en. Der derzeit­i­gen Wis­sen­stand läßt diese Aus­sage noch nicht zu. Aber in La Fer­rassie graben sie derzeit regelmäs­sig und es scheint, als ob hier bald Uner­wartetes für die Urgeschichte zu tage treten wird. Noch wird aus­gew­ertet und die Datierung, die ein sehr teures Unter­fan­gen ist, find­et ger­ade statt.

Die bei­den Skelette sind Nean­der­taler, die im Musée in Les Eyzies aus­gestellt sind.

IMG_0537

Ich habe zahlre­iche Doku­men­ta­tio­nen in den let­zten Wochen angeschaut und da hörte ich erst­mals, dass bes­timmte Gene des Nean­der­talers zeigen, dass er eine weiße Haut­farbe und rote Haare hat­te. Ganz anders als man ihn noch vor weni­gen Jahren als grob­schlächti­gen Früh­men­schen sah. Viele neueste Erken­nt­nisse erzählen uner­wartet “mod­ernes” von ihm. Die Nean­der­taler waren Großwild­jäger, die sicher­lich auch wegen der kli­ma­tis­chen Umstände mehr Fleisch als Beeren und Wurzeln zu sich nah­men.
Aber sein kräftiger Kör­per­bau und seine gedrun­gene eher rundliche Form ist eine Anpas­sung an die Eiszeit, so wie auch die Inu­it eher klein und gedun­gen sind, im Gegen­satz zu den hochgewach­se­nen Afrikan­ern, deren Kör­per­bau nichts mit unseren Schön­heit­side­alen, son­dern mit den kli­ma­tis­chen Gegeben­heit­en zu tun hat.

IMG_0538

Die Wohn­stät­ten in diesem Tal befan­den sich nie im Inneren von Höhlen son­dern unter geschützten Über­hän­gen (Abri Cap Blanc). Höhlen wur­den oft von gefährlichen Tieren, wie Höh­len­bär, Höh­len­hyä­nen und Höh­len­löwen als Quarti­er aufge­sucht. Es sind keine Plätze, wo man sich beruhigt zurückziehen kann, son­dern Orte, die eine erhöhte Aufmerk­samkeit erfordern. Egal ob ein gefährlich­es Tier in der Höh­le wartete oder ob es von außen reinkam, irgend­wie war man hier vielfach bedro­ht. Ein Über­hang hinge­gen ver­sprach Sicher­heit zumin­d­est von ein­er Seite.

IMG_0522

An bei­den Orten gab es Über­hänge (Abri oder Shel­ter) an weit­er oben gele­ge­nen Stellen und an tief­er­en, wobei ger­ade die tief­er­en durch Früh­jahrsüber­schwem­mungen zahlre­iche Funde kon­servierten. Bei diesem Beispiel sieht man wieviele Über­reste die Her­stel­lung von Stein­werkzeug in den ver­schiede­nen Schicht­en vorhan­den sind. Anfangs fragte ich mich, ob es nicht ungemütlich gewe­sen sein muss, wenn diese vie­len schar­fen Split­ter rum­la­gen. Aber nach ein­er Unter­hal­tung mit Fran­cois, eine der wun­der­baren Führerin­nen, erkan­nte ich, dass  dieser “Abfall” sicher­lich nicht mit­ten im Wohn­bere­ich lag.

Es gab keine Behausun­gen, die das gesamte Jahr benutzt wur­den. Als Jäger und Samm­ler waren sie unter­wegs und lebten dort, wo aus­re­ichend Nahrung zu find­en war. Und wenn die Tiere weit­er­zo­gen, wan­derten auch sie weit­er. Und dann kam eine heftiger Regen­fall und deck­te die Schicht mit den Stein­split­tern zu. Als sie das näch­ste Mal wiederka­men, war nichts mehr von den Über­resten zu sehen. So ging es über viele Jahrtausende. Ich muss immer wieder innehal­ten, wenn ich an den Zeitrah­men denke. 90.000 bis 10.000 Jahre und unsere Geschichte? Europa vor 100 Jahren, vor 500 Jahren, Mit­te­lal­ter, Römer, erste Acker­bauern… was haben wir aus diesem Land gemacht.

Ich habe heute wo gele­sen, “Mir hat auch nie­mand gesagt, wie man Kap­i­tal­ist wird.” Ich habe nicht das ger­ing­ste Bedürf­nis, das zu hören noch zu ler­nen. Wo ste­hen wir heute? Sind wir wirk­lich ein Höhep­unkt der Evo­lu­tion? Ist es nicht nur ein Ver­such zu schauen, wohin es führt, ein Gehirn wie unseres zu besitzen. Das Spiel ist noch nicht zu ende. Wir wis­sen nicht, ob wir gewon­nen haben. Und es ist kein Men­sch-ärg­ere-dich-nicht, wo wir ein­fach von Neuem beginnen.

Ich hat­te das Glück, bei diesen Unterkün­ften (Le Pois­son, Cap Blanc, La Fer­rassie und Mousti­er) alleine die Führung gebucht zu haben. So kon­nte ich Fra­gen stellen, innehal­ten, die Umge­bung auf mich wirken lassen. Sie lagen alle in südlich­er Rich­tung und so wur­den alle von der Sonne gewärmt. Das Gefühl bei ihnen war immer anders als in den Höhlen. Fre­undlichkeit, gute Stim­mung, lustige Lieder kamen mir in den Sinn, wenn ich mich dort umsah. Auch wenn heute alles bewach­sen und Bäume die Aus­sicht versper­ren, sind es gute Plätze, um hier Zeit zu verbringen).

IMG_0593


Nach­den­klich stimmt mich nach­wievor, dass zu einem bes­timmten Zeit­punkt eine Fam­i­lie beschloss, ihre Mit­glieder dort zu begraben. In Cap Blanc wurde ein Grab gefun­den, in La Fer­rassie lagen Erwach­sene im West­en und Jugendliche und Kinder im Osten. Die Forsch­er gehen davon aus, wenn ein gesamtes Skelett eines Men­schen gefun­den wird, im beson­deren die Fuß­knochen, denn die sind es die als erste “ver­loren” gehen, dass eine Bestat­tung stattge­fun­den hat. In Fer­rassie wur­den ins­ge­samt 8 Skelette gefun­den. Mulden, wie jene, wo diese lagen, gab es mehr. Es waren Nean­der­taler, die hier Ange­hörige zur let­zten Ruhe bet­teten. Darunter war ein Neuge­borenes, nur wenige Tage alt. Es ist die älteste Begräb­nis­stätte von Nean­der­taler in Europa. Ob Nean­der­taler so gefühlt haben wie wir heute? Ich glaube, es war nicht so viel anders. Sie kan­nten Trauer und Ver­lust, vorallem viel unmit­tel­bar­er als wir heute. Wie oft sind wir uns unser­er Vergänglichkeit bewusst? Wie sehr blenden wir heute Alter und Tod aus? Wie oft glauben wir, dem Tod entkom­men zu sein, indem wir uns ein­er Illus­sion der ewigen Jugendlichkeit hingeben?  Vielle­icht ist dieser Traum zu tief­st men­schlich, ob homo sapi­ens oder homo nean­der­tal­en­sis. War es ein Sym­bol für die Ewigkeit, als Men­schen vor 40–45.000 Jahren diese Zeichen in La Fer­rassie hinterließen?

IMG_0594

Und falls dich, diese Zahlen nicht irri­tieren, sie soll­ten es, denn es ist ein Zeichen dafür, dass Nean­der­taler und Cro-Magnon-Men­sch nebeneinan­der in Europa lebten. Und wer weiß, wer diese Sym­bole hin­ter­ließ, die aus jen­er Zeit stammen?

Musée national de Préhistoire — Les Eyzies-de-Tayac

Stein­werkzeuge, Klin­gen, Sch­aber … Unzäh­lige bear­beit­ete Steine.

Trotz der gelun­genen Ausstel­lung ver­ste­he ich nun, dass Muse­um­späd­a­gogik ein wichtiger Bestandteil sein muss. Wis­senschaftler ver­lieren vielle­icht in ihrem Eifer und Begeis­terung den Überblick, mit welchem Wis­sen ein sim­pler Besuch­er ins Muse­um kommt.

Mir ist wichtig, dass in Museen wis­senschaftlich gear­beit­et wird, und dass Platz auch für jene Wis­senschaftler ist, die nicht an diesem Muse­um arbeit­en. Aber ein wesentlich­er Punkt ist, das Museen der bre­it­en Öffentlichkeit den Wis­sens­stand in einem Fachge­bi­et näher bringen.IMG_0509

Hier in Les Ezyies sehe ich den Stolz der Wis­senschaftler, die gefun­de­nen Objek­te zu präsen­tieren. Aber ich bin der Mei­n­ung, dass in diesem Fall weniger mehr wäre. Bei besten Willen kann ich nichts mit­nehmen, wenn ich vor 100 für mich völ­lig gle­ichar­ti­gen Faustkeile liegen und zwar jew­eils Hun­derte für jede Peri­ode, wenn mir nicht jemand erk­lärt auf was ich zu acht­en habe, wird es ein großer Eintopf.

_MG_6756

Dank der Führun­gen, die ich Mousti­er und le Fer­rassie hat­te, ver­stand ich ein wenig mehr. Aber ist es eigentlich nicht tragisch, dass ich zulet­zt ins Muse­um gehen hätte sollen, um die dort aus­gestell­ten Objek­te zu ver­ste­hen? Das ist doch ein Wider­spruch in sich.

Es wäre für mich viel sin­nvoller gewe­sen, an Hand weniger Faustkeile (Biface auf Franzö­sisch klingt ein­fach ele­gan­ter als Faustkeil auf Deutsch) aufzuzeigen, dass dieses Werkzeug seit 1,5 Mil­lio­nen Jahren ange­fer­tigt wur­den. Nur kurz zum Ver­ständ­nis, zu jen­er Zeit existierten noch ver­schiedene Hominiden-Arten in Afri­ka und die benutzten Faustkeile als Unter­stützung in ihrem Leben. Es ist also noch ein langer Weg bis zum mod­er­nen Men­schen. Denn vom Homo sapi­ens, so wie wir sind, kann erst früh­estens vor 200.000 Jahren gesprochen wer­den. Ich sollte genauer sein. Die Datierung des mod­er­nen Men­schen ist nicht ganz so ein­fach. Auf der einen Seite ver­sucht man die beson­deren Merk­male der ver­schiede­nen Homo festzuhal­ten. Bei Nean­der­taler sind das die beson­deren Augen­wül­ste, die flachere Stirn im Gegen­satz zu uns, das Kinn, das weniger her­vor­tritt als das unsere, und die Schädelform, die nicht so rund ist, wie der unsere.

Ich bin fasziniert, wenn ich daran denke, dass die ersten bear­beit­eten Steine, die Vorgänger der Faustkeile, der Chop­per, bere­its vor 2,6 Mill. Jahre in Ver­wen­dung waren. Durch die Führun­gen die Tage zuvor haben mir die vie­len Stein­werkzeuge etwas näher gebracht.

Es ist beein­druck­end, wie geschickt die Steine bear­beit­et wur­den. Doch auch damals gab es geschick­tere und weniger geschick­tere. Es waren nie alle gle­ich begabt in jeglich­er Hin­sicht. Bei bei den Stein­werkzeu­gen hat sich eine Wis­senschaft­lerin die Mühe gegeben und die “Abfälle” sortiert, ihre Ent­fer­nung zur Feuer­stelle gemessen und die Qual­ität des Steines geprüft. Und es war so, je geschick­ter, um so näher kon­nte der­jenige am Feuer sitzen und umso bess­er war die Qual­ität des Steines, der bear­beit­et wurde. Gute Qual­ität durfte nicht ver­schwen­det werden. IMG_0564
Ich habe ver­sucht die beson­deren Klin­gen des Solutrèen einz­u­fan­gen, denn sie sind ver­dammt dünn. Von diesen hat man lange nicht soviele gefun­den, wie von den etwas robus­teren. Die Frage ste­ht im Raum, ob nicht viele dieser Klin­gen mehr rit­uellen Zweck­en dien­ten, als für den täglichen Gebrauch. Die Meth­ode hat sich nicht für län­gere Zeit und in einem größeren Raum aus­ge­bre­it­et. Sie zeigt aber, wie geschickt und gekon­nt diese Steine beschla­gen wurden.

Eine mein­er Frem­den­führerin­nen erzählte, dass ein Archäolo­gen, der dur­chaus ver­siert in der exper­i­mentellen Archäolo­gie ist, beim Ver­such diese Klin­gen eben­falls herzustellen,  kläglich scheit­erte. Es gelang ihm nicht die Steine in dieser Fein­heit zu bearbeiten.

IMG_0578

Um einen Ein­druck zu gewin­nen, wie ein Fund­platz aussieht und wo Archäolo­gen bud­del­ten, um Klin­gen zu find­en, wurde ein solch­er Fund­platz in die Ausstel­lung aufgenom­men. Ichh ver­mute, dass anfangs die Klin­gen von dem umgeben­den Stein oder Sand gar nicht unter­schieden wer­den konnten.

Beson­ders berührend waren für mich die Skelette.  (Nean­der­taler Skelette werde ich bei den jew­eili­gen Fund­stellen, die ich besuchte, zeigen.) Am lieb­sten hätte ich sie in ein Grab gelegt. Das Bewusst­sein, dass es Men­schen sind, mit denen ich wenn auch nur weitläu­fig, aber doch ver­wandt bin, ließ mich still und ruhig wer­den. Auch wenn es vielle­icht lächer­lich erscheinen mag, aber mir war es wichtig, jedem eine Form von Gebet zukom­men zu lassen, mit dem Wis­sen, dass alles einen guten Weg geht, wenn es aus einem guten Herzen kommt. Das Mascherl, das Reli­gio­nen so gerne um Men­schen hän­gen, ist irrel­e­vant. Entwed­er gibt es etwas Höheres oder nicht. Und wenn es etwas  Höheres gibt, dann wird es wohl nicht genau­so beschränkt denken wie Menschen.

9_les_eyz1

Merken