Als ich mich auf die Reise vorbereitete, entdeckte ich immer mehr Museen, die sich mit sehr alter Geschichte, der Jungsteinzeit, aber auch Bronzezeit beschäftigen.
Das erste dieser Art, das ich besuchte, liegt am Bodensee. Es sind beeindruckend viele Häuser errichtet worden. Ich freute mich, dass im Eintrittspreis eine Führung inbegriffen war, wurde allerdings enttäuscht. Die Information war für Kinder aufbereitet und das erklärt vielleicht den Preis, den dieses Museumsdorf für Familienferien erhalten hat. Es kann aber auch sein, dass dieses Beplätschert-Werden mir zu wenig Freiraum für meine Phantasie bietet. Einige Häuser kann man nur mit der Führung betreten, darf nicht fotografieren und so steht man etwas gedrängt in den kleinen Häusern und verläßt sie auch schon wieder, sobald der Vortrag zu Ende ist.
Sie sind sehr stolz Teil des Weltkulturerbes zu sein, als ich jetzt nachlas, sind insgesamt 111 Fundstellen rund um den Alpenraum, die als Fundstellen von Pfahlbauten zu diesem zählen.
Neu für mich war die Verwendung des Zunderschwamms. Ich kannte diesen Schwamm, der an Bäumen wächst, doch Name und Funktion waren mir unbekannt. Wie mühselig für uns heute die Verwendung ist, habe ich durch den Beitrag auf Youtube erfahren, wo Survival-Trainer die Verwendung zeigen.
Was mir als Bibliothekarin am meisten in Erinnerung bleiben wird, war der Hinweis auf das Urheberrecht, als ich Nachbildungen von bronzezeitlichen Werkzeugen und Models fotografieren wollte. Mir ist es noch immer nicht klar, warum Steinbeile, von denen ich etliche im Internet finden kann, dort vor Ort nicht fotografieren darf.
Dass dies nicht immer so ist, erfuhr ich im Laténium am Neuenburger See. Doch davon später.
Sonnenstrahlen werfen eine Idee ihrer Kraft über den See, der ein Überrest längst vergangener Zeiten ist. Mir ist, als hätte der Gletscher vergessen, wie er ganz verschwinden könnte. Überall ruft mir die Eiszeit ganz leise, doch ohne Unterlass zu: “Wer schaut, kann finden. Ich schlafe nur. Meine Größe spielt keine Rolle, es ist ein stetiges Kommen und Gehen.”
Erinnerung aus lang vergangener Zeit kommt hoch, die Unsicherheit, je etwas richtig zu machen.
Nicht ich stelle diese Frage, denn für mich ist alles richtig. Die anderen besitzen Wahrheiten, von denen ich nichts weiß. Das Geschenk dieser Unsicherheit war immer schon Aufmerksamkeit, die mich mit großer Dankbarkeit erfüllt. Sie lehrte mich zu schauen, ohne zu urteilen. Dieses Beobachten hat einen besonderen Partner, der den Grund alles Handelns verstehen wollte.
Und so schaue ich über das Silberland zum Silbersee in die Vergangenheit.
Vor 2 Jahren bin ich, von Los Angeles aus die Westküste bis nach Vancouver gefahren. Als ich entdeckte, dass es auch Höhlenmalereien in Nordamerika gab, war klar, dass ich diese auch besuchen wollte. Von Santa Barbara aus bin ich mit meinem Mietauto in die Berge und als ich vor der Höhle stand, war vor allem die beeindruckende Felsformation, die mich als erstes feselte. Sie bildet auch den Hintergrund für diesen Blog. Die Formen, die sich dezent als Bett für diese Reise anboten, begleiten uns in den kommenden Wochen.
In der Wikipedia habe ich folgende Informationen zu dieser Höhle gefunden:
“The smooth and irregularly-shaped shallow sandstone cave contains numerous drawings apparently depicting the Chumash cosmology and other subjects created in mineral pigments and other media over a long period ranging from about 200 up to possibly 1000 years or more.”
Mit diesen Bildern endet nun der Rückblick, den ich vor einigen Tagen vorbereitet habe. Inzwischen sind bereits aktuelle Artikel veröffentlicht worden, aber ich dachte, es waren unter anderem auch diese Höhlen, die mich zu dieser Reise anregten, deshalb möchte ich sie gerne noch einmal erwähnen.
Denn es dauerte lange, bis ich Fragen zu stellen begann, die mich erst auf diese Gemeinsamkeiten brachten. Ich bin in mitten der Berge Tirols aufgewachsen. Mein erster Blick morgens fiel auf die Nordkette und zwar so, dass ich kaum den Himmel zu sehen bekam. Um so mehr genoss ich es, als ich dann endlich meinen Blick frei über das Land ziehen lassen konnte.
Es war der Uluru, ein Inselberg, der für uns heute so unvermutet und unverständlich einsam mitten im Outback erscheint. Ich und meine Neugier wollten wissen, welches Geheimnis dahinter steht. Da begann mein Abenteuer mit der Geologie. Denn so einsam ist er nicht, er steht in Zusammenhang mit den Kata Tjuta
.
Ein Gebirge im Süden dieser beider Felsformationen, die Vorläufer der heutigen Musgrave and Petermann Ranges, wurden unter anderem durch Flüsse abgetragen. So wie heute im Himalaya der Ganges oder der Indus laufend das Gebirge abträgt, so wurde auch vor ein paar 100 Millionen Jahren ein Schwemmkegel gebildet, der später Uluru und Kata Tjuta bildete. Inzwischen wurde dieser Schwemmkegel gepresst, verformt und teilweise um 90° gedreht.
Weiter oben am Schwemmmkegel blieben die größeren Kiesel liegen, die du oben bei den Bildern von den Kata Tjuta sehen kannst. Die Aborigines haben das Besondere dieser Gegend immer schon erkannt. Das ganze Gebiet der Kata Tjuta ist ein heiliger Platz der Männer. Nur 2 ausgeschilderte Wege sind für andere Besucher offen.
Was hat nun der Bodensee und Schottergruben gemeinsam?
Beginnen wir einmal mit den Sand- und Schottergruben. In Australien habe ich gelernt, wie Sand und Schotter sich unterschiedlich ablagern. Der feine Sand wurde gepresst und bildete den Uluru (es war schon um einiges komplizierter, aber für ein grobes Verständnis reicht es mir), die größeren Steine blieben weiter oben liegen, als das Gebirge abgetragen wurde. Auch sie wurden gepresst und bilden heute die “Vielen Köpfe”, wie die Übersetzung der Kata Tjutas lautet.
Sand und Schotter sind also Ergebnisse von Abtragungen eines Gebirges.
In Tirol sind das die Alpen. Aber es ist weder der Ganges noch der Indus, sondern der Inn, der durch das Land fließt. Doch gerade mal 10.000 Jahre ist es her, da floss der Inn nicht in Form von Wasser, sondern als Eis durch das Tal. Es war die Würm-Eiszeit, die letzte von vielen. Die Arktis ist “erst” seit 2,7 Millionen Jahren vergletschert. Davor war es in erster Linie warm auf unserem Planeten. Seit dieser Zeit wechseln sich wärmere und kältere Phasen ab. So befinden wir uns heute auch in einer Zwischeneiszeit. Die Pole sind immer noch vereist, die Gletscher in den Alpen, dem Himalaya und anderen Gebirgen schmelzen zwar, sind aber immer noch Zeichen, dass wir uns in einem Zeitalter befinden, in der die Erde zufriert.
Als ich nun von Wien aus Richtung Tirol fuhr, schaute ich aufmerksam, ob ich Kennzeichen dieser Eiszeiten erkennen konnte. Und es waren viele. Denn der Bodensee ist ein Zungenbeckensee, der erst vor 10.000 Jahren entstand. Gemeint ist hier die Gletscherzunge des Rheingletschers. Das gibt mir ein gewisses Gefühl, wie riesig diese Gletscher waren.
Der Inntalgletscher trug Teile des Talbodens ab, aber ließ auch ausreichend . Das konnte ich an den verschiedenen Stufen am Mittelgebirge sehen. Aber ich konnte endlich auch besser verstehen, warum es weiter unten eine Stufe gab. Die letzte, die Würmeiszeit (115.000–10.000 Jahre) war nicht so mächtig. “Nur” 600m dick war der Gletscher, der sich durch das Tal zwängte. Doch in früheren Eiszeiten, der Rißeiszeit, wurde der Eispanzer noch viel dicker. Erst jetzt habe ich mich gefragt, ob das Rangger Köpfel durch Eis zu seinem Glatzkopf gekommen ist, oder ob “nur” Wind und Regen zu dieser Form geführt haben.
Wer es jetzt noch nicht weiß, dem sei’s nun verraten. Die Sand und Schottergruben sind Reste der Eiszeiten, ebenso wie der Bodensee.
Mulka’s Cave ist für mich eine ganz spezielle Höhle. Nicht weil sie so besonders und einzigartig ist, im Gegenteil, es finden sich zahllose Abbildungen von Händen in aller Welt.
Doch damit beginnnt das Band zu Europa, denn Nordspaniens Höhlen behergen Abbildungen, die denen in Westaustralien wie ein Ei dem anderen gleichen. Doch die Schwierigkeit, die bei der Datierung solcher Malereien in Australien erwachsen, da sie regelmässig erneuert und lange Zeit Bestandteil lebendiger Rituale waren und sind, gibt es in Europa nicht. Wir haben auf sie vergessen. Das erlaubte aber eine andere Möglichkeit der Datierung. Pike und seine Kollegen datierten die Malereien indirekt: über Kalkablagerungen, die sich wie winzige Stalaktiten im Laufe der Zeit auf den Höhlenbildern gebildet haben. Dafür nutzten sie die sogenannte Uran-Thorium-Datierung. Sie basiert auf dem radioaktiven Zerfall von Uran zu Thorium. Aus dem Verhältnis dieser beiden Atomsorten in den Kalkablagerungen konnten die Forscher ermitteln, wann sich diese auf den Höhlenwänden gebildet hatten. Dies gab ihnen das Mindestalter der darunterliegenden Höhlenmalereien an.
Damit sind diese Hände, die ältesten ihrer Art in Europa. Die Nordspanischen Höhlenmalereien sind jenen, die ich hier in Australien fotografiert habe, zum Verwechseln ähnlich.
Die Geschichte, die dort an Schautafeln erzählt wird, kann ich nicht wirklich glauben, zuviele Dinge sprechen dagegen.
So wie es jetzt in Wikipedia nachzulesen ist, konnte ich es damals vor Ort lesen.
Mulkas Geist vertrieb der Überlieferung nach die Urbevölkerung. Mulka, schielender illegitimer Sohn eines heimlichen Liebespaares zweier miteinander verfeindeter Stämme, lebte dieser Legende nach in einer Höhle. Frustriert über seinen Sehfehler entwickelte er sich zum Tyrannen der Gemeinschaft, jagte und fraß kleine Kinder. Als seine Mutter ihn deswegen zur Rede stellen wollte, tötete er auch sie. Mit dieser Tat wurde er endgültig zum Geächteten. Er floh aus seiner Höhle, wurde aber von seinen Verfolgern aufgespürt und erdolcht. Von kommenden Aboriginal-Generationen wurde die Vorstellung tradiert, der Geist Mulkas lebe noch in der Höhle. Traditionsgläubige Aborigines meiden heute noch die Gegend; jedoch erzählen im Dienste der Tourismusbehörde stehende Stammesgenossen täglich mehreren Besuchergruppen diese Geschichte.
Warum kann ich es nicht recht glauben? Waverock ist viel zu faszinierend. Eine Welle aus Granit, die über 60 Millionen Jahre durch Sand zu dieser unglaublichen Formation geformt wurde, ist zu markant, als dass sie einfach aufgegeben wird. Aber was in meinen Augen noch viel wichtiger ist, sind die vielen Wasserstellen, die es rund um diese Granitfelsen gibt, Seen, aber auch ganz kleine Wasserlöcher (die zu einem kleinen Lehrpfad zur Lebensweise der Aborigines gehörte). Also ich glaube nicht, dass es dort keine Aborigines mehr gegeben hat.
Was ich als besonders empfinde, ist, dass man nur gebückt die Höhle betreten kann: der Eingang ist knapp 1 Meter hoch. Doch auch, dass es sich um eine Durchschlupfhöhle handelt, berührt mich. Auf der einen Seite wurden solche Höhlen immer wieder für Übergänge verwendet, von einer Welt in die Nächste. Andererseits gibt es eine solche Höhle gleich bei mir zuhause. Und auch sie wurde vor 6–7.000 Jahren von Menschen genutzt. Man fand Artefakte, die auf diese Zeit datiert wurden. Ich spreche vom Steinernen Stadl. Bergsteiger sprechen von einer der extremsten Bouldersites in Niederösterreich, denn die Höhle muss praktisch immer im horizontalen Dach einer gewaltigen Steinbrücke durchklettert werden.
Als ich in Mulka’s Cave war, legte ich mich in ihrem Inneren auf einen großen, glatten Granitfelsen, schloss die Augen und begann zu träumen. Ein leises immer lauter werdenden Summen umfing mich. Rhythmisches Stampfen unzähliger Füße gaben der Melodie einen Rahmen. Es waren meine Ahnen, die mit mir tanzten. Ein ungeheures Glück durchflutete mich.
Als ich wieder die Augen öffnete, überlegte ich, ob ich durch die Höhle durch und bei der anderen Seite hinaus krackseln sollte. Doch ich befand mich nicht in einem Übergang, also schlüpfte ich still dort hinaus, wo ich hereinkam. Vom Dunkeln ins Helle hinaus, war ich für einige Zeit vom Sonnenlicht geblendet. Das war einer der Momente, die diese Reise zu etwas ganz besonderem machten
Die Erinnerungen führen mich nun in den Norden Australiens. Von Darwin aus besuchte ich den Litchfield und Kakadu Nationalpark . In letzterem befindet sich ein Felsmassiv mit dem Namen Nourlangie. Wie immer, wenn man mit einer Reisegruppe unterwegs ist, und im speziellen auf einer Eintagestour, läuft man eigentlich an allem vorbei, schießt ein Foto und hofft, daheim Zeit zu finden, dieses genauer anzusehen. Mir ist alles viel zu schnell gegangen. Es regnete täglich und zwar schüttete es wie aus Kübeln. Ich war zur Zeit des Monsuns, im Februar 2009, im Northern Territory. Aus diesem Grunde hielt ich mich auch nicht lange dort auf, denn ich wusste nicht, wie ich mich in so einem Klima fühlen würde. Es war dann nicht so schlimm, als ich mir vorgestellt hatte, denn ich kam ja gerade aus der Wüste und die hohe Luftfeuchtigkeit war ein Genuss für meine Nase.
Die Landschaft war so gesättigt, dass alles, als es zu regnen begann, innerhalb weniger Minuten mit Wasser bedeckt war und einzelne Flüsse, die Straßen querten. Mir gab zu denken, dass der ansonsten sehr geschwätzige hölländische Reiseführer sehr still wurde. Der schwere Pickup, der vor uns fuhr, wurde ein wenig abgetrieben und selbst unser Bus, gefüllt mit 20 Touristen, verlor wenige Sekunden die Bodenhaftung.
Doch das geschah erst, nachdem wir die Felsmalereien am Nourlangie gesehen hatten. Auf einigen Fotos kann man erkennen, wie die Blätter vom Nass der Regentropfen glänzen.
Was mich hier im Norden beschäftigte, war, dass hier die ersten Menschen Australien betraten. Heute verstehe ich, warum ich völlig verwirrt war, als ich begann darüber nachzulesen, denn die Daten widersprachen sich. Durch die Untersuchung des Genoms, das erst in den letzten Jahren erfolgte (genau 2011, während ich 2009 verzweifelt nach Quellen suchte, die irgendwie wissenschaftlich belegt waren), ist man heute sicherer als je zuvor (aber wer weiß diese Dinge schon mit Sicherheit?), dass die Australier vor 70.000 Jahren die ersten Auswanderer aus Afrika waren. Sie waren die ersten modernen Menschen, die loszogen, die Erde zu erobern. Vor ihnen waren allerdings Neandertaler und andere homo aus Afrika losgezogen. Neandertaler und moderne Menschen hatten heimliche Techtelmechtel in der Levante, was alle Nichtafrikaner, von den Afrikanern unterscheidet. Da soll noch einer sagen, dass der Mensch als Rassist geboren ist. So finden sich im Genom der Europäer 1–4% Neanderthaler-Reste.
Es brauchte einige Zeit, bis mir klar wurde, welchen Einfluß das Klima spielte. Unter anderem finden wir heute vieles nicht, weil es 100 Meter unter dem Meer verborgen liegt. Oft zogen die Menschen, der Küste entlang in unbekanntes Land. Da aber durch die letzte Eiszeit der Meeresspiegel teilweise bis zu 120 Meter unter dem heutigen lag, ist es nicht weiter verwunderlich, dass es manchmal schwierig ist, den Weg der ersten menschlichen Zugvögel nachzuvollziehen.
Zurück zum Nourlangie, dem Felsmassiv im Kakadu-Nationalpark: In Wikipedia kann man diese Geschichte zu im Nachlesen nachlesen:
Namondjok, die obere zentrale Figur der Malereien, hat sich wahrscheinlich der Inzucht schuldig gemacht. Allerdings muss man hierzu wissen, dass in der Aboriginal Kultur der Begriff Bruder und Schwester weiter gefasst wird und sie ein komplexeres Verwandtschaftssystem besitzen. Bruder und Schwester werden auch die Kinder der Mutter und die Brüder des Vaters genannt (bei uns Cousin und Cousine).
Namarrgon rechts von Namondjok ist ein Blitzwesen und eine zentrale Figur der Schöpfungszeit der Welt. Er ist für Gewitter und Stürme zu Beginn der Regenzeit verantwortlich. Das weiße Band, das von seinem linken zum rechten Knöchel reicht und Kopf und Hände verbindet soll einen Blitz darstellen. Er schlägt zusätzlich mit einer Axt auf die Wolken ein, um den Donner zu erzeugen.
Barrginj, die weibliche Figur unterhalb des Namondjok ist Barrginj, Namarrgons Frau. Ihre Kinder sind Al-yurr, die blau-orangen Grashüpfer dieser Region. Betrachtet man ihre Mythologie waren es die Al-yurr, die den Aboriginals die Sprache, das Gesellschaftssystem, ihren Glauben und ihre Moralbegriffe vermittelten.”