bordeaux avec une différence
Abri du Moustier und Gisement de la Ferrassie
Die beiden Fundstätten im Vallée Vézère geben Zeugnis über die Beliebtheit dieser Landschaft über Jahrtausende. Es sind Wohnplätze und zahlreiche Funde geben davon Zeugnis.
Neandertaler lebten dort vor 300.000 Jahren ebenso wie die Cro-Magnon Menschen, die später in dieses Tal kamen. Die Funde sind manchmal irritierend, denn man kann nicht mit 100%iger Sicherheit sagen, ob sie nicht noch gleichzeitig dieses Tal aufsuchten. Der derzeitigen Wissenstand läßt diese Aussage noch nicht zu. Aber in La Ferrassie graben sie derzeit regelmässig und es scheint, als ob hier bald Unerwartetes für die Urgeschichte zu tage treten wird. Noch wird ausgewertet und die Datierung, die ein sehr teures Unterfangen ist, findet gerade statt.
Die beiden Skelette sind Neandertaler, die im Musée in Les Eyzies ausgestellt sind.
Ich habe zahlreiche Dokumentationen in den letzten Wochen angeschaut und da hörte ich erstmals, dass bestimmte Gene des Neandertalers zeigen, dass er eine weiße Hautfarbe und rote Haare hatte. Ganz anders als man ihn noch vor wenigen Jahren als grobschlächtigen Frühmenschen sah. Viele neueste Erkenntnisse erzählen unerwartet “modernes” von ihm. Die Neandertaler waren Großwildjäger, die sicherlich auch wegen der klimatischen Umstände mehr Fleisch als Beeren und Wurzeln zu sich nahmen.
Aber sein kräftiger Körperbau und seine gedrungene eher rundliche Form ist eine Anpassung an die Eiszeit, so wie auch die Inuit eher klein und gedungen sind, im Gegensatz zu den hochgewachsenen Afrikanern, deren Körperbau nichts mit unseren Schönheitsidealen, sondern mit den klimatischen Gegebenheiten zu tun hat.
Die Wohnstätten in diesem Tal befanden sich nie im Inneren von Höhlen sondern unter geschützten Überhängen (Abri Cap Blanc). Höhlen wurden oft von gefährlichen Tieren, wie Höhlenbär, Höhlenhyänen und Höhlenlöwen als Quartier aufgesucht. Es sind keine Plätze, wo man sich beruhigt zurückziehen kann, sondern Orte, die eine erhöhte Aufmerksamkeit erfordern. Egal ob ein gefährliches Tier in der Höhle wartete oder ob es von außen reinkam, irgendwie war man hier vielfach bedroht. Ein Überhang hingegen versprach Sicherheit zumindest von einer Seite.
An beiden Orten gab es Überhänge (Abri oder Shelter) an weiter oben gelegenen Stellen und an tieferen, wobei gerade die tieferen durch Frühjahrsüberschwemmungen zahlreiche Funde konservierten. Bei diesem Beispiel sieht man wieviele Überreste die Herstellung von Steinwerkzeug in den verschiedenen Schichten vorhanden sind. Anfangs fragte ich mich, ob es nicht ungemütlich gewesen sein muss, wenn diese vielen scharfen Splitter rumlagen. Aber nach einer Unterhaltung mit Francois, eine der wunderbaren Führerinnen, erkannte ich, dass dieser “Abfall” sicherlich nicht mitten im Wohnbereich lag.
Es gab keine Behausungen, die das gesamte Jahr benutzt wurden. Als Jäger und Sammler waren sie unterwegs und lebten dort, wo ausreichend Nahrung zu finden war. Und wenn die Tiere weiterzogen, wanderten auch sie weiter. Und dann kam eine heftiger Regenfall und deckte die Schicht mit den Steinsplittern zu. Als sie das nächste Mal wiederkamen, war nichts mehr von den Überresten zu sehen. So ging es über viele Jahrtausende. Ich muss immer wieder innehalten, wenn ich an den Zeitrahmen denke. 90.000 bis 10.000 Jahre und unsere Geschichte? Europa vor 100 Jahren, vor 500 Jahren, Mittelalter, Römer, erste Ackerbauern… was haben wir aus diesem Land gemacht.
Ich habe heute wo gelesen, “Mir hat auch niemand gesagt, wie man Kapitalist wird.” Ich habe nicht das geringste Bedürfnis, das zu hören noch zu lernen. Wo stehen wir heute? Sind wir wirklich ein Höhepunkt der Evolution? Ist es nicht nur ein Versuch zu schauen, wohin es führt, ein Gehirn wie unseres zu besitzen. Das Spiel ist noch nicht zu ende. Wir wissen nicht, ob wir gewonnen haben. Und es ist kein Mensch-ärgere-dich-nicht, wo wir einfach von Neuem beginnen.
Ich hatte das Glück, bei diesen Unterkünften (Le Poisson, Cap Blanc, La Ferrassie und Moustier) alleine die Führung gebucht zu haben. So konnte ich Fragen stellen, innehalten, die Umgebung auf mich wirken lassen. Sie lagen alle in südlicher Richtung und so wurden alle von der Sonne gewärmt. Das Gefühl bei ihnen war immer anders als in den Höhlen. Freundlichkeit, gute Stimmung, lustige Lieder kamen mir in den Sinn, wenn ich mich dort umsah. Auch wenn heute alles bewachsen und Bäume die Aussicht versperren, sind es gute Plätze, um hier Zeit zu verbringen).
Nachdenklich stimmt mich nachwievor, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Familie beschloss, ihre Mitglieder dort zu begraben. In Cap Blanc wurde ein Grab gefunden, in La Ferrassie lagen Erwachsene im Westen und Jugendliche und Kinder im Osten. Die Forscher gehen davon aus, wenn ein gesamtes Skelett eines Menschen gefunden wird, im besonderen die Fußknochen, denn die sind es die als erste “verloren” gehen, dass eine Bestattung stattgefunden hat. In Ferrassie wurden insgesamt 8 Skelette gefunden. Mulden, wie jene, wo diese lagen, gab es mehr. Es waren Neandertaler, die hier Angehörige zur letzten Ruhe betteten. Darunter war ein Neugeborenes, nur wenige Tage alt. Es ist die älteste Begräbnisstätte von Neandertaler in Europa. Ob Neandertaler so gefühlt haben wie wir heute? Ich glaube, es war nicht so viel anders. Sie kannten Trauer und Verlust, vorallem viel unmittelbarer als wir heute. Wie oft sind wir uns unserer Vergänglichkeit bewusst? Wie sehr blenden wir heute Alter und Tod aus? Wie oft glauben wir, dem Tod entkommen zu sein, indem wir uns einer Illussion der ewigen Jugendlichkeit hingeben? Vielleicht ist dieser Traum zu tiefst menschlich, ob homo sapiens oder homo neandertalensis. War es ein Symbol für die Ewigkeit, als Menschen vor 40–45.000 Jahren diese Zeichen in La Ferrassie hinterließen?
Und falls dich, diese Zahlen nicht irritieren, sie sollten es, denn es ist ein Zeichen dafür, dass Neandertaler und Cro-Magnon-Mensch nebeneinander in Europa lebten. Und wer weiß, wer diese Symbole hinterließ, die aus jener Zeit stammen?
Musée national de Préhistoire — Les Eyzies-de-Tayac
Steinwerkzeuge, Klingen, Schaber … Unzählige bearbeitete Steine.
Trotz der gelungenen Ausstellung verstehe ich nun, dass Museumspädagogik ein wichtiger Bestandteil sein muss. Wissenschaftler verlieren vielleicht in ihrem Eifer und Begeisterung den Überblick, mit welchem Wissen ein simpler Besucher ins Museum kommt.
Mir ist wichtig, dass in Museen wissenschaftlich gearbeitet wird, und dass Platz auch für jene Wissenschaftler ist, die nicht an diesem Museum arbeiten. Aber ein wesentlicher Punkt ist, das Museen der breiten Öffentlichkeit den Wissensstand in einem Fachgebiet näher bringen.
Hier in Les Ezyies sehe ich den Stolz der Wissenschaftler, die gefundenen Objekte zu präsentieren. Aber ich bin der Meinung, dass in diesem Fall weniger mehr wäre. Bei besten Willen kann ich nichts mitnehmen, wenn ich vor 100 für mich völlig gleichartigen Faustkeile liegen und zwar jeweils Hunderte für jede Periode, wenn mir nicht jemand erklärt auf was ich zu achten habe, wird es ein großer Eintopf.
Dank der Führungen, die ich Moustier und le Ferrassie hatte, verstand ich ein wenig mehr. Aber ist es eigentlich nicht tragisch, dass ich zuletzt ins Museum gehen hätte sollen, um die dort ausgestellten Objekte zu verstehen? Das ist doch ein Widerspruch in sich.
Es wäre für mich viel sinnvoller gewesen, an Hand weniger Faustkeile (Biface auf Französisch klingt einfach eleganter als Faustkeil auf Deutsch) aufzuzeigen, dass dieses Werkzeug seit 1,5 Millionen Jahren angefertigt wurden. Nur kurz zum Verständnis, zu jener Zeit existierten noch verschiedene Hominiden-Arten in Afrika und die benutzten Faustkeile als Unterstützung in ihrem Leben. Es ist also noch ein langer Weg bis zum modernen Menschen. Denn vom Homo sapiens, so wie wir sind, kann erst frühestens vor 200.000 Jahren gesprochen werden. Ich sollte genauer sein. Die Datierung des modernen Menschen ist nicht ganz so einfach. Auf der einen Seite versucht man die besonderen Merkmale der verschiedenen Homo festzuhalten. Bei Neandertaler sind das die besonderen Augenwülste, die flachere Stirn im Gegensatz zu uns, das Kinn, das weniger hervortritt als das unsere, und die Schädelform, die nicht so rund ist, wie der unsere.
Ich bin fasziniert, wenn ich daran denke, dass die ersten bearbeiteten Steine, die Vorgänger der Faustkeile, der Chopper, bereits vor 2,6 Mill. Jahre in Verwendung waren. Durch die Führungen die Tage zuvor haben mir die vielen Steinwerkzeuge etwas näher gebracht.
Es ist beeindruckend, wie geschickt die Steine bearbeitet wurden. Doch auch damals gab es geschicktere und weniger geschicktere. Es waren nie alle gleich begabt in jeglicher Hinsicht. Bei bei den Steinwerkzeugen hat sich eine Wissenschaftlerin die Mühe gegeben und die “Abfälle” sortiert, ihre Entfernung zur Feuerstelle gemessen und die Qualität des Steines geprüft. Und es war so, je geschickter, um so näher konnte derjenige am Feuer sitzen und umso besser war die Qualität des Steines, der bearbeitet wurde. Gute Qualität durfte nicht verschwendet werden.
Ich habe versucht die besonderen Klingen des Solutrèen einzufangen, denn sie sind verdammt dünn. Von diesen hat man lange nicht soviele gefunden, wie von den etwas robusteren. Die Frage steht im Raum, ob nicht viele dieser Klingen mehr rituellen Zwecken dienten, als für den täglichen Gebrauch. Die Methode hat sich nicht für längere Zeit und in einem größeren Raum ausgebreitet. Sie zeigt aber, wie geschickt und gekonnt diese Steine beschlagen wurden.
Eine meiner Fremdenführerinnen erzählte, dass ein Archäologen, der durchaus versiert in der experimentellen Archäologie ist, beim Versuch diese Klingen ebenfalls herzustellen, kläglich scheiterte. Es gelang ihm nicht die Steine in dieser Feinheit zu bearbeiten.
Um einen Eindruck zu gewinnen, wie ein Fundplatz aussieht und wo Archäologen buddelten, um Klingen zu finden, wurde ein solcher Fundplatz in die Ausstellung aufgenommen. Ichh vermute, dass anfangs die Klingen von dem umgebenden Stein oder Sand gar nicht unterschieden werden konnten.
Besonders berührend waren für mich die Skelette. (Neandertaler Skelette werde ich bei den jeweiligen Fundstellen, die ich besuchte, zeigen.) Am liebsten hätte ich sie in ein Grab gelegt. Das Bewusstsein, dass es Menschen sind, mit denen ich wenn auch nur weitläufig, aber doch verwandt bin, ließ mich still und ruhig werden. Auch wenn es vielleicht lächerlich erscheinen mag, aber mir war es wichtig, jedem eine Form von Gebet zukommen zu lassen, mit dem Wissen, dass alles einen guten Weg geht, wenn es aus einem guten Herzen kommt. Das Mascherl, das Religionen so gerne um Menschen hängen, ist irrelevant. Entweder gibt es etwas Höheres oder nicht. Und wenn es etwas Höheres gibt, dann wird es wohl nicht genauso beschränkt denken wie Menschen.
Kunst oder was?
Die Malereien, Zeichnungen, Gravuren, Ritzungen, Basreliefs, Reliefs beeindrucken mich zu tiefst. Während viele vor sich hin philosophieren, was der Hintergrund für diese Ausdrucksformen sei, bin ich noch beim Nachdenken, wie sie das überhaupt konnten.
Wenn ich an die Bilder in Le Toth denke, die Kinder anfertigten, dann ist jedermann klar, so schaut es aus, wenn man beginnt zu malen.
Aber so sehen diese prähistorischen Bilder nicht aus. Es sind keine Bilder von Anfängern, das ist nicht das erste Mal, dass diese Menschen hier zeichneten oder malten. Ich kann keines dieser Tiere so darstellen. Und nur weil ich etwas sehr lange beobachte, bin ich immer noch nicht fähig, es abzubilden. Das wäre ja so, wenn ich nur lange genug einem Opernsänger zu höre, lange genug mitsinge, dann würde ich wie er. Nichts da! So einfach geht das einfach nicht.
Die Beobachtung allein genügt nicht, um etwas wiederzugeben. Da muss geübt werden. Und zwar geduldig. Man konnte nicht einfach hergehen und das Blatt Papier wegwerfen, man konnte es auch nicht einfach ausradieren. Einmal geritzt, für immer geritzt. Einmal hin gesprüht, für die Ewigkeit gesprüht.
Um mit einem Zug ein Mammut vom Schwanz bis zum Rüssel authentisch in eine Wand zu ritzen, reicht nicht der Entschluss es zu wollen, auch nicht, dass ich das Bild eines Mammuts vor meinem inneren Auge sehe.
Diejenigen die diese Bilder fertigten, mussten vorher schon geübt haben. Geduldig und ausdauernd. Da wären wir wieder bei Zeit und Muße. Waren sie so getrieben, wie wir heute? War die Jagd so zeitraubend, dass für nichts mehr Platz war? Wohl nicht. Es musste Zeiten gegeben haben, wo anderes im Mittelpunkt stand.
Waren es also Künstler?
Auch das ist bei genauerer Betrachtung unrealistisch. Seit wann sprechen wir denn von Kunst? Aber waren es besonders begabte Menschen? Das vielleicht wohl. Menschen, die eine besondere Begabung hatten und diese auch pflegten. Das heißt sie übten. Kunst von Können. Vielleicht außerhalb, an Stellen, die heute verwittert sind oder vielleicht den nächsten Regen und Schneefall nicht überdauerten. Bis sie dann soweit waren, dass sie fingerfertig genug waren und sie an besonderen Stellen anbrachten.
Auch wenn Ritzungen keine bildhauerische Schwerstarbeit waren, sie gezielt und genau durchzuführen, ohne viele Korrekturen anzubringen, ist etwas Besonderes. Mit einem Stück Manganoxid mal schwungvoll einen Steinbock zu zeichnen, das soll mir mal jemand vormachen. Ich kann es nicht. Selbst wenn ich ein Buch zeichnen würde, käme es nicht wirklich überzeugend hinüber. Wie hat das jemand mal so schön gesagt, es ist mehr Ausdrucksmalerei oder Art brut.
Waren es Schamanen?
Wer sich schon einmal mit schamanischer Praxis auseinander gesetzt hat, weiß, dass es einer langen Schulung bedarf, bevor sie sich mit der Geisterwelt auseinandersetzten. Ob das die richtigen Gesänge, die wirkungsvollen Zeremonien, mit Trommeln, Musik jeglicher Art, schauspielerischen Darbietungen, Trance war. Auch hier ist es jahrelange Praxis, die einen erst zum Schamanen macht. Und ich spreche hier noch nicht von den Geheimnissen der Kräuter. Denn dass sie davon wussten, glaube ich. Nicht umsonst hatte Ötzi vor über 5000 Jahren den Pilz Birkenporling mit sich geführt, der eine antibiotische Wirkung hatte. Nicht alles was wir als Zauberei und Humbug klassifizieren, war nur Show. Es hatte auch Wirkung. So wie die Indianer durchaus Mittel gegen Syphilis hatten. Nur weil wir nichts darüber wissen, heißt es nicht, dass es nichts gibt. Wenn wir heute groß von Placebo sprechen, dann sollten wir vielleicht von unseren Selbstheilungskräften sprechen. Die können wir aktivieren und helfen uns beim Gesundwerden, aber eben nicht nur. Ob es nun eine Geisterwelt gibt oder nicht, will ich hier nicht diskutieren, aber dass die Seele Hilfestellungen annimmt, um wieder gesund zu werden, glaube ich. Auch wenn nicht alles mit naturwissenschaftlichen Methoden erklärbar ist, heißt es nicht, dass es diese Dinge nicht gibt. Vor nicht allzu langer Zeit war Magnetismus ein solches unerklärliches Phänomen. Egal ob Kräuter, Pilze oder moderne Medikamente, sie unterstützen uns, wenn unser Körper gesund werden will.
Ein Schamane ist also ebenso ein Spezialist, der besondere Fähigkeiten hat. So wie ich glaube, dass es Ärzte gibt, die einen besser unterstützen wieder gesund zu werden, wie andere. Denn Heilung ist mehr als nur ein Kraut.
Diese Gedanken führten mich zu Spezialisten.
Während das Anfertigen von Steinklingen und Beilen Fähigkeiten waren, die jeder beherrschen musste, weil sonst ein Überleben nicht möglich war, kann ich mir durchaus vorstellen, dass für diese speziellen Aufgaben wie das Anfertigen von Bildnissen und Objekten, und der Kommunikation mit der anderen Welt, besondere Menschen sich auserwählt fühlten. In der Ethnologie habe ich immer wieder von Schamanen gehört, die nicht begeistert waren, diesen Weg einzuschlagen. Durch schwere Krankheiten getrieben entschieden sie sich dafür. Nicht immer ist das, was man kann, ein leichter Weg. Vielleicht macht man es lieber, aber einfacher muss es nicht sein.
Wenn also ein Mensch, seine Fertigkeit ein Abbild eines Tieres anzufertigen, perfektioniert hatte, kam ein anderer Mensch, der die Fähigkeit erlangt hatte mit der anderen Welt zu kommunizieren, auf ihn zu und sie planten gemeinsam an einem Ritual tief drinnen in einer Höhle zu arbeiten. Nicht nur Kommunikation, sondern auch die soziale Kompetenz dieser Menschen gemeinsam etwas auszuführen, mag dahinter gestanden sein.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass einer allein sich dachte: Ach, heute geh ich mal ein paar hundert Meter tief in eine Höhle und male ein Mammut, aber so dass es keiner sieht und an einer besonders schwierigen Stelle, damit nur ich es sehen kann.
Für so ein schwieriges Unterfangen braucht es Planung und Zweck. Während die Bilder in den Abri oder Überhängen und Wohnhöhlen aus anderen Gründen angefertigt wurden, ist es bei Höhlen, die nicht im alltäglichen Leben benutzt wurden, ein anderes Ziel, das verfolgt wurde.
Ich bin davon überzeugt, dass es rituelle Handlungen waren. Was sie genau bezweckten, ob sie nun die Tiergeister beschworen oder andere Geister zu Hilfe riefen, ist reine Fantasie. Das werden wir nicht sagen können.
Als ich in Pech-Merle war, wurde mir bewusst, dass hier andere Menschen die Abbildungen anfertigten. Viele Bilder waren abstrakter, enthielten mehr Andeutungen als realistische Darstellungen. Sie waren anders als weiter nördlich im Vallé de Vézére.
Jede der Höhlen, in denen geritzt, gezeichnet, gemalt und gesprüht wurde, empfand ich anders. Es waren unterschiedliche Emotionen, die in mir hochkamen. Es gibt nicht den einen Zweck, den sie erfüllten. Meinem Empfinden nach waren sie unterschiedlichen Zwecken gewidmet. Gerade in Pech-Merle, das eine wunderbare Akkustik hat und herrliche Säle bietet, konnte ich förmlich die Trommeln und Gesänge hören. In Les Cambarelles, wo man nur auf allen vieren die Höhle erobern kann, wird es still, ein heimliches Zwiegespräch mit der Geisterwelt bietet sich direkt an.
Aber es waren besondere Fähigkeiten von besonderen Menschen, die nicht jedem zugänglich waren und nicht jeder fähig war auszuführen. Und dass ich mich nicht alleine so tief in eine Höhle vorwagen würde, steht noch auf einem ganz anderen Blatt. Mir war nicht bewusst, wie weit innerhalb sich viele dieser Bilder, Zeichnungen und Gravuren sich befinden. Mir ist nicht einmal klar, wie sie aus dem oft sehr verzweigten Höhlensystem wieder herausfanden, denn mein Orientierungssinn ist in unserer modernen Zeit ein äußerst beschränkter, auch wenn ich nicht überall das Navi brauche.
Und Spezialisten hatten sie. Auch wenn wir heute nur an Hand der Abschläge der Steinwerkzeuge feststellen können, dass es Begabtere und weniger Begabte gab, so wird es welche gegeben haben, die gut kochen konnten, die gut jagen konnten, die besser Spuren lesen konnten als andere, die früher die Zeichen des Frühlings lesen konnten, die Kleidung besser anpassen und langlebiger anfertigen konnten. Es gab immer schon Unterschiede zwischen Menschen. Unterschiede, die das Leben spannend machen, die aufregend sind und erst zum Übel werden, sobald sie verurteilen. Nur zur Erinnerung möchte ich einwerfen, dass es Kulturen gibt, wo Geisteskrankheiten als eine besondere Gabe gesehen werden, die eine außergewöhnliche Verbindung zu einer anderen Welt mit sich bringen. Schwarz-Weiß ist die Welt der Naiven, Shadows of Grey, jener der Ungläubigen, im Regebogen erstrahlt die Welt als Ganzes. Es ist eine Sache des Glaubens, wer dem widerspricht, glaubt einfach nur an anderes. Denn wissen tun wir beide es nicht. Falsch denkt jener, der rechthaben will.
Wald — Steppe — Tundra — wie mag es hier vor 20.000 Jahren ausgesehen haben
Die Dordogne ist eine reizvolle Landschaft. Neben den vielen Eichenbäumen habe ich auch Kiefern gesehen und auch einen Feigenbaum zeigte mir wie freundlich es hier ist.
Doch wie sah es aus, als diese Höhlen Zentren — aus welchen Gründen auch immer — wurden? Wie einfach habe ich mir das alles vorgestellt und wie kompliziert ist das alles bei genauerem Hinsehen.
Die letzte Eiszeit, die Würmeiszeit, dauerte 115.000 BP bis 10.000 BP. Wie schnell ist das hingeschrieben, bis ich dann genauer schaute und sehen müsste, dass es auch in dieser letzten Kaltzeit wärmere Phasen gab. Wenn es nur kalt gewesen wäre, dann hätte ich schnell mal Tundra getippt. Steppe vielleicht noch. Aber das war in den kälteren Phasen, die auch trockenere Zeiten waren, da so viel Wasser gebunden war (jetzt wird’s bei uns wärmer, also sollte es auch mehr regnen, tja nix mit Sonnenschein jahrein, jahraus.). Der Tundra folgte der boreale Nadelwald oder Taiga. Auch von Parktundra mit vereinzelten Baumgruppen ist die Rede.
Ich habe mich also auf die Suche begeben und geschaut, in welcher Umgebung jene Tiere lebten, die hier abgebildet sind. Nachdem ich zu fast allen Tieren nachgeschlagen habe, notiert habe in welcher Umgebung sie lebten, stolperte ich zuletzt auf die Mammutsteppe oder Steppentundra. Warum nicht gleich?
Die Wikipedia schreibt dazu:
Die Landschaft war nahezu baumfrei, zu den vorherrschenden Pflanzenarten zählten Gräser, Riedgräser, Kräuter, Zwerg-Birken und Polar-Weiden. Häufig wird die Mammutsteppe aufgrund dieser Mischung mit der heutigen Tundra verglichen, stimmte aber nur bedingt überein. Trennende Merkmale sind vor allem die unterschiedlichen Sonnenstände und die damit verbundenen Jahreszeitzyklen, die die Mammutsteppe mit ihren in weiten Teilen vorherrschenden Lichtverhältnissen der mittleren Breiten von der nördlichen Tundra mit ausgeprägten Polarsommern und ‑wintern absetzt. Dadurch entstand eine arten- und vor allem nährstoffreiche Vegetation, zusätzlich begünstigt durch die aufgrund der nahen Gletscher auftretenden lang andauernden Hochdrucklagen.
Hier hat man im Laténe Museum eine kleine Fläche entsprechend der Tundra angelegt. Ich weiß nicht recht, ob das im Bild so auch klar wird.
Wollhaarmammut (Mammuthus primigenius), auch andere Großsäuger wie das Wollnashorn (Coelodonta antiquitatis), der Moschusochse (Ovibos moschatus), das Ren (Rangifer tarandus), die Saiga-Antilope (Saiga tatarica) aber auch der ausgestorbene Steppenbison (Bison priscus) und die eiszeitliche Wildpferdeunterart Equus caballus lenensis. Nicht geklärt ist, ob durch die Weideaktivitäten dieser Megaherbivoren diese spezifische Landschaftsform entstand und sie verschwand, nachdem die Tiere ausstarben oder ob das Verschwinden dieser Landschaftsform dazu führte, dass die typischen Großsäuger ausstarben.
Das passt nun auch, was ich zu Rentier und Steinbock gefunden habe.
Spannend war dann noch der Eintrag zum Höhlenlöwen:
Ihre Nahrung bestand vor allem aus größeren Huftieren der damaligen Zeit, etwa Wildpferden, Hirschen, Wildrindern und Antilopen. In jungpleistozänen Ablagerungen des Rheins von Hessenaue bei Darmstadt wurde das Schienbein eines Höhlenlöwen gefunden, das trotz einer schweren Entzündung des Knochenmarks, die das Tier vorübergehend jagdunfähig machte, später wieder verheilt ist. Das Tier muss demnach noch längere Zeit mit dieser Behinderung überlebt haben. Das legt nahe, dass dieses Tier von Artgenossen an der Beute geduldet oder mit Futter versorgt wurde. Möglicherweise war der Höhlenlöwe also ähnlich wie heutige Löwen ein Rudeltier.
Ich habe viel gelesen und geschaut in letzter Zeit und da wurde auch betont, wie sozial der frühe Mensch (ich denke, es war der Neandertaler — Gott Lob bin ich kein Wissenschaftler — der Wasserstand der Donau tut es bei mir auch, denn ich schaue mir seit etlichen Abenden alle möglichen Dokumentationen über die Entwicklung des Menschen an, da wurde es irgendwo erwähnt 🙂 war, als man einen Kopf eines älteren Menschen fand, der 2 Jahre lang keine Zähne mehr hatte, der also mitversorgt wurde (u.a. das Fleisch vorgekaut). Da musste ich an meine Mutter denken, die auch 2 Jahre lang püriertes Essen bekam.
Was bedeutet das nun alles?
Der Wald hier rund herum ist einerseits sehr kuschelig, aber andererseits verliere ich jegliche Orientierung.
Man sieht einfach nicht weit. Außerdem konnte ich mir nicht recht vorstellen, dass riesige Tierherden durch so dicht bewaldetes Gebiet zogen. Viele der Tiere zogen jahreszeitlich bedingt durch das Land. Gehört hab ich das natürlich von Ren oder den Bisons, bei den Pferden war ich mir da nicht so sicher, aber bei denen war das auch der Fall. Selbst der Steinbock zieht bei uns in den Alpen rauf und runter.
Um das alles noch verwirrender zu machen, hörte ich nun in einer Führung, dass Ren durchaus stationär hier lebten, denn es wurden Geweihe von Weibchen und Männchen der Rentiere gefunden und die werfen unterschiedlich ihre Geweihe ab. Im Frühjahr Weibchen, im Herbst Männchen und dann waren dann auch noch Jungtierknochen. Also als es vernünftig kühl war (so wie es Rentiere für vernünftig halten), zogen sie einfach hier ihre Runden und rannten nicht wie blöd tausende Kilometer weit. Sie stellten 90% der tierischen Nahrung, von ihnen nutzte man, neben dem Fleisch, Knochen, Geweih und Fell. Tja, da gab’s nicht so viel Restmüll wie bei uns.
Nachdem ich nun nochmal darüber nachdachte, entsprechen die Funde trotzallem den Wanderungen im Frühjahr und Herbst. Es ist nicht wirklich ein Zeichen von hier immer lebenden Tieren.
Diese Tiere waren also nicht permanent hier. Der Mensch als Jäger und Sammler zog auch durch die Gegend, also viel Bewegung rund herum. Er soll außerdem viel Kleinwild gejagt haben, von dem sieht man nichts in den Höhlen.
Es war also eine Steppenlandschaft. Und zu bestimmten Zeiten zogen hier große Tiere durch. Zu den Lieblingsspeißen zählte Ren und Pferd, wenn man die Fundplätze bei den Feuerstellen betrachtet. Das haben sie hier erzählt, als ich in den Höhlen zu Besuch war. Und die Wikipedia widerspricht sich da, einmal hätten sie viele Wollhaarmammuts gegessen, einmal nicht (natürlich an anderer stelle). Genutzt ja, das Elfenbein war cool, ein Kind hat man in einem Grab mit einem Schulterblatt eines Mammuts bedeckt. Die massive Nutzung wie in Sibirien hat man hier aber nicht nachgewiesen. Die Abbildungen sind für mich zwar aufregend und wahrscheinlich für viele andere auch, aber es sind nur rund 7% aller Abbildungen der Frankokantabrische Höhlenkunst (so wird die Kunst unserer Altvorderen hier in Südfrankreich und Spanien benannt). Und sie waren einfach beeindruckende Lebewesen.
Ps. Absolut nichts zur Sache, aber weil ich es berührend fand, auch das Wollhaarmammut hatte Karies und Arthritis.
Zeit und Muße — Abri du Poisson
Immer wieder muss ich daran denken, wie verwirrt ich war, als ich bei „primitiven“ Völkern hörte, dass sie einen halben Tag damit verbrachten, sich ums Überleben zu kümmern. Anschließend hatten sie „frei“. Freizeit, um mit einander zu reden, zu singen, irgendetwas, das nicht zielorientiert ist zu tun. Wenn ich nun hier in der Dordogne die Höhlen aufsuche, kommt dieser Gedanke wieder in mir hoch. Auf der einen Seite wird von der harten Zeit gesprochen und ich will mir gar nicht vorstellen, wie man überlebt, wenn es draußen eiskalt ist, eben eine Eiszeit. Und dann gibt es Menschen, die sich tief in Höhlen hinein wagen, um dort Abbildungen an den Wänden anzubringen. Doch nicht nur dort finden sich Bilder, auch in ihren Wohnplätzen, die nie in einer Höhle sondern in einer Abri, einem Unterstand, einem Felsüberhang, einem Shelter. Hier wurden Siedlungsspuren gefunden.
Im Abri du Poisson wurde 20 Jahre nach dessen Entdeckung, als sich wieder mal jemand daran machte die Funde aus Steinen zu Geld zu machen, hinlegte, um sich eine Pause zu gönnen, den 1 Meter großen Lachs an der Decke entdeckte. Die Franzosen waren nicht interessiert und das Berliner Völkerkundemuseum sehr viel Geld (umgerechnet wären das heute 200.000€) bot. Als man versuchte, das Relief zu entfernen, schritt – mit Verzögerung das zuständige Französische Ministerium ein. Wie ein Rahmen ziehen sich die Meiselspuren rund um den Lachs.
Ein andere Gravur fiel dieser Arbeit zum Opfer, die wenigen Spuren lassen keine Deutung mehr zu,
Diese Abri wurde die erste prähistorische Fundstätte, die zu einem „Monument historique“ wurde, einem Denkmal, das unter besonderem Schutz und Unterstützung durch den Staat steht. Da der Überhang heute sehr feucht ist und deshalb von Moosen überzogen, hat man vor 100 Jahren die Decke begonnen übereifrig zu reinigen. Das rote Ocker, mit dem auch der Lachs eingefärbt war, ging dabei verloren. Nur an einigen Stellen kann man noch die roten Flecken erkennen. Diese Reinigungsaktionen fanden an einigen Höhlen und Abri statt, wo man glaubte, die Ritzungen seien das einzige und die Ockerspuren wurden als solche damals noch nicht erkannt.
Wie in Font-de-Gaume gibt es ein Handnegativ zu sehen, die mit Manganoxid und der Sprühtechnik an der Decke abgebildet wurde. Durch die Feuchtigkeit fielen von der Decke immer wieder mit rotem Ocker bemalte Stücke und erlauben so die Zuordnung, dass die Deckengravur und Malereien vor über 27.000 Jahren angefertigt wurden.
Der Lachs wird vielfach als männlicher eingestuft, sieht man aber auf die Abbildung von einem anderen Platz aus, nämlich unter der Hand stehend, kann man durchaus auch einen weiblichen Lachs sehen, dessen Bauch voll mit ihren Eiern ist. Heute gibt es dort keinen Lachs an der Vezére mehr, einerseits ist es zu warm und andererseits erlaubt der Zustand der Flüsse kein frohes Leben der Lachse mehr.
Diese frühen Menschen hatten also Zeit und Muße ihre Wohnplätze zu gestalten. Es lag ihnen daran, ihre Umgebung zu verändern. Es war Zeit genug vorhanden. Dabei darf ich nicht vergessen, dass es sich nicht um Wohnstätten handelt, die jahraus jahrein bewohnt waren, sondern immer nur zeitweilig als Unterschlupf dienten. Man zog um, als Jäger und Sammler folgten sie ihrem Essen. Dieses Bild vom ewig nicht nur Jagenden sondern auch Gejagtem, der nur an sein Überleben dachte, kann nicht stimmen. Es war Zeit vorhanden, Überflüssiges zu tun, sich der Muße hinzugeben, Zeit für sich zu nutzen.
So wie ich hier meiner Muße fröne. Oft genug ertappe ich mich, da und dort wäre noch eine Höhle oder Abri, die ich besuchen könnte. Doch ist mehr immer besser? Es sind wirklich noch eine Menge Plätze da. Klar wäre Bernifal einen Besuch wert, nicht nur wegen der interessanten Abbildungen sondern auch wegen des leidenschaftlichen Bauern und Eigentümers, der mit Begeisterung durch die Höhle führt und seine Interpretationen (die ich aber nicht verstehen würde) zum Besten gibt.
Es bedeutet mir aber viel, dazwischen Zeit damit zu verbringen, nachzulesen, nachzudenken, Gedanken festzuhalten und mir mein eigenes Bild zu schaffen. Manchmal ertappe ich mich dabei, dass ich nur wenige Momente nichts tue. Ich bin tatsächlich beschäftigt, die Eindrücke zu verarbeiten, Bilder zusammenzustellen und mir ein eigenes Büchlein im Andenken an den Urlaub und den vielen Menschen, die hier lebten und durchzogen.