Port Arthur war ein Ausflug in die Geschichte Australiens. Auch wenn ich anfangs zögerte, bin ich nun froh, dort gewesen zu sein. Verächtlich und abschätzig wird von den “Verbrechern” gesprochen, die nach Australien gebracht wurden. Sie wurden allerdings erst, nachdem sie nach der amerikanischen Revolution nicht mehr nach Nordamerika verschifft werden konnten. Es waren Verbrecher wie mein Großvater, der ins Gefängnis kam, weil er das Bruchholz, das am Boden lag, sammelte, damit seine Familie nicht friert. Kinder ab 9 Jahren, die Spielzeug oder ein Stück Brot stahlen. Es waren nicht alles Mörder und andere Schwerverbrecher, wie auch ich anfangs glaubte. Verbrecher waren vor wenigen Jahrzehnten auch Diebe aus Not.
Ein britisches Gesetz aus dem Jahre 1718 erlaubte die Deportation bei Vergehen mit einer Strafe von sieben Jahren, also auch für den kleinen Diebstahl. Dies bedeutete, dass nahezu alle Straftaten mit gleichem Strafmaß belegt werden konnten.
Die australische Regierung geht in einer offiziellen Stellungnahme von insgesamt ca. 162.000 Sträflingen aus, die auf 806 Schiffen transportiert wurden. Bis 1780 wurden Gefangene aus Britannien nach Nordamerika gebracht, 50.000 sollen es gewesen sein. Inzwischen rechnet man, dass ungefähr zwei Millionen Bürger Australiens Nachkommen von Sträflingen sind. Nur zur Erinnerung, ich bin auch ein Nachkomme eines Sträflings. Getroffen hatte ich in Australien nicht viele, nur einer berichtete mir, dass er von einem Sträfling abstammte. Alle anderen kamen, wie auch in andere Kolonien, meist als Wirtschaftsflüchtlinge, über die wir heute so verächtlich sprechen. Es war nicht Abenteuergeist, es war Not, die einen die Liebsten zurücklassen ließ.
Mir ist dort wieder die schlimme Zeit der industriellen Revolution klar geworden, die Geschichten von Charles Dickens, als so viele durch die neuen Maschinen ihre Arbeit verloren oder durch — das klingt absurd — den Frieden. Im Krieg waren viele Männer mit einem “Job” versorgt, durch den Frieden im beginnenden 18.Jh wurden viele arbeitslos — nur nannte das damals niemand so.
Port Arthur war der Ort, wo die schlimmsten “Verbrecher” gebracht wurden. Statt Prügelstrafe setzte man dort auf physische Strafen. Die Einzelhaft wurde hier zum ersten Mal angewandt. Nicht mal bei einer Messe war es möglich mit einem anderen Häftling ein paar Worte auszutauschen, nicht einmal sehen konnte sie einander. Heute ist man sich der schweren Belastung der Isolation bewusst, was nicht bedeutet, dass diese Methode keine Anwendung mehr findet.
Irgendwie war ich froh dort gewesen zu sein. Es ist ein Ort, der ganz wichtige Dinge über Australien erzählt, aber auch über die Art und Weise des Umgangs mit Menschen vor gar nicht allzu langer Zeit. So fern ist es auch heute nicht. In Krisenzeiten brechen diese unmenschlichen Formen wieder hervor, als ob sie nie vergangen wären.