Als ich mir langsam klar wurde, dass ich Yellowstone besuchen will, hatte ich noch keine Vorstellung wie groß der Nationalpark ist. Zu allem Überdruss zeigte mir mein GPS auch falsche Daten an, doch ich war misstrauisch, irgendetwas stimmte nicht. Dieses Misstrauen war gut, denn die Spezialität ganz im Norden von Yellowstone ist gute 3 Stunden von Cody entfernt, aber nur wenn keine Pausen gemacht werden und alles andere links liegen gelassen wird. Das wollte ich nicht und an den vorhergehenden Beiträgen siehst du auch, dass es gut so war.
Noch viel mehr Glück hatte ich aber, dass ich noch ein Zimmer bzw. diese Cabin bekam. Ich hatte keine Vorstellung wie ausgebucht die Unterkünfte innerhalb des Nationalparks im Sommer sind. Und im Gegensatz zum letzten Mal hatte ich diesmal kein Zelt dabei. Nur einzelne Tage wären für die nächsten 2 Monate zu haben. Die nächstgelegenen Städte sind Gardiner im Norden — bereits in Montana — und im Westen Yellowstone, direkt beim Westeingang. Aber irgendwie war mir das in meiner Spontanität alles zu viel. Ich war froh um die Hütte, wo ich mich eigentlich auf fremden Staatsgebiet befand, denn die Gegend gehört eigentlich den Uinita-Zieseln. Unter meine Hütte führten unzählige Löcher, die hochschwangern Weibchen wichen den frechen kleinen Männchen, die sich nicht scheuten auch mich anzufauchen, als ich mir erlaubte, mein Abendessen auf der Porch einzunehmen. Die Stangensellerie fand das freche Männchen nicht wirklich spannend, doch am Morgen war alles weg.
Verraten werde ich diesen Zieseln sicher nicht, dass mich ihr Warnruf echt schreckt. Wie immer bekomme ich Angst, dass sie mir (auch aus Angst) einfach direkt ins Gesicht springen. Zu unberechenbar sind mir diese Kumpane.
Und zum Abschluss noch ein Selfie, das habe ich aber erst am nächsten Tag geschossen, damit du einen Eindruck bekommst, was auf dich wartet.
Ich war müde am Abend von den vielen Eindrücken, aber auch vom Fahren, schließlich hatte ich 2 Pässe überquert und eine anspruchsvolle Bergstraße, bei der mir sehr bewusst wurde, dass ich meine Fernsichtbrille zuhause vergessen hatte und auch wenn es nur wenig Dioptrien sind, müde sind es fast immer zu viele. Selig schlief ich früh ein, wachte früh auf und machte mich auf einen langen Tag gefasst.
Bei der Auswahl der Bilder tat sich bei mir nun blankes Entsetzen auf, zu viel des Guten… doch ich möchte, die Mammoth Hot Springs nicht auf 2 Einträge aufteilen, also schau selbst.
Yellowstone ist ein sehr gefährliches Gebiet für mich, zu viele aufregende Motive, zu viel geologisch interessantes. Wegen der großen Zahl der Fotos werde ich es langsam angehen. Als ich über den 2600m hohen Sylvan-Pass den östlichen Rand des Yellowstone Kraters überschritt, und ich die Wolken am unteren Rand sah, bekam ich ein wenig Gefühl für die Größe dieses Gebietes.
Ein Pass, der eigentlich ein Kraterrand ist, und ich befand mich ab diesem Zeitpunkt inmitten der Caldera eines Supervulkans. Als das letzte Mal ein Supervulkan ausbrach, nämlich jener von Toba, ist fast die gesamte Menschheit gestorben (vor ca. 70.000 Jahren). Die geringe Variabilität unserer Gene ist Zeuge dessen und auch ein Zeichen, wie nah verwand wir alle sind. Der ganze Hickhack heute ist lächerlich, denn wir sind alle ziemlich nah verwand, wir müssen nur ein paar 1000 Generationen zurückschauen. Ob wir damals wirklich fast ausgestorben wären, ist nicht sicher, sie streiten sich noch und ich halte mich da raus.
Die globale Temperatur soll damals um 3–3,5° gesunken sein. Doch was immer damals geschah, wenn es jetzt zu einem Ausbruch käme, wäre es sehr folgenreich. Zur Erinnerung als der unaussprechliche Vulkan 2010 in Island ausbrach, kam der Flugverkehr lange Zeit zum Erliegen. Die Ausbrüche von Vesuv und Mount St. Helens erzählten ein wenig von der Macht, und doch ein Supervulkan ist viel mehr.
Sobald ich mich umschaute, strahlten überall Vulkankuppen in schwarz und weiß zu mir herüber. Nur Richtung Süden strahlten sie Tetons am anderen Ende des Craterlakes herüber. Im Vordergrund sind die Überreste des letzten Waldbrandes, Waldbrände, die an vielen Orten ihre Zeichen hinterlassen.
Überrascht hat mich, dass die Caldera nicht wirklich klar ersichtlich ist. Innerhalb der Caldera ist zwar der Yellowstone Lake, der einen Teil bedeckt, doch der See bildet nicht die Caldera, wie ich dachte. Sie ist 6x so groß wie Wien oder fast so groß wie Vorarlberg, alles Größen, die über meine persönliche Vorstellung hinausgehen (2400 km²).
Es befinden sich zahlreiche Erhebungen, die durch die hydrothermalen Erscheinungen verursacht worden sind, in diesem Bereich. Es war nicht so, wie ich es mir vorstellte. Auf der Karte siehst du, dass es nicht einfach eine flache Schüssel ist, sondern unterschiedliche Erhebungen, Hügel und Berge den Kraterrand verschleiern. Die Ränder der Caldera sind außerdem nicht statisch geblieben, bei jedem der riesigen Ausbrüche lag das Zentrum woanders.
Rechts siehst du den nördlichen Rand, beim 2700 m hohen Dunraven Pass. Selbst das Wissen, dass da drinnen Bäume wachsen und Tiere leben, reichte nicht, um es mich dennoch zu überraschen. Speziell die vielen Flüsse verstanden es, mich in ihren Bann zu ziehen.
Ich war schon beim Columbia River überrascht und wie weit sich die Spuren des letzten Ausbruchs von Mt. St. Helens zogen, aber Yellowstone ist einfach riesig.
Die Größe übersteigt einfach meine Vorstellungskraft.
Bei Yellowstone handelt es sich um einen Hotspot, wie in Hawai, doch während sich dort einfach der Ozeanboden öffnet und die Lava sanft die Hügel hinunter fließt, ist hier die Lage ein wenig komplizierter, weil es die Ausbrüche nicht laufend sondern episodisch stattfinden. Aber auch hier bewegt sich die Kontinentalplatte seit 17 Millionen Jahren über diesen Hotspot und war einst in Nevada und Idaho, als sie noch nicht Nevada und Idaho waren. Dieser bricht etwa alle 600.000 Jahre aus. Und da stöhnt er nicht nur so wie jetzt mit seinen heißen Quellen und dem Schwefelgestank, sondern lässt ein Mordsdonnerwetter mit Blitz und Lava und Asche abgehen.
Hier schaue ich noch mal zurück Richtung Süden und Caldera.
Ich hatte diese Reise nicht geplant und war gespannt, wohin es mich trieb.
Inzwischen ist mir klar, dass es mich in den Westen zog. Yellowstone, der erste Nationalpark der Welt, sollte mein Ziel sein. Doch was mich faszinierte, war die Tatsache, dass Yellowstone sehr weit weg war. Deshalb kam es mir zuerst auch nicht in den Sinn. Erst als ich in den Black Hills war, dachte ich, jetzt ist es auch schon egal, so nah war ich noch nie. Pelzjäger und Goldsucher versuchten im 19 Jahrhundert vereinzelt in das Gebiet vorzudringen, ihre Berichte allerdings wurden ignoriert. Zu seltsam klangen ihre Berichte, Jägerlatein, “Pelzjägerlatein”.
Erst 1869 kam es zu einer erfolgreichen Expedition geführt von einem Geologen und 1872 wurde das Gebiet zum Nationalpark erklärt. Das war nicht von Umweltbewusstsein getrieben, sondern von der Northern Pacific Railroad. Sie erhofften sich eine bessere Auslastung, puschte in die Richtung und Präsident Ulysses S. Grant dachte, einen Erholungspark wäre nicht schlecht. Die Natur bot ein Gratistheater.
Doch vorerst musste ich mal dorthin und zwar viel bequemer als vor 150 Jahren. Ich musste die Weiten der Great Plains überqueren. Ich hatte immer nur an Ebenen gedacht, doch eigentlich geht es stetig auf und ab, doch mehr auf als ab. Je weiter man in den Westen kommt, um so eher begegnet einem Täler, die sich ins Land eingeschnitten haben und tiefe Risse im Land hinterließen, so wie die Badlands in South Dakota. Badlands gibt es mehr. Im Winter pfeifen kalte Winde über das Land und im Sommer trocknen sie das Land aus. Durch die tiefen Wurzelsysteme der Gräser wird der Boden festgehalten. Ist hier kein Widerstand, bläst er unerbärmlich.
Für uns heute ist es kein Problem, ich habe mein Wasser mit und bin froh, dass mich der Wind von der Hitze ablenkt. Und die Airconditioning des Autos ist nicht zu verachten. Doch früher musste sicherlich nach Flusstälern Ausschau gehalten werden, die hier, wie in anderen Wüstengebieten, durch die Baumalleen erkennbar sind. Doch mit Planwagen, die von 2 und mehr Ochsen gezogen werden, über diese Hügel zu marschieren mit allem Hab und Gut, erzählt nicht nur etwas vom Pioniergeist, sondern eigentlich auch von der Verzweiflung armer Leute, die nichts zu verlieren hatten.
Heute nennen wir sie Wirtschaftsflüchtlinge. Den Druck auf jene Menschen, die bereits hier lebten, will ich nicht vergessen, davon später. Dieses Land war immer schwierig zu bewirtschaften. Es war kein Paradies und die heutigen Einwohnerzahlen erzählen davon.
Etwas, was ich anfangs total übersehen hatte, war, dass es stets bergauf ging. Die Ebenen und Hügel befinden sich schon über 1000m Höhe. Die Sonne ist intensiver, das begriff ich mit dem ersten Sonnenbrand. (Inzwischen schmiere ich mir den Sonnenschutzfaktor 50 alle 2 Stunden ins Gesicht, die Botox-Lippen erzählen von ihren Qualen).
Das Gras hält den Boden. Und manchmal durchfuhr es mich, hier fehlt etwas. Es waren die Büffelherden, die über diese Weiten zogen. Doch irgendwann beginnt sich die Landschaft zu ändern, die Höhe macht sich bemerkbar. Die weiten Grasflächen werden von Sagebrush abgelöst, die anfangs vereinzelt und schließlich weite Hügel überzogen. Hier im Vordergrund siehst du den Wüsten-Beifuß. Der Name Sage und auch seine weißgrünen Blätter ließen mich an Salbei denken, doch dieser Busch wird bis zu 3m hoch, wenn er genug Wasser hat. Der Wüstensalbei ist nicht mit dem Salbei verwandt, ebenso wenig wie der Prairie-Sage, beide gehören in die Familie des Beifuß. Im Hintergrund tauchen die ersten Koniferen auf, Pinien, die sich dunkel wie in den Black Hills, abzeichnen.
Und wieder Berge, von denen ich noch nie etwas gehört habe, die Bighorn Mountains. Und begleitet von Hinweisschildern, die mir von dem großen Alter, der hier gefundenen Steinen erzählen, geht es aufwärts. Auch wenn ich jetzt nichts in Wikipedia finde, da waren Schilder, die auf Präkambrische Steine, 2,9 Milliarden Jahre alt, hinwiesen. Das ist verdammt alt. Unsere ältesten im Waldviertel sind rund eine Milliarde Jahre alt: der Bittescher Gneis.
Ich gebe zu, ausschauen tun sie ähnlich, sie sind auch alle zusammen ähnlich entstanden, als Tiefengestein, denn es ist tief im Inneren der Erde unter hohem Druck und hohen Temperaturen geschmolzen. Dieser Prozeß wird Metamorphose genannt. Ich weiß, dass klingt alles so weit weg.
Doch Bezug dazu habe ich gewonnen, seit ich mir einige Eckdaten gemerkt habe. Unsere Erde ist ca 4,6 Milliarden Jahre alt. Damals war es einfach zu heiß, alles war geschmolzen, die Erde musste erstmal etwas abkühlen. Doch schon 0,3 Milliarden Jahre später umschloßen Gneise Zirkone. Zirkone schauen aus wie Diamanten, nur gibt es sie viel öfter, und so werden sie als billiger Ersatz bei Modeschmuck verwendet, aber sie sind oft diejenigen, die das Alter umgebender Steine verraten. In Kanada und Grönland aber auch in anderen Kratonen (das sind alte erste Trümmer, die den Kern unserer Kontinente bildeten) findet man sie. Der Zerfall von Uran in ihnen verrät ihr Alter. Wenn ich das nicht gewusst hätte, würde mich der Hinweis nicht beeindruckt haben.
Das Becken des Bighorn-River trennt diese Berge von den Rocky Mountains, auch wenn sie geologisch zusammengehören. Dass ich über einen Pass fahren sollte, der knapp 400m höher als unser Großglockner liegt, ahnte ich nicht. Der Powder River Pass liegt rund 2946m hoch (der Pass des Großglockners 2576m).
Und damit beschließe ich meinen heutigen Unterricht 🙂 Abschließend ein paar Bilder von altem metamorphem Gestein und Sedimentgestein, das leicht durch die sichtbaren Schichten zu identifizieren ist. Dazwischen zittern ein paar Espen vor Ehrfurcht.