Die Natur war gnädig zu mir. Nachdem ich mich am Vortag bemühte, meine Augen nicht zu reiben und abends meinem schmerzenden Knöchel einen kalten Umschlag verpasste, regnete es heute und nichts schmerzte mehr. Das war eine tolle Überraschung und der Aufbruch, tat mir ein wenig leid, da ich mit Tom gern mehr gesprochen hätte.
Tom war um 5 Uhr aufgebrochen und so sagte nur der Hund Abschied, so schüchtern er am Vortag war, so treu war er jetzt.
Als ich meinen Rucksack ins Auto warf, sah ich eine Maus flitzen. Wie kam die Kleine nur auf die Idee, sich in mein Auto zu verkriechen? Es war ein regnerischer Tag, aber das ist kein Grund sich in ein Gefängnis zu begeben, aus dem man nicht mehr entkommt.
Beim nächsten Stop räumte ich das gesamte Auto aus, und stellte fest, sie hatte begonnen ein Nest zu bauen, knabberte an Dosendeckel, hatte verschlossene Pastikverpackungen geöffnet. Leider schaffte sie den Weg hinaus nicht mehr. Ich fand sie später tot im Auto und beschloss sie an einem guten Platz der Natur zurückzubringen.
Ein Abfalleimer ist kein guter Platz. Ich habe schon vorher beschlossen noch einmal bei Bear Butte vorbeizuschauen. Dort liegt sie nun unter einem schönen Baum.
Den westlichsten Punkt meiner Reise hatte ich erreicht, nun geht es also wieder Richtung Madison, wo meine Reise begann. Ich hatte vom Medicine Wheel in den Bighorn Mountains erfahren, von ihm hatte ich vorher genauso wenign gehört, wie von den Bergen, in denen dieser Platz lag. Und wie andere auch wissen, sind alle Straßen flach auf einer Karte, als es langsam wieder aufwärts ging, ahnte ich Schlimmes, doch zugleich wollte ich es nicht wahrnehmen.
Von Cody aus fuhr ich — inzwischen mit Sonnenschutzfaktor 50 (für Babies) im Gesicht, ich lerne aus meinen Fehlern — von rund 1500 m in die Höhe, auf etwa 3000 m Seehöhe, von der fast einspurigen 3 Meilen langen Schotterstraße, wo es entweder links oder rechts ziemlich runter geht, wusste ich nichts. Aber auch auf der breiten Straße zitterte ich, als ich, nachdem ich ein Foto schoß, wieder weiterfahren wollte. Bei einem Gang-Auto weiß ich ja was tun, aber ich hatte ein Automatic-Auto (ohne Handbuch, keine Ahnung wie ich einen niederen Gang fixieren hätte können).
Als ich mich überwand — schließlich war ich schon so weit gekommen — fuhr ich auch die Schotterstraße rauf, in der Hoffnung, dass dort genauso wenig Autos fuhren, wie die restliche Strecke, und so war es auch. NUR mit dem Schnee hatte ich nicht gerechnet. Ein Teil der Straße war gesperrt und beim Weg hin zum Medicine Wheel war mindestens ein Schneefeld zu überqueren.
Meine Augen begannen langsam zu schmerzen, ein Bein begann weh zu tun, dass ich am Ende des Tages nur mehr humpelte. Sehr seltsam das alles, denn am nächsten Tag war alles vorbei, wie ein Spuck, nie da gewesen. Auf jeden Fall half es, eine schnelle Entscheidung zu treffen und alleine keine Überquerung eines Schneefeldes zu wagen. Meine Abenteuerlust kennt Grenzen.
Ich hoffte, dass die Straße hinunter weniger Steigung hatte, als jene aufwärts, dem war auch so, und ich kehrte bei Tom ein. Ein großzügiger Host, der zwar keine Zeit hatte, aber mir das ganze wunderschöne Haus überließ. In der Früh war er um 5 aufgebrochen und hat mir eine Notiz hinterlassen. Er arbeitet als Kunsthandwerker, der aus Metall alles mögliche für Reiter anfertigte. Wie alle meine Hosts in Wyoming überraschte auch er mich damit, dass nichts abgesperrt war, und wie offen und leicht sie Fremden vertrauten.
Noch ein paar Bilder und dann war ich in Sheridan.
Als ich von Cody aufbrach, empfahlen mir Ruth und Pete, meine Hosts in Cody, an einen traurigen Ort zu fahren. Alle Nationen haben Orte, die einen mit Scham erfüllen, Amerika ist nur ein großes Land, mehr Augen sind darauf gerichtet. Aber inzwischen bin ich alt genug, neugierig genug, um Trauriges an vielen Orten zu entdecken.
Ich bin aber auch müde geworden, wie die einen den anderen Vorwürfe machen. Als mir einmal jemand gestand, dass er Fehler gemacht hatte, für die er sich jetzt schämte, war ich froh, denn ich konnte ihm sagen, die Vergangenheit kannst du nicht mehr ändern, doch jetzt kannst du dein Bestes versuchen. Es war eines der letzten Gespräche, die ich mit meinem Vater führte.
Das ist es, was ich mir von anderen und von mir wünsche, wenn ich Fehler erkenne, sie wahrnehmen und verstehen, um sie nicht wieder zu machen. Wenn ich also an einen Ort komme, für den ich mich schäme, dass Menschen anderen Menschen so etwas antun, dann liegt es an mir, aufmerksam zu sein, wie ich es verhindern kann, wenn ich vor so einer Entscheidung stehe.
Warum ich davon anfange? Ich kenne genug Menschen, die abfällig über Amerika sprechen und denen will ich sagen, kehre vor deiner eigenen Tür. Denn daran musste ich denken, als ich Anton Treuer zuhörte. Er ist ein Ojibwe und versucht die Kommunikation zwischen Menschen zu verbessern, den first und den “second” people. Er sprach in einem Video davon, wie schwer es für ihn war Dachau und Mauthausen zu finden, während Ausschwitz schon 200 km weit vorher beschildert ist.
Aber hier ist wohl die Rede von den third people. Viele Japaner kamen gegen Ende des 19.Jahrhunderts. So richtig willkommen waren sie nicht und normalerweise wurden erst ihre Kinder zu Amerikanern. Als im Dezember 1941 Japaner Pearl Harbour angegriffen, wurde durch Franklin D. Roosevelt bekannt gemacht, dass Japaner, die im Westen der USA lebten, sich zurückzuziehen hatten. Jene, die es nicht schafften wurden in Camps untergebracht. Das Heart Mountain Relocation Center war eines davon. Ihre Nationalität, aber auch ihre Herkunft machte sie zu Feinden. Mit keiner anderen Volksgruppe wurde so verfahren. Ihr Verbrechen war, Japaner zu sein und an der Westküste zu leben. Wyoming ist ein schöner Platz,
wenn man sich dafür entscheidet. Doch wenn man von der Westküste der USA kommt mit seinem durch den Pazifik sanfteren Klima, dann ist es verdammt hart. Im Winter gibt es kalte Winde, im Sommer heißes Wüstenklima und das alles in einer Seehöhe von ca. 1500 m. Das ist kein Ort, an dem es leicht ist zu leben. Mehr gibt es hier nachzulesen: Heart Mountain Relocation Center
Es wäre lächerlich, Vergleiche zu ziehen. Es waren keine Konzentrationslager wie bei uns. Aber es handelte sich auch nicht um ein Ferienlager, sie zogen in nackte Hütten. Keine Vergleiche. Ich will das nicht. Ich habe mir in dem kleinen Museum einen Film mit anderen Menschen angeschaut. Es waren auch Japaner dabei. Mit Tränen in den Augen. Nachfahren.
Das erste Tier, dem ich begegnete, war ein Kojote. Ich weiß nicht, ob er sein Revier erweiterte, oder ob er nicht recht wusste, was tun, denn am Straßenrand lag ein Kadaver eines anderen Kojoten, über den sich gerade ein Adler und später ein Rabe hermachten. Normalerweise sind sie Einzelgänger, aber Frühling ist auch die Zeit, wo sich 2 zusammentun, wer weiß. (Die romantische Variante, dass hier einer trauert, war natürlich die erste, die mir kam.
Die erste Elchkuh, die ich sah, schaute mich mindestens genauso verwundert an wie ich sie. Ein Foto? Keine Zeit, ich musste staunen. Alle weiteren waren weit weg,
bis jetzt schaffte ich es nicht, noch einmal einem näher zu kommen. Diese hier war sehr weit weg und erst als ich das Bild am Computer vergrößerte, war ich mir sicher einen Elch gesehen zu haben.
Am Bear Butte sah ich ein Murmeltier und ich fürchte, es war krank, denn es hatte sich in der Nähe der Toiletten häuslich eingerichtet, die Nase zeigte viele Geschwüre.
Doch wir beide beobachteten uns gegenseitig in aller Ruhe und keiner versuchte den anderen zu stressen. Ein Leben miteinander in Stille und Frieden.
Verwandte der Murmeltiere sind die Präriehunde, die nicht von allen geliebt werden. Sie bauen unterirdische Bauten — manche sprechen von ganzen Städten — und wenn wilde Reiter ein Pferd durch die Gegend jagen, kann es sein, dass sich das Pferd verletzt. Ohne den Reiter würde dies nicht passieren.
Die Ziesel aus Mammoth Hot Springs gehören übrigens zur gleichen Familie. Es handelt sich um Nagetiere, so wie Streifenhörnchen, besser bekannt als A- und B‑Hörnchen, zumindest bei jenen, die Micky Mouse als Kinder lasen.
Streifenhörnchen oder Chipmunks habe ich bislang überall gesehen, ob das mitten in Madison war oder in Kalifornien, dieses hier war in 3000m Höhe in den Bighorn Mountains.
Das bringt mich zu den Bighorn Sheep. Bevor ich noch von diesem hörte, wusste ich zumindest, dass es sich nicht um eine Mountain Goat handelte, wie eine andere Besucherin in den Badlands von South Dakota meinte, als sie in der Ferne auf einem Berg die Silhouette sah.
Es war das erste Dickhornschaf, das ich sah und eigentlich kann ich mich nicht entsinnen, von einem solchen gehört zu haben. Ich dachte zuerst mal an einen Steinbock. Das erste war weit weg, das nächste allerdings ging an meinem Auto vorbei, so nah, dass ich zuerst nur schauen konnte, die Großaufnahme von seinem Hintern erspar ich euch, aber eine Aufnahme des ganzen Schafes von hinten darf sein. Wilde Schafe in Europa sind seit 3000 Jahren ausgestorben.
Die Wapiti-Hirschkuh ist verhältnismäßig klein, denn der Hirsch ist richtig riesig. Wichtig für uns Deutschsprechenden ist der Name. Unter Wapitihirsch kennen wir ihn, so kann er auch in den USA genannt werden, doch meist wird er Elk genannt, während die Briten den Elch, so wie wir, ‘elk’ nennen. Wapiti bedeutet weißes Hinterteil, die Shawnee nannten ihn so.
Und da waren Tiere, da ergab sich der Name von selbst, die Longhorns. Klar kennt man die aus Western, doch achte ich auf irgendwelche Rindviecher die irgendwo rumlaufen?
Wie lange die Hörner diese Longhorns sind, wurde mir erst klar, als ich sie selbst sah.
Die Adler und Falken, die Gänse und Geier, die zahlreichen Raben will ich dieses Mal nur erwähnen, ich sah sie fliegen und bewunderte sie. In Cody sah ich noch einen Truthahngeier, über den ich auch einen Vortrag am Devils Tower hörte. Sie gehören zur Gesundheitspolizei in der amerikanischen Tierwelt und eigentlich sieht man sie überall. Ich hatte sie anfangs nicht immer erkannt, nach ein paar Wochen war mir klar, wie oft ich sie über mir schweben sah.
Auf eine nähere Begegnung mit einem Bald Eagle, dem Weisskopfseeadler, musste ich lange warten, doch einmal startete einer direkt von einem Baum, an dem ich gerade vorbeiging. Ich blickte nur nach oben, weil es sich anhört, als ob etwas riesiges herunterstürzt. Doch er hob nur ab und flog in einem großen Bogen weg.
Die Büffel dürfen heute den Abschluss bilden. Der eine, der so gerade in meine Augen schaut, hat in Yellowstone einen Holzsteg gerade vor mir überquert. Wir Menschen sind sehr respektvoll stehen geblieben, wer weiß, ob er nochmal kehrt macht. Die Büffel in Yellowstone machen mir Freude, sie spazieren auf der Straße und wir haben Nachrang. Recht so!
Finally … Ich habe mir Old Faithful tatsächlich aufgespart, er war das letzte, das ich in Yellowstone besucht habe. So ein Geysir, der so pünktlich ausbricht, ist wohl das Allerschönste, was sich ein Tourismusmanager wünschen kann. Im Durchschnitt alle 90 Minuten zischt es und für mich gab es noch dramatische Wolken, yeah!
Es ist spannend, wie sehr mir die Orte vertraut vorkamen und doch war jeder anders, einzigartig. Dieses Becken wird Porcelain Basin genannt. Diese Farben …