Bevor mich die Höhlen des Perigord Noir ganz in Beschlag nehmen, möchte ich nochmals zu den Gedanken zurückkehren, die mich begleiteten als ich durch die Alpen fuhr, den Eiszeiten.
Der Neuenburger See ist ein solches Überbleibsel, nämlich ein Teil einer der Gletscherzungen des Rhône-Gletschers, der der größte alpine Gletscher der letzten Eiszeit war. Eine Gletscherzunge erreichte Lyon, die andere ging bis nach Aarau ins Schweizer Mittelland.
Hier muss ich einmal betonen, wie sehr ich diesen Schweizer Pragmatismus schätze.
Das Land, das in der Mitte liegt, heißt Mittelland, die letzte Eiszeit nennen sie nicht Würm, sondern letzte Eiszeit, selbst die Riss-Eiszeit bekommt keinen Namen sondern wird vorletzte genannt. Warum ich das erwähne? Tja, auf der Suche nach Informationen über die Eiszeit (das Wissen darüber hat mich die vergangenen 40 Jahre einfach verlassen) habe ich erstaunliche Dinge herausgefunden.
Oder wüsstest du, dass die überall anders genannt werden. Nehmen wir mal die letzte Eiszeit. In der Wikipedia fand ich folgendes:
Im Alpenraum wird sie als Würm‑, in Nord- und Mitteleuropa als Weichsel‑, in Osteuropa als Waldai‑, in Sibirien als Zyryanka‑, auf den Britischen Inseln als Devensian, in Irland als Midlandian‑, in Nordamerika als Fraser‑, Pinedale‑, Wisconsinan- oder Wisconsin‑, in Venezuela als Mérida‑, in Chile als Llanquihue- und in Neuseeland als Otira-Kaltzeit bezeichnet.
Und irgendwo fand ich dann auch noch die letzte Eiszeit der Schweizer. Geologen sind ein seltsames Volk und ob sie danach streben, verstanden zu werden, glaube ich nicht recht.
Egal, diese Zeit begann ‑überall ein wenig anders, um mich weiter zu verwirren- vor etwa 115.000 bis 110.000 Jahren und endete vor etwa 12.500 bis 10.000 Jahren. Damit sollte es gewesen sein? Nichts da! Es war zwar kein Wechselbad der Gefühle, aber sicherlich eines des Temperaturen. Es war ein ständiges hin und her. Wenn es da Wissenschaftler gibt, die den menschlichen Fortschritt mit diesen sich ständig änderten Bedingungen in Zusammenhang bringen, dürften sinnliche Unrecht haben. Not macht erfinderisch, heißt es doch so schön. Mal sehen, wie erfinderisch wir noch werden.
Was hat das nun wieder mit meiner Reise zu tun?
Es ist die Zeit, als die Neandertaler hier lebten und die ersten modernen Menschen vor 40.000 Jahren Europa betraten. Um diese Zeit, wenn nicht früher, betraten die ersten Australier ihr neues Land. Hier habe ich so viel verschiedenes gelesen, dass ich nicht recht weiß, was ich glauben soll. Ich fürchte, dass wir Europäer es nicht aushalten, wenn andere früher einen anderen Kontinent entdeckten. Mit Lumineszenzmethoden sind australische Wissenschaftler heute bei 60.000 Jahren angelangt. Während wir Europäer uns noch nicht aus Afrika hinauswagten.
Ich wollte mir vorstellen, wie Europa damals aussah.
Die Landschaft war vermutlich oft von Tundra und Steppe geprägt, auch einzelne Waldinseln soll es gegeben haben.
Hier haben wir also Flechten und Moose. So unscheinbar diese Lebensformen sind, so wichtig sind sie für unsere Erde. Denn sie waren wesentlich daran beteiligt, die unsere Erde zu dem zu machen, was wir heute als so selbstverständlich nehmen. Flechten sind Lebensgemeinschaften zwischen Pilzen und einem oder mehreren Photosynthese betreibenden Partnern. Diese Photobionten, auch Phytobionten genannt, sind Grünalgen (Chlorophyta) oder Cyanobakterien. Sie eroberten das steinige Land und erzeugten als erstes Erde. Erde, die die Pflanzen zum Leben brauchten. An einer stelle stand, dass sie vielleicht schon vor 800 Millionen Jahren an Land gingen. Das sind 200 Millionen Jahre bevor mehrzellige Lebewesen, deren Fossilien wir gefunden haben, entstanden. (Für jene, die es genau wissen wollen, ich spreche von der Ediacara-Fauna). Damit beteiligten auch sie sich an der Sauerstoffproduktion, denn durch den Sauerstoff wird erst höheres Leben möglich werden.
Und Moose? Wenn man die kleinen Stiele betrachtet, ahnt man nicht, was daraus wurde. Sie waren die ersten Formen, die nach oben strebten. Später sollten daraus Bäume werden.
Nachwievor sind es diese Flechten und Moose, die als erstes Land erobern, das nur aus Gestein besteht. Das wird auch so an jenen Stellen sein, wo Gletscher sich zurückziehen.
Wie es hier im Perigord Noir aussah, weiß ich nicht. Einer der Guides meinte, das die Landschaft hier ebenso bewaldet war wie heute. Da schlägt bei mir der alpine Mensch durch. Als ich durch die Gegend fuhr, hatte ich keinen Orientierungssinn. Zugegebener Maßen war es bewölkt und die Sonne konnte mir bei der Orientierung auch nicht weiter helfen. Wie der Cro Mangno Mensch die Höhlen wiederfinden konnten, die sie zum Teil bewohnten, zum Teil nur für die Zeremonien aufsuchten, um auf Wänden Malereien, Gravuren (Petroglyphen), und Skulpturen anzufertigen, ist mir nicht ganz klar. Vielleicht halfen ihnen die Flüsse. Beim Fahren erschienen mir die Wälder wie eine einheitliche riesige Landschaft.