Heute wollte ich einer Freundin eine Karte schicken. Eine selbst gemachte.
Denn ich dachte mir,
mit meinem Herzen reisen wäre schön.
Denn jemand anderem eine Freude zu bereiten, ist wie eine Reise: Sie beginnt bei der Überlegung, was würde den anderen freuen, die verschiedenen Schritte bis zur fertigen Postkarte sind die Stationen auf dem Weg dorthin, und wenn die Karte ankommt, bin ich am Ziel meiner Reise angekommen.
Es sollte etwas Einfaches sein. Etwas, das dir die Scheu nimmt, es auch zu wagen. Und sogar, das ist egal. Eine einfache Postkarte, auf der steht: “Ich denke an dich!” wird den anderen freuen. Mehr muss es nicht sein. Wirklich nicht. Oder der andere ist es nicht wert, dein Freund oder deine Freundin zu sein.
Ich zeichnete also ganz einfach Striche und simple Symbole. Als ich diese zeichnete, musste ich an die Tätowierungen von Ötzi denken, die sich ja erstaunlicherweise an Punkten befinden, die auch in der Akupunktur eine wesentliche Rolle spielen. Selbst wenn diese kleinen Schnitte — es waren Striche und Kreuze — zur Heilung angebracht wurden, so ist das Hineinreiben von Kohle, ein Schritt auch an die Symbolkraft dieser Ritzungen zu glauben.
Die Karte ist fertig und will abgeschickt werden.
Aber das war’s noch nicht. Denn ich wollte wissen, ob diese einfachen Symbole in den Tätowierungen auch woanders verwendet wurden, und stieß auf die Tattoos des Inuitfrauen, die mich sehr berührten.
Ihre Tätowierungen sind dekorativ, aber was viel wesentlicher und wichtiger ist, sie sind Verbindungen zur spirituellen Welt und unterstützen Mädchen, wenn sie Frauen werden, in dieser Zeit des Übergangs. Die Frau, die das sagte, ist Althea Arnaquq-Baril, eine Filmemacherin und eine Frau, die hilft, den Inuit eine Stimme zu geben.
Ich musste an die wunderschönen Arbeiten der Inuit denken, die ich in San Francisco im “De Young” gesehen hatte. Mir fiel wieder Sedna ein.
Die erste Geschichte, die ich über Sedna, einer wesentlichen Göttin der Inuit, gelesen hatte, war eine Variante mit einem Raben. Ich bekam Lust, meine Sedna zu zeichnen und so setzte ich mich hin und hier ist meine Sedna mit dem Raben.
Vor kurzem erzählte ich diese Geschichte einer kleinen Freundin mit indianischen Wurzeln, als wir in der Nacht der Perseiden den Himmel mit seinen Sternschnuppen beobachteten. Wir lagen auf einer Decke, schauten den ‘Falling Stars’ beim Fallen zu, und erzählten uns gegenseitig die unterschiedlichen Geschichten von Sedna. Wie sehr wir hier der Tradition folgten, war mir nicht klar. Aber das war die Form, wie diese Geschichten immer weitergegeben wurden. Nicht schriftlich, sondern durch Geschichtenerzähler und ‑erzählerinnen.
Also suche ich weiter und fand, dass es noch viel mehr als unsere zwei Geschichten gab, doch der Kern ist immer gleich.
Es ist die Geschichte, wie die Tiere und Fische des Meeres erschaffen wurden.
Die Geschichten haben eines gemeinsam, sie erzählen von einer jungen Frau, die von ihrem ängstlichen Vater aus dem Kajak geworfen wurde. Als sie versuchte sich an der Seite festzuhalten, nahm ihr Vater das Messer und schnitt ihre Finger ab. Als diese ins Wasser fielen, wurden ihre Finger Wale, Seehunde und Polarbären. Ihre Nägel wurden Fischbein.
Während die junge Frau in die Tiefe sank, verwandelte sie sich in ein mystisches Wesen, das heute als Sedna bekannt ist, und als Göttin über das Leben im Meer herrscht.
Wenn sie beleidigt wird, sendet sie Unglück den Jägern und bringt Hunger zu deren Familien. Wenn sie mit Respekt behandelt wird, sendet Sedna den Inuit (Menschen) Überfluss durch ihre geschickten Jäger.
- Was erzählt uns diese Geschichte heute?
- Sind nicht wir, die in der Wohlstandsgesellschaft leben, jene, die Sedna beleidigen?
- Zerstören wir nicht gerade die Umwelt der Lebewesen, die durch Sedna erschaffen wurden und nicht nur deren Umwelt, sondern auch die der Menschen, die seit Jahrtausenden dort leben?
- Und wird diese Missachtung, egal ob ich an Sedna glaube oder nicht, uns Unglück bringen?
Inuit, das bedeutet Menschen — wie sollten sie sich denn anders nennen‑, haben mit dieser Göttin einen wunderschönen Mythos geschaffen. Sie gibt der Abhängigkeit des Menschen von seiner Umwelt eine Geschichte, zeigt die Beziehung zu ihr und warnt vor dem Unglück, wenn wir Menschen dies vergessen.
Ist es nicht Zeit, dass wir uns fragen,
uns bewusst zu machen, dass nur hier unsere Heimat ist und wir ohne sie nicht sein werden.
Wohin werden wir unseren nächsten Schritt setzen?
Wir können einiges von den Inuit lernen. Gerade heute, wo immer mehr Menschen achtlos und beleidigend nicht nur der Umwelt, sondern auch Menschen gegenüber treten. Inuit haben durch die harten Lebensumstände gelernt, dass sie zusammenhalten müssen und daraus spezielle Formen entwickelt, dass Streitereien nicht eskalieren.
Statt sinnloser Kraftspiele haben sie Wettkämpfe entwickelt, wo es darum geht, nicht das Gesicht zu verlieren. Das würde passieren, wenn man seine Gefühle nicht mehr im Zaum halten kann. Sie nutzen Humor, um zu zeigen, wenn etwas nicht passt, oder wenn sie auf jemanden zornig sind. Kannst du deinen Zorn nicht zügeln, hast du verloren. Ausgeglichenheit ist wichtig für sie, und es wird klar, dass ihnen viel bewusster als uns ist, dass wir als Menschheit zusammenhalten müssen. Schreien und Ausflippen, wie es an so vielen Stellen immer öfter passiert, gefährdet unser Überleben. Vielleicht ist heute die Zeit gekommen, dass wir von ihnen lernen, wie Streitereien nicht ausbrechen, sondern durch Wettspiele beruhigt werden können.
Doch gerade diese Eigenschaft macht es ihnen in unserer Gesellschaft schwer. Inuit wollen nicht zornig erscheinen und werden heute kaum gehört. Extremisten machen sie extrem nervös und sie bedeuten viel Stress für sie.
Erst so wird klar, was es heißt, einen Film wie “Angry Inuk” — “Zorniger Mensch” zu drehen. Althea Arnaquq-Baril ist hier über die Grenzen ihrer Gesellschaft hinaus gewachsen und versucht sich und den ihren, Gehör zu verschaffen. Ich habe mir das Interview mit Althea Arnaquq-Baril über ihren Film “Angry Inuk” angehört, habe ein wenig nachgelesen und langsam verstehe ich mehr. Das hier ist der Trailer zu diesem Film.
Wie du vielleicht weisst, ist die Seehundjagd verboten worden. Nur Indigene dürfen jagen. Was dabei nicht bedacht wurde, ist, dass damit für die Jäger der Verkauf der Seehundfelle nun total zusammengebrochen ist. Im Gegensatz zum Elfenbein, für das ein leider immer noch sehr lukrativer Schwarzhandel besteht, ist der Handel mit legalen Fellen total zum Erliegen gekommen. Das bedeutet, dass die Inuit nicht mehr durch ihre traditionelle Arbeit leben können. Auch sie leben im 21. Jahrhundert und brauchen Geld zum Überleben, dies war nur durch ihre traditionelle Jagd möglich. Nun haben sie nichts mehr, womit sich Geld verdienen lässt, ausser an geldgierige Firmen Schürfrechte zu verkaufen, mit denen die Zerstörung dieser sensiblen Welt einhergehen wird. Dies ist das Thema dieses Filmes.
Ich habe noch einen anderen Film gefunden, der mehr über Inuit (diesmal aus Alaska) erzählt. Dort ist die Problematik eine andere, obwohl sie auch mit Pelzhandel verbunden ist. Zuerst kamen die Russen, die die Aleuten später den USA verkauften, die einfach mit der von den Russen begonnenen Pelzindustrie weitermachten. Die billigen Arbeitskräfte waren die dort lebenden Inuit. Als der Handel verwerflich wurde, waren nicht nur ihre traditionellen Jagdgründe ruiniert, sie hatten auch keine Arbeit mehr.
Postkarten selbst gestalten
Typ: Gedankenreise
Idee: Eine Postkarte selbst gestalten
Tipp: Wenn du nicht zeichnen kannst/magst, dann suche dir eines deiner Fotos, das dir besonders gut gefällt und lass es entwickeln. Oder suche dir ein Gedicht, oder einen Spruch, der gerade deine Stimmung wiederspiegelt und schreibe sie auf die Karte.
Trick: Mit jeder Karte machst du mehrfach Freude:
- wenn du sie malst: Dir selbst
- wenn du sie verschickst: Beim Gedanken an deine Freundin oder deinen Freund
- wenn sie bei dem anderen ankommt
- wenn ihr euch wiederseht
wenn es ganz professionell aussehen soll, dann drucke auf die Rückseite einen Postkarten-Vordruck
Hinweis: Beachte, dass
- die weissen Din A6 Karteikarten nicht zu dünn sind
- die Stifte, mit denen du malst, wasserfest und, wenn sie länger halten soll, auch lichtbeständig sind
- du, falls du mit Farben malst, daran denkst ein Fixativ, zu verwenden. Hier ist ein Universalfixativ angeführt, aber es gibt für alle Farbtypen spezielle. So überlebt dein Bild auch die Reise.