Um 400 n.Chr. wurde eine erste Höhensiedlung am Hemmaberg neben der römischen Poststation Iuenna am Fuße (beim heutigen Globasnitz) errichtet. Es waren unruhige Zeiten und im Tale wurde es ungemütlich. Man zog sich lieber in die Berge zurück, um besser auf Feinde vorbereitet zu sein. Funde von Münzen und spezieller Töpferware erlauben eine Datierung dieser Siedlung.
Wie immer lese ich nicht vor, sondern meist im Nachhinein. Das hat mit meinem Wunsch überrascht zu werden zu tun. Also lass ich dich teilhaben an meinen unerwarteten Erkenntnissen.
Ich bin also nicht der Straße entlang hinauf gegangen und so habe ich erst im Nachhinein erfahren, dass es sich um die mindestens 2000 Jahre alte Straße handelt. An dieser Straße wurden bis jetzt 125 Gräber gefunden und zwar aus dem 5. und 6. Jahrhundert. Auch ein Hinweis für die Funktion des Hemmaberges als Pilgerzentrum. Doch die ersten Überreste, die ich sah, waren die eines Wohnhauses.
Auf dem nächsten Plateau war die erste Kirchenanlage — nur wußte ich nicht, dass es die erste Doppelkirchenanlage von zweien war.
Es war nicht nur die erste, es war auch die unterste Kirchenanlage, die auf einem der aufgeschütteten Plateaus errichtet wurden. Es wurden Tonnen von Erdreich aufgeschüttet, um diese Kirchen zu errichten.
Das Podest ist der eigentliche Altarraum, der zu jener Zeit noch verhüllt war bzw. ein eigener Raum war. Ich habe das zum in einer alten Kirche in Venedig, der Basilika Santa Maria Assunta zum ersten Mal bewusst wahrgenommen. Ach und schon wieder stoße ich auf mir völlig fremde Begriffe: Lettner soll das heißen. Also das Mysterium wird verhüllt.
Hier saßen also Priester, Diakone und Subdiakone werden der Messe. Subdiakone gibt es heute nicht mehr, es war die erste Weihe, die ein Mann auf dem Weg zum Priester erhielt. Seit dem 3. Jahrhundert gab es sie und wurde fast 1700 Jahre später, 1972 unter Paul VI., wieder abgeschafft.
Auf dem Foto vorne sieht man einen markanten Stein, darunter befanden sich die Märtyrer-Reliquien, die sich anscheinend damals in allen Kirchen befanden. Ebenso wie die Kapellen für die Kirchenstifter, die sich auf Grund der Nähe zu den Reliquien einen schnelleren Zugang zum Himmelreich erhofften.
Ich setzte mich auf die Klerusbank.
Schon letztes Jahr fiel mir auf, wie laut es überall ist, wo Menschen sind. Ich hörte sie reden, noch lange bevor ich die ersten sah. Ich musste aber auch über die Flugzeuge nachdenken, deren Rauschen ständig über mir schwebte. Als Kind war es noch etwas besonderes, wenn ich im Gras liegend einem Kondensstreifen nachsah. Der Streifen war etwas aufregendes und das eigenartige entfernte Donnern auch.
Jetzt war ich auf 814 Meter Höhe und rund um mich, war immer noch von Menschen erzeugter Lärm. Wenn ich einmal niemanden reden hörte, dann dröhnten die Flugzeugmotoren über mir. Es macht mich traurig, dass mir erst letztes Jahr auffiel, wie zerschnitten der Himmel heutzutage aussieht. So wie es früher etwas besonderes war, ein Kondensstreifen eines Flugzeuges zu sehen, so ist es heute etwas besonderes einen blauen Himmel zu sehen, den kein Wölkchen trübt.
Stille klingt anders.
Neben dieser Kirche ist eine zweite mit einem Taufbecken. Als Taufkirche überraschte mich nur, dass Stufen in ein viereckiges Taufbecken führte. Es waren also Erwachsene, die getauft wurden, die ganz in das Wasser getaucht wurden. Dieses Becken wird Piscina genannt.
Neu war für mich auch der Begriff des Narthex. Das ist ein Vorraum, den jede der Kirchen enthielt. Dort konnten sich Ungetaufte aufhalten und den Zeremonien beiwohnen.
Doch diese Doppelkirche ist nicht die einzige Doppelkirche am Hemmaberg. Doch warum 2x2 Kirchen? Naja, das mit den verschiedenen Aufgaben der Doppelkirche kann ich ja noch verstehen, aber warum noch eine? Genauso wie die erste nach Osten ausgerichtet, konnte ich dann lesen, dass es sich um eine Arianische und eine Katholische handelte. Und der erste Komplex, den ich angesehen hatte, war jener der Arianer.
Arianismus hatte ich ja schon mal gehört, aber ich wußte absolut nichts mehr damit anzufangen. Im Römermuseum Teurnia fragte ich dann nach. Die Ostgoten, die zur Zeit Theoderichs des Großen diese Region (und auch Italien) militärisch kontrollierten, waren Arianer. Von 493 bis 536 n.Chr. gehörte Kärnten bzw. das damalige Noricum zum Ostgotenreich.
Im Gegensatz zu den Katholischen Christen glaubten sie nicht an die Trinität: Gott Vater, Gott Sohn und der Heilige Geist. Weiters erfolgte ihr Gottesdienst in ihrer Muttersprache. Durch ihren Glauben beistzen wir das älteste Dokument einer germanischen Sprache: die Wulfila-Bibel. Von der ich als Bibliothekarin selbstverständlich schon gehört hatte, es ist ein 1700 Jahre altes Zeugnis, nur dass ich nie gehört habe, dass es vielleicht die Bibel der Arianer war.
Erst die Bibel, mit der Karl der Große um 800 Alkuin beauftragte, wurde eine Übersetzung wichtiger bis zu jener, die Martin Luther im 16. Jahrhundert anfertigte.
Die Ostgoten mussten ziemlich tolerant sein, denn die katholische Kirche liegt durchaus prominenter und es musste sicherlich weniger aufgeschüttet werden, wie bei der Arianischen. Doch beide Kirchenkomplexe haben Mosaike mit ähnlichen Motiven und man schließt daraus, dass beide etwa zur gleichen Zeit errichtet wurden.
Das Taufbecken der katholischen Kirche hatte ein eigenes Baptisterium, das vom Narthex (diesem Vorraum für Ungläubige) betreten werden konnte.
Das Taufbecken wurde nochmals durch ein hölzernen Baldachin geschützt. Die Einfassung durch Marmor gibt diesem Taufbecken ein geradezu modernes Aussehen, finde ich. Das Baptisterium selbst ist achteckig, wie viele andere auch. Die Acht galt im Christentum als Zahl des glücklichen Anfangs, der Neugeburt, des Neubeginns, der geistigen Wiedergeburt. Mit dieser Bedeutung ist klar, dass es auch für Taufe und Auferstehung steht. Sie ist ein Symbol des Neuen Bundes mit Gott und Symbol des Glücks.
Beide Kirchen waren mit kunstvollen Mosaiken ausgestattet und konnten
geborgen werden. Sie befinden sich im Archäologischen Museum in Globasnitz, für das mir aber die Zeit fehlte.
Die älteste der Kirchen wurde am Beginn des 4. Jahrhunderts errichtet. Durch ihre exponierte Lage, höher als die beiden Doppelkirchen, dürfte Grund für ihre schlechte Erhaltung sein. Auch bei ihr fand ich die Klerikerbank und den Punkt, wo sich die Märtyrer-Reliquien befanden.
Doch bereits in der 2. Hälfte des 6. Jahrhunderts, das bedeutet, kaum nach der Fertigstellung der Doppelkirchen, wurden sie bereits profan genutzt und am Ende des 6. Jahrhunderts brannte es am Hemmaberg und diese Brandzone zieht sich über den gesamten Kirchenanlage. Im allgemeinen wird angenommen, dass es die Zerstörung durch die Slawen passierte. Doch an einem der Orte, die ich besuchte (es kam noch der Magdalensberg und Teurnia hinzu) las ich die Vermutung, dass es auch ein Erdbeben gewesen sein könnte. Denn anscheinend wurden viele solcher Brandzonen in dieser Zeit entdeckt. Es kommt mir nicht ganz aus der Luft gegriffen vor. Schließlich ist das italienische Kanaltal in der Nähe und das ist ein bekanntes Erdbebengebiet. Die afrikanische Kontinentalplatte, die sich quer durch Italien hinaufzieht, macht einen Bogen über den Balkan hinunter nach Istanbul.
Mit der Wallfahrtskirche, die auf diesem Bild hervorblitzt, geht es dann weiter.