Mulka’s Cave ist für mich eine ganz spezielle Höhle. Nicht weil sie so besonders und einzigartig ist, im Gegenteil, es finden sich zahllose Abbildungen von Händen in aller Welt.
Doch damit beginnnt das Band zu Europa, denn Nordspaniens Höhlen behergen Abbildungen, die denen in Westaustralien wie ein Ei dem anderen gleichen. Doch die Schwierigkeit, die bei der Datierung solcher Malereien in Australien erwachsen, da sie regelmässig erneuert und lange Zeit Bestandteil lebendiger Rituale waren und sind, gibt es in Europa nicht. Wir haben auf sie vergessen. Das erlaubte aber eine andere Möglichkeit der Datierung. Pike und seine Kollegen datierten die Malereien indirekt: über Kalkablagerungen, die sich wie winzige Stalaktiten im Laufe der Zeit auf den Höhlenbildern gebildet haben. Dafür nutzten sie die sogenannte Uran-Thorium-Datierung. Sie basiert auf dem radioaktiven Zerfall von Uran zu Thorium. Aus dem Verhältnis dieser beiden Atomsorten in den Kalkablagerungen konnten die Forscher ermitteln, wann sich diese auf den Höhlenwänden gebildet hatten. Dies gab ihnen das Mindestalter der darunterliegenden Höhlenmalereien an.
Damit sind diese Hände, die ältesten ihrer Art in Europa. Die Nordspanischen Höhlenmalereien sind jenen, die ich hier in Australien fotografiert habe, zum Verwechseln ähnlich.
Die Geschichte, die dort an Schautafeln erzählt wird, kann ich nicht wirklich glauben, zuviele Dinge sprechen dagegen.
So wie es jetzt in Wikipedia nachzulesen ist, konnte ich es damals vor Ort lesen.
Mulkas Geist vertrieb der Überlieferung nach die Urbevölkerung. Mulka, schielender illegitimer Sohn eines heimlichen Liebespaares zweier miteinander verfeindeter Stämme, lebte dieser Legende nach in einer Höhle. Frustriert über seinen Sehfehler entwickelte er sich zum Tyrannen der Gemeinschaft, jagte und fraß kleine Kinder. Als seine Mutter ihn deswegen zur Rede stellen wollte, tötete er auch sie. Mit dieser Tat wurde er endgültig zum Geächteten. Er floh aus seiner Höhle, wurde aber von seinen Verfolgern aufgespürt und erdolcht. Von kommenden Aboriginal-Generationen wurde die Vorstellung tradiert, der Geist Mulkas lebe noch in der Höhle. Traditionsgläubige Aborigines meiden heute noch die Gegend; jedoch erzählen im Dienste der Tourismusbehörde stehende Stammesgenossen täglich mehreren Besuchergruppen diese Geschichte.
Warum kann ich es nicht recht glauben? Waverock ist viel zu faszinierend. Eine Welle aus Granit, die über 60 Millionen Jahre durch Sand zu dieser unglaublichen Formation geformt wurde, ist zu markant, als dass sie einfach aufgegeben wird. Aber was in meinen Augen noch viel wichtiger ist, sind die vielen Wasserstellen, die es rund um diese Granitfelsen gibt, Seen, aber auch ganz kleine Wasserlöcher (die zu einem kleinen Lehrpfad zur Lebensweise der Aborigines gehörte). Also ich glaube nicht, dass es dort keine Aborigines mehr gegeben hat.
Was ich als besonders empfinde, ist, dass man nur gebückt die Höhle betreten kann: der Eingang ist knapp 1 Meter hoch. Doch auch, dass es sich um eine Durchschlupfhöhle handelt, berührt mich. Auf der einen Seite wurden solche Höhlen immer wieder für Übergänge verwendet, von einer Welt in die Nächste. Andererseits gibt es eine solche Höhle gleich bei mir zuhause. Und auch sie wurde vor 6–7.000 Jahren von Menschen genutzt. Man fand Artefakte, die auf diese Zeit datiert wurden. Ich spreche vom Steinernen Stadl. Bergsteiger sprechen von einer der extremsten Bouldersites in Niederösterreich, denn die Höhle muss praktisch immer im horizontalen Dach einer gewaltigen Steinbrücke durchklettert werden.
Als ich in Mulka’s Cave war, legte ich mich in ihrem Inneren auf einen großen, glatten Granitfelsen, schloss die Augen und begann zu träumen. Ein leises immer lauter werdenden Summen umfing mich. Rhythmisches Stampfen unzähliger Füße gaben der Melodie einen Rahmen. Es waren meine Ahnen, die mit mir tanzten. Ein ungeheures Glück durchflutete mich.
Als ich wieder die Augen öffnete, überlegte ich, ob ich durch die Höhle durch und bei der anderen Seite hinaus krackseln sollte. Doch ich befand mich nicht in einem Übergang, also schlüpfte ich still dort hinaus, wo ich hereinkam. Vom Dunkeln ins Helle hinaus, war ich für einige Zeit vom Sonnenlicht geblendet. Das war einer der Momente, die diese Reise zu etwas ganz besonderem machten