Den westlichsten Punkt meiner Reise hatte ich erreicht, nun geht es also wieder Richtung Madison, wo meine Reise begann. Ich hatte vom Medicine Wheel in den Bighorn Mountains erfahren, von ihm hatte ich vorher genauso wenign gehört, wie von den Bergen, in denen dieser Platz lag. Und wie andere auch wissen, sind alle Straßen flach auf einer Karte, als es langsam wieder aufwärts ging, ahnte ich Schlimmes, doch zugleich wollte ich es nicht wahrnehmen.
Von Cody aus fuhr ich — inzwischen mit Sonnenschutzfaktor 50 (für Babies) im Gesicht, ich lerne aus meinen Fehlern — von rund 1500 m in die Höhe, auf etwa 3000 m Seehöhe, von der fast einspurigen 3 Meilen langen Schotterstraße, wo es entweder links oder rechts ziemlich runter geht, wusste ich nichts. Aber auch auf der breiten Straße zitterte ich, als ich, nachdem ich ein Foto schoß, wieder weiterfahren wollte. Bei einem Gang-Auto weiß ich ja was tun, aber ich hatte ein Automatic-Auto (ohne Handbuch, keine Ahnung wie ich einen niederen Gang fixieren hätte können).
Als ich mich überwand — schließlich war ich schon so weit gekommen — fuhr ich auch die Schotterstraße rauf, in der Hoffnung, dass dort genauso wenig Autos fuhren, wie die restliche Strecke, und so war es auch. NUR mit dem Schnee hatte ich nicht gerechnet. Ein Teil der Straße war gesperrt und beim Weg hin zum Medicine Wheel war mindestens ein Schneefeld zu überqueren.
Meine Augen begannen langsam zu schmerzen, ein Bein begann weh zu tun, dass ich am Ende des Tages nur mehr humpelte. Sehr seltsam das alles, denn am nächsten Tag war alles vorbei, wie ein Spuck, nie da gewesen. Auf jeden Fall half es, eine schnelle Entscheidung zu treffen und alleine keine Überquerung eines Schneefeldes zu wagen. Meine Abenteuerlust kennt Grenzen.
Ich hoffte, dass die Straße hinunter weniger Steigung hatte, als jene aufwärts, dem war auch so, und ich kehrte bei Tom ein. Ein großzügiger Host, der zwar keine Zeit hatte, aber mir das ganze wunderschöne Haus überließ. In der Früh war er um 5 aufgebrochen und hat mir eine Notiz hinterlassen. Er arbeitet als Kunsthandwerker, der aus Metall alles mögliche für Reiter anfertigte. Wie alle meine Hosts in Wyoming überraschte auch er mich damit, dass nichts abgesperrt war, und wie offen und leicht sie Fremden vertrauten.
Noch ein paar Bilder und dann war ich in Sheridan.
Ich hatte diese Reise nicht geplant und war gespannt, wohin es mich trieb.
Inzwischen ist mir klar, dass es mich in den Westen zog. Yellowstone, der erste Nationalpark der Welt, sollte mein Ziel sein. Doch was mich faszinierte, war die Tatsache, dass Yellowstone sehr weit weg war. Deshalb kam es mir zuerst auch nicht in den Sinn. Erst als ich in den Black Hills war, dachte ich, jetzt ist es auch schon egal, so nah war ich noch nie. Pelzjäger und Goldsucher versuchten im 19 Jahrhundert vereinzelt in das Gebiet vorzudringen, ihre Berichte allerdings wurden ignoriert. Zu seltsam klangen ihre Berichte, Jägerlatein, “Pelzjägerlatein”.
Erst 1869 kam es zu einer erfolgreichen Expedition geführt von einem Geologen und 1872 wurde das Gebiet zum Nationalpark erklärt. Das war nicht von Umweltbewusstsein getrieben, sondern von der Northern Pacific Railroad. Sie erhofften sich eine bessere Auslastung, puschte in die Richtung und Präsident Ulysses S. Grant dachte, einen Erholungspark wäre nicht schlecht. Die Natur bot ein Gratistheater.
Doch vorerst musste ich mal dorthin und zwar viel bequemer als vor 150 Jahren. Ich musste die Weiten der Great Plains überqueren. Ich hatte immer nur an Ebenen gedacht, doch eigentlich geht es stetig auf und ab, doch mehr auf als ab. Je weiter man in den Westen kommt, um so eher begegnet einem Täler, die sich ins Land eingeschnitten haben und tiefe Risse im Land hinterließen, so wie die Badlands in South Dakota. Badlands gibt es mehr. Im Winter pfeifen kalte Winde über das Land und im Sommer trocknen sie das Land aus. Durch die tiefen Wurzelsysteme der Gräser wird der Boden festgehalten. Ist hier kein Widerstand, bläst er unerbärmlich.
Für uns heute ist es kein Problem, ich habe mein Wasser mit und bin froh, dass mich der Wind von der Hitze ablenkt. Und die Airconditioning des Autos ist nicht zu verachten. Doch früher musste sicherlich nach Flusstälern Ausschau gehalten werden, die hier, wie in anderen Wüstengebieten, durch die Baumalleen erkennbar sind. Doch mit Planwagen, die von 2 und mehr Ochsen gezogen werden, über diese Hügel zu marschieren mit allem Hab und Gut, erzählt nicht nur etwas vom Pioniergeist, sondern eigentlich auch von der Verzweiflung armer Leute, die nichts zu verlieren hatten.
Heute nennen wir sie Wirtschaftsflüchtlinge. Den Druck auf jene Menschen, die bereits hier lebten, will ich nicht vergessen, davon später. Dieses Land war immer schwierig zu bewirtschaften. Es war kein Paradies und die heutigen Einwohnerzahlen erzählen davon.
Etwas, was ich anfangs total übersehen hatte, war, dass es stets bergauf ging. Die Ebenen und Hügel befinden sich schon über 1000m Höhe. Die Sonne ist intensiver, das begriff ich mit dem ersten Sonnenbrand. (Inzwischen schmiere ich mir den Sonnenschutzfaktor 50 alle 2 Stunden ins Gesicht, die Botox-Lippen erzählen von ihren Qualen).
Das Gras hält den Boden. Und manchmal durchfuhr es mich, hier fehlt etwas. Es waren die Büffelherden, die über diese Weiten zogen. Doch irgendwann beginnt sich die Landschaft zu ändern, die Höhe macht sich bemerkbar. Die weiten Grasflächen werden von Sagebrush abgelöst, die anfangs vereinzelt und schließlich weite Hügel überzogen. Hier im Vordergrund siehst du den Wüsten-Beifuß. Der Name Sage und auch seine weißgrünen Blätter ließen mich an Salbei denken, doch dieser Busch wird bis zu 3m hoch, wenn er genug Wasser hat. Der Wüstensalbei ist nicht mit dem Salbei verwandt, ebenso wenig wie der Prairie-Sage, beide gehören in die Familie des Beifuß. Im Hintergrund tauchen die ersten Koniferen auf, Pinien, die sich dunkel wie in den Black Hills, abzeichnen.
Und wieder Berge, von denen ich noch nie etwas gehört habe, die Bighorn Mountains. Und begleitet von Hinweisschildern, die mir von dem großen Alter, der hier gefundenen Steinen erzählen, geht es aufwärts. Auch wenn ich jetzt nichts in Wikipedia finde, da waren Schilder, die auf Präkambrische Steine, 2,9 Milliarden Jahre alt, hinwiesen. Das ist verdammt alt. Unsere ältesten im Waldviertel sind rund eine Milliarde Jahre alt: der Bittescher Gneis.
Ich gebe zu, ausschauen tun sie ähnlich, sie sind auch alle zusammen ähnlich entstanden, als Tiefengestein, denn es ist tief im Inneren der Erde unter hohem Druck und hohen Temperaturen geschmolzen. Dieser Prozeß wird Metamorphose genannt. Ich weiß, dass klingt alles so weit weg.
Doch Bezug dazu habe ich gewonnen, seit ich mir einige Eckdaten gemerkt habe. Unsere Erde ist ca 4,6 Milliarden Jahre alt. Damals war es einfach zu heiß, alles war geschmolzen, die Erde musste erstmal etwas abkühlen. Doch schon 0,3 Milliarden Jahre später umschloßen Gneise Zirkone. Zirkone schauen aus wie Diamanten, nur gibt es sie viel öfter, und so werden sie als billiger Ersatz bei Modeschmuck verwendet, aber sie sind oft diejenigen, die das Alter umgebender Steine verraten. In Kanada und Grönland aber auch in anderen Kratonen (das sind alte erste Trümmer, die den Kern unserer Kontinente bildeten) findet man sie. Der Zerfall von Uran in ihnen verrät ihr Alter. Wenn ich das nicht gewusst hätte, würde mich der Hinweis nicht beeindruckt haben.
Das Becken des Bighorn-River trennt diese Berge von den Rocky Mountains, auch wenn sie geologisch zusammengehören. Dass ich über einen Pass fahren sollte, der knapp 400m höher als unser Großglockner liegt, ahnte ich nicht. Der Powder River Pass liegt rund 2946m hoch (der Pass des Großglockners 2576m).
Und damit beschließe ich meinen heutigen Unterricht 🙂 Abschließend ein paar Bilder von altem metamorphem Gestein und Sedimentgestein, das leicht durch die sichtbaren Schichten zu identifizieren ist. Dazwischen zittern ein paar Espen vor Ehrfurcht.