Gott, was für eine Höhle, besser gesagt, was für ein Höhlensystem!
Irgendwie war mir das fast zuviel auf einmal. Wie immer meinem Motto folgend, nur nicht zuviel vorher lesen, damit die Überraschung umso größer ist, war ich nicht auf das vorbereitet, was ich hier zu sehen bekam.
Dass Lascaux nicht zu den riesigen Höhlen gehört, hatte ich schon mitbekommen. Aber was ist schon riesig? Woher soll ich das den wissen?
Ich war schon beeindruckt von den paar hundert Metern engen Gang in Les Combarrelles, und von der Grotte Font-de-Gaume, die auch tief in den Berg geht, aber auch noch bis zu 12 Meter, wiki sagt huit, 8m, hoch ist, mein Französisch ist nicht das beste. Beide sind aber relativ schmale Höhlen, in Les Combarrelles geht es nur, wenn wir Besucher hintereinander hineingehen, in Font-de-Gaume kann man aneinander vorbeigehen, eng ist es trotzdem.
In Azé hatte ich ja schon gesehen, wie ein Fluss sich durch den Berg windet. Aber das hier muss ein gewaltiger Gebirgsbach gewesen sein. Eines wunderte mich, die vielen Knollen, die überall herausragten. Bei normalem Kalk, der durch Ablagerungen im Meer entstanden ist, sind keine fremden, andersartigen Steine eingeschlossen. Aber siehe da, das war DER Feuerstein, mehr über kommt noch später. Hier war er zu Hauf zu sehen, das war also ein solch spezieller Platz. Und vielleicht sind die Löcher in den Wänden von Lascaux auch durch die Herausnahme von Feuersteinknollen entstanden.
Die Höhle ist mehr als 8 Kilometer lang und wird jetzt zu Besuchszwecken mit einer kleinen Elektrobahn befahren, die entlang des Hauptgangsystems 2 Kilometer tief in den Berg vordringt . Es bestehen 10 Schachtöffnungen, die in ein tieferes Höhlenstockwerk führen.
Ich schaute also bei der kleinen Eisenbahn, die mich irgendwie an die Liliputbahn im Prater erinnerte, links und rechts und da ging es mehrmals tief runter. Da musste das Wasser also auf eine weichere Stelle gelangt sein und hat dann die direttissima nach unten gewählt. Wasserstrudel in einem Gebirgsbach habe ich natürlich auch schon gesehen, aber was diese Wirbel unterirdisch Zustände bringen, und wie das in einer Höhle aussieht, noch nicht. Dort bilden sich riesige kreisförmige Dome.
Ich hatte noch gar keine Bilder gesehen und dachte mir, dass man das hier auch ohne diese hervorragend als Geisterbahn würde nutzen können. Ein paar Lichteffekte, mal dunkel, mal hell, da sieht man auch so zahlreiche Ungeheuer.
Es geht also tief hinein in den Berg. Ich weiß nicht, ob ich mich so weit vorwagen würde. Aber da waren schon welche in früheren Jahrhunderten und nicht nur Jahrtausenden drinnen. Und wie in Font-de-Gaume wollten sie, dass man sich an sie erinnert. Hätten sie die Graffitis auch angebracht, wenn sie gewusst hätten, wie wir heute über sie denken? Es ist nicht schön, Inschriften zu sehen, die, ich vermute mal, wie „Hans war da“ lauteten, zu lesen.
Als ich nach oben sah, waren tiefe Rillen zu sehen. In meinem kleinen Leseführer, den ich mir auslieh, konnte ich lesen, dass Bären hier ihre Krallen abschliffen, oder einfach nur reinhauten, wozu auch immer. Später bekam ich dann auch das „Matratzenlager“ der Bären zu sehen. Über viele, viele Jahre hin, haben sich Bären tief in die Höhle zurückgezogen (wie haben sie dort nur hineingefunden, da ist es stockdunkel und wieso wussten sie, wann es wieder Zeit zum Aufstehen war? War es einfach nur Hunger, der sie wieder ins Freie trieb?). Nicht alle auf einmal, aber jede Familie, die beschloss hier den Winter zu verbringen, hat sich im weichen Lehm eine Schlafmulde zurecht geformt. Und es war immer nur eine Familie und nicht ein ganzes Bärenlager. Aber der Saal, der eine Mulde nach der anderen beherbergte, hatte etwas sehr Berührendes an sich. Das war aber lange vor jener Zeit, als dann der Mensch, der Cro-Magnon-Mensch die Höhle zu benutzen begann.
Wie alle Höhlen, die tief hineingehen, ist auch diese nie bewohnt gewesen. (Zumindest die, die ich bisher gesehen habe)
Dieses Höhlensystem wurde „nur“ aufgesucht, um Zeichnungen an den Wänden und den Decken zu malen oder Gravuren anzubringen.
Was ich bislang verabsäumt habe zu sagen, was dir als Leser aber auch noch nicht auffallen hat können, ist, dass die Ritzungen, als sie angebracht wurden, viel auffälliger heraus gestrahlt haben müssen. Denn der helle Kalkstein, wenn er frisch angeritzt wird, strahlt fast weiß und die Tiere müssen ganz anders hervorgetreten sein als heute. Heute nehmen wir Taschenlampen und die Schatten helfen uns, die Feinheiten zu erkennen.
Wir sind also mit einer kleinen Eisenbahn in den Berg gefahren. Nein, richtig ist, dass wir im Berg in die Eisenbahn gestiegen sind und dann tief hinunter tuckerten. Manchmal sah ich neben den Schienen, dass tiefe schwarze Löcher in noch weitere Höhlen senkrecht hinunter führten. Weit unten soll noch heute der Fluss fließen, der früher mal hier oben sein Unwesen trieb. Ich finde ja Gebirgsbäche, mit ihrem stürmischen, wilden Gehabe und ihrem ohrenbetäubenden Getöse sehr imposant. So muss es aber auch hier zugegangen sein, lange bevor Menschen diese Höhle betraten und lange bevor Bären hier ihren Winterschlaf hielten.
Die Höhle war schon lange bekannt. Sie wurde bereits im 16. Jahrhundert in der „Cosmographie Universelle“ erwähnt und wurde immer wieder von Menschen aufgesucht. Der Tragweite oder historischen Tiefe war man sich nicht wirklich bewusst. Selbst die Resistance hat sich in dieser Höhle versteckt.
So bekannt die Höhle über die Jahre hinweg war, die prähistorischen Felsbilder wurden erst 1956 offiziell erkannt und bestätigt wurden.
Ich finde es reizend, wie der Autor in Wikipedi schreibt, dass es unverständlich ist, dass viele der bedeutenden Abbildungen an gefährlichen Stellen angebracht wurden.
Was so moderne Menschen für unverständlich halten. Manchmal würde ich gerne solche Autoren mit einer kleinen Fackel hineinjagen. Ich hätte bei meinem Freund Martin doch zusehen sollen, wie er mit einem 6‑jährigen eine Fackel bastelte. Vor allem hätte mich die Lichtintensität interessiert. Aber vielleicht probiere ich mal Fettlampe mit Wacholderzweigen aus.
Was sind das nun für Stellen? Eine der hintersten Plätze, die wir als Touristen besichtigen können, ist zunächst mal für uns Touristen ausgehoben worden, denn die Höhle war hier nur mehr einen Meter hoch. Und da kann man schlecht mit einer Eisenbahn hineinfahren. Aber selbst wenn das nicht das Hindernis gewesen wäre. Die teilweise riesigen Bilder hätten wir nicht gut erkennen können, wenn der Abstand so knapp ist. An der „Großen Decke“ finden wir an der einen Seite Steinböcke und auf der anderen Seit e Pferde, jeweils eines davon sehr groß. Und überall verteilt, sind Darstellungen von Mammuts. Die in dieser Höhle wirklich zahlreich vertreten sind. Wie sie diese Tiere vor allem die großen so wirklichkeitsgetreu anbringen konnten, ohne dass sie es als Ganzes gesehen haben, fasziniert mich. Was den Wikipedia-Autor faszinierte, war der riesige Trichter, der an einer Seite der großen Decke tief nach unten führte. Dort unten soll es weitere Abbildungen geben. Wie sie dort hinunterstiegen oder besser kraxelten, habe ich mir nicht vorstellen können. Ich würde mich gut gesichert nicht unbedingt trauen.
Noch eines möchte ich noch erwähnen. Eine Form von Abbildungen, die nur dazu verführen, vergessen zu werden.
Viele Wände sind mit weichem Lehm überzogen, nicht hingreifen hat also eine wirklich wichtige Bedeutung. In diese weichen Wände wurde nun aber auch mit Fingern „gemalt“. Fingerspuren werden sie genannt oder französisch tracé digital. Gerade werden sie makaroniartig genannt oder wenn sie sich schlängeln mäanderartig. Diese Zeichen bedecken 500 Quadratmeter in Rouffignac, wovon 50 von Kindern, die man in die Höhe gehoben hat, gefertigt wurden. (wobei 46 nur von 2 Kindern stammen) Kinder waren also Teil dessen, was in dieser Höhle zelebriert wurde. Es war keine Erwachsenenwelt, sondern die Welt aller Menschen. Niemand war von besonderen Zeremonien ausgeschlossen. Oder standen hier diese Kinder sogar im Mittelpunkt und die Zeichen dienten dazu, dass auch sie Kontakt mit dieser dunklen, mystischen Welt im inneren der Höhle aufnahmen? Später wurden über Teile dieser Streifen Tiere geritzt, geformt, wie immer man das nennen mag.
Ein besonderer, ehrfurchtgebietender Ort.
Und wir fahren mit der Eisenbahn durch.