Uns modernen Menschen wären es sogar zu anstrengend, die Gravierungen im Orginalzustand zu besichtigen. Denn ich konnte diese schmale (sie ist teilweise nur 1m breit) aufrecht besichtigen. Denn als die Höhle für Touristen adaptiert wurde, hat man einfach gut 50 cm tiefer gebuddelt und nun können wir aufrechten Ganges durchmarschieren.
Da diejenigen, die die Höhle als erste erkundeten, so groß wie ich, also rund 1,60 cm, waren, erkundeten sie die 240m lange Höhle kriechend. Es ist feucht und kühl, rund 10 Grad, nicht einladend. Und trotzdem haben Menschen 2000 Jahre lang, zwischen 9400 und 11700 vor heute, 800 Ritzzeichnungen angefertigt.
Mit Feuerstein hätte man nach 6x einen Strich gesehen, meinte die Führerin.Das klingt alles so einfach. Da kauert man am Boden sitzend, andere liegen bäuchlings, ein flackerndes Licht lässt die unzähligen Erhebungen und Vertiefungen schon ohne menschliches Zutun zum Leben erwachen.
Auch frage ich mich, wer von den anderen schon einmal alleine in eine Höhle gegangen ist. Ich schon. In eine, die ähnlich wie diese hier durch Kalkfelsen entstanden sind, aber auch eine die ein Lavafluss entstanden ist. In der einen hab ich laut gesungen, um Geister zu vertreiben. In der anderen habe ich das komplette Blitzlicht meines Fotoapparats verbraucht, um zu schauen, wo ich hinsteige. Zum Singen bin ich gar nicht mehr gekommen. Überleben war angesagt.
Das ist ja erst der Anfang. Da hab ich noch gar nicht ans Malen gedacht.
Also die sind hier bäuchlings rein (und wie schwierig muss es sein, da wieder raus zu kommen, aber an einer breiteren Stelle konnte man vielleicht umdrehen).
War er oder sie alleine in der Höhle? Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie hintereinander liegend, vielleicht noch tratschend, Mammut oder Pferde in die Wände ritzten.
Nein, gerade die Enge der Höhle, in die man wie in einen Bauch hinein krabbeln muss, erinnert mich mehr an Rituale, eine spirituelle Annäherung.
Einen Strich hat man vielleicht mit 6x fertig, aber ein Strich ist noch kein Pferd. Ich muss ein Bild vor Augen haben, überlegen wie ich den Strich führe. Entscheiden, wo ich das Tier oder Symbol anbringen will. Radieren war ja auch nicht möglich. Diese Aussagen, das hätte man in dieser Zeit fertigstellen können, das sollen sie mir mal zeigen. Wer von denen hat schon mal was zu ritzen versucht, weicher Kalkstein hin, harter Feuerstein her?
Ich habe eine Zeit lang mit Speckstein gearbeitet. Mit Metallwerkzeug und nicht Feuerstein. Verdammt, da rutscht man ziemlich leicht ab, das sagt sich so leicht. Speckstein ist auch ein weicher Stein, mir ist er hart genug. Kurven brachte ich überhaupt nicht leicht zusammen. Aber ich saß auch auf dem Boden, so wie die Menschen in dieser Höhle, die Füße unter meinen Couchtisch geschlungen und genoss die besinnliche Arbeit des Herumschnitzens. Aber es war wärmer als 13 Grad und trockener auch. Das elektrische Licht machte leichter, wo ich den Meißel ansetzen sollte. Dafür hatte ich nicht den rußigen, knisternden, flackernden, duftenden Wacholderzweig brennen. In Kalifornien hatte ich dortigen Juniper (es dauerte Monate, bis ich endlich daran dachte, die Übersetzung nachzuschlagen) in den Bergen gesammelt, mich bei den Büschen bedankt, gelernt, dass er zur Reinigung von Räumen dienen soll, und ihn zu kleinen Räuchersticks gebunden. Wenn ich diese anzünde, zischt es und raucht es von den Ölen in den Nadeln und es duftet. Das weiß ich deshalb so gut, weil ich mir welche mitgenommen habe. Sie brennen gut.
Diese Gedanken waren in mir, auch wenn ich nicht an alle dachte, als ich die Ritzzeichnungen betrachtete. Das war nicht einfach mal schnell gemacht. Sie sind tief in diese schmale, lange Höhle hinein gekrochen. Ich konnte die Ehrfurcht spüren, mit der sie die Pferde galoppieren ließen. Oder wenn sie versuchten die Erdmutter um Fruchtbarkeit zu bitten, in dem sie eine Vulva und Frauen abbildeten.
Hier lobe ich mir die Franzosen, unsere Führerin hat immer sehr auf die Kinder geachtet, immer wieder nachgefragt, ob sie alles verstanden haben oder ob es nicht Fragen gab (und auch mal den Vater um Geduld gebeten, weil sein Sohn sich vor ihm an sie gewendet hatte). Sie sprach von der weiblichen Vulva, die hier symbolisch dargestellt wurde, mit der größten Selbstverständlichkeit. (Wo die kleine Ruth plötzlich Französisch gelernt hat?)
Und falls es noch nicht ganz klar ist, die Führung ist deshalb auch so nett, weil es nicht viele sind, die in einer Gruppe hineingehen. Das hat keine besonderen Gründe, mehr würden einfach nicht sehen, was gerade erklärt wird. Und es gab eine feine vertraute, intime Atmosphäre.
Um einen Eindruck zu bekommen, wo all diese Höhlen liegen, wie der Kalkstein aussieht und wie die Landschaft geformt ist, hier noch ein paar Bilder.