Urlaub vorkosten: Ein bisserl Stonehenge ums Eck besuchen

p1010889-001

Ein Muse­ums­be­such kann manch­mal eine wun­der­bare Ersatzhand­lung sein. Statt Stone­henge zu besuchen, lerne ich ein wenig darüber und drumherum. Ich reise mit mein­er Fan­tasie nicht nur in andere Gegen­den son­dern auch in eine andere Zeit zu anderen Men­schen, Men­schen, die irgend­wo auch meine Vor­fahren waren.

Da bis 27.11.2016 im Mamuz in Mistelbach/Niederösterreich  eine Ausstel­lung über Stone­henge läuft, habe ich mich aufgemacht und mir die Ausstel­lung angeschaut. 3 Stun­den bin ich herum gegan­gen, habe mir alle Videos angeschaut, habe manch­mal bei Führun­gen zuge­hört, habe mich neben eine gelang­weilte 17-Jährige geset­zt und ihr von Reisen erzählt und eine mein­er Lieblings­geschicht­en, die ich schon Lau­ra von den Ahousat erzählt hat­te, aus­gepackt. Es ist eine Geschichte vom Anbe­ginn der Zeit.

Einen Tag später habe ich verzweifelt ver­sucht, alle Fra­gen, naja ziem­lich viele, zumin­d­est solche, die auch beant­wortet wer­den kön­nen, durch Lesen und Schauen und Hören zu lösen.

Langsam klären sich Dinge, die für mich noch offen geblieben sind. Wahrschein­lich ist es ein­fach meine Aus­bil­dung als Eth­nolo­gin, dass ich erst mal ein wenig über die Leute wis­sen will, denn son­st kön­nten es wohl auch Außerirdis­che sein, die Steine auf­stellen (wozu sollen Außerirdis­che soweit reisen, um dann sinn­los Steine anzuhäufen?) und dann wäre es mir ziem­lich egal. Aber Men­schen inter­essieren mich. Die Kleine neben mir hat mich gefragt, ob ich, wenn es möglich wäre, zum Mars fliegen wollte. Zu mein­er eige­nen Über­raschung verneinte ich blitzschnell. Es gibt so vieles, was ich hier noch zu ler­nen und zu ver­ste­hen habe, und der Mars hat nichts davon.

Es ist das Leben, unser Leben, von dem ich nicht satt werde, mehr zu erfahren.

Wer waren also die Men­schen, die so viel Zeit hat­ten, etwas Riesiges, Gewaltiges, beina­he Überirdis­ches aufzustellen?

Es waren Bauern, die ersten in Europa. Die aus Ana­tolien kamen, Ger­ste und Weizen, genau genom­men wird es Einko­rn oder Emmer gewe­sen sein, in den Taschen mit­brin­gend, Schafe und Ziegen vor sich hertreibend, die es vorher in Mit­teleu­ropa nicht gegeben hat, Rinder und Schweine, die es hier schon gab, aber nicht für den Haus­ge­brauch gezähmt, nicht zu vergessen. Dank der Genetik ist eines klar, es gab keinen Kul­tur­trans­fer, son­dern Men­schen kamen und bracht­en ihre Kul­tur mit. Die Sar­den haben heute noch am meis­ten Gene mit diesen ersten Migranten gemein, sind genetisch also noch am meis­ten mit diesen alten ana­tolis­chen Bauern ver­wandt. So wie Ötzi mit diesen genetisch ver­bun­den war. Die Sar­den und Ötzi waren mit den Migranten, den Viehzüchtern und Acker­bauern  aus Ana­tolien ver­wandt. Und die Jäger und Samm­ler, die die ersten Flüchtlinge aus Afri­ka waren, lebten noch sehr lange Zeit neben ihnen. Und sie sahen so aus, wie heute nie­mand mehr aussieht, die waren dunkel, sie waren Schwarze mit blauen Augen. Das erzählen zumin­d­est ihre Gene. (Und die Nean­der­taler eben­so, auch wenn sie in Museen ganz anders auss­chauen) Die ersten Europäer waren, wie alle späteren auch, Afrikan­er. Das Vit­a­min D der Sonne braucht­en allerd­ings erst die Bauern, die sich haupt­säch­lich veg­e­tarisch ernährten, Joghurt und Käse vielle­icht, hin und wieder mal Fleisch, aber viel zu wenig und sie wur­den weiß. Aber die Milch vertru­gen sie damals auch nicht. Joghurt und Käse besitzen kaum Milchzuck­er. Milchtrinken ist wohl das Urtyp­is­chte der Europäer. Alles andere kann disku­tiert werden.

Johannes Krause vom Max-Planck-Insti­tut für Men­schheits­geschichte erzählt es sehr begeis­tert und anschaulich und mir macht es riesi­gen Spaß, die Geschwindigkeit wie durch die Genetik die alten Inter­pre­ta­tio­nen der His­torik­er durcheinan­der geschüt­telt wer­den. Er kann Geschicht­en erzählen. Die andere Forsch­er dieser Vor­tragsrei­he fes­seln mehr durch Inhalt nicht durch Vor­trag. Und mit Amüse­ment stelle ich fest, wie manchen die Ergeb­nisse der Genetik nicht gefall­en, denn es passt nicht zu ihren Theorien.

Bevor diese Migranten aus dem Süden kamen, sah es in Großbri­tan­niens anders aus. Die Insel war bewaldet, es wuch­sen Kiefern, Eichen, Buchen, Erlen und Pap­peln. Dazwis­chen gediehen Gräs­er, Kräuter und ein paar Büsche wer­den wohl auch dazwis­chen gewe­sen sein. Als Nach­we­hen der Eiszeit gab es Step­pen­land­schaften, die sich wohl mit der zunehmenden Wärme in den Nor­den zurück­zo­gen. In den Wäldern lebten Wölfe, Aue­rochsen, Hirsche, Moorhüh­n­er und zahlre­iche Nagetiere. Erst die Acker­bauern fäll­ten Bäume, und ihre Ziegen, Schafe und Rinder ver­hin­derten, dass der Wald zurück­kam. Die ältesten Funde gehen auf 6000 v.Chr. zurück. Sie macht­en Europa zu dem, das wir ken­nen. Statt eines riesi­gen undurch­dringlichen Waldes wird das Land offen.

Es war keine Ver­bre­itung der kul­turellen Tech­nik des Acker­baus und der Viehzucht, son­dern es waren die Men­schen, die sel­ber kamen und was mit­bracht­en. Und sie kamen langsam. Viele 100 Jahre, ja 1000e Jahre vergin­gen, bis sie sich von Nor­dana­tolien über die Donau, Ital­ien und Spanien in den Nor­den bewegten. Es waren genetis­che Unter­suchun­gen, die ergaben, dass die ersten Europäer, die vor 40.000 Jahren kamen und als Samm­ler und Jäger lebten, sich genetisch von den Acker­bauern unter­schieden. Was mich immer noch verblüfft (was mit großer Leichtigkeit geschrieben wird), die kamen auch auf die iberische Hal­binsel und Südi­tal­ien. Mit Booten? Sind sie da Nordafri­ka ent­lang gekom­men? Nicht nur Bauern, son­dern auch Seeleute? Mich erstaunt dies noch immer, erk­lärt mir aber ander­er­seits auch, wie sie nach Großbri­tan­nien kamen, denn, als sie kamen, war die Insel zu Insel gewor­den. Die Jäger und Samm­ler kamen noch trock­e­nen Fußes dorthin.

Diese neuen Forschungsmeth­o­d­en wirbeln ganz nett die alten Vorstel­lun­gen durcheinan­der, hal­ten mich auf Trab, denn ich schau inzwis­chen immer nach, ob es neuere Erken­nt­nisse gibt. Das Max-Planck-Insti­tut für Men­schheits­geschichte ist da eine gute Adresse. 

Es waren also Bauern, die die Wälder rode­ten und die ersten hölz­er­nen Henges aus dick­en alten Eichen­stäm­men errichteten. Diese ersten Bauern began­nen in ganz Europa Stein­mon­u­mente zu erricht­en, und zugle­ich verän­derten sie das Land mas­siv. Die dun­klen Wälder ver­schwan­den langsam aber sich­er. Der Men­sch verän­dert das Land mas­siv und zwar seit es sie gibt und sie sich über den Erd­ball aus­bre­it­en. Selb­st die Abo­rig­ines verän­derten das Land mas­siv durch Bran­dro­dun­gen. Men­schen verän­dern die Welt, immer schon.

Und der Men­sch wird sich sein­er selb­st bewusst, aber auch über das Unberechen­bare und schafft Begrün­dun­gen für Unerk­lär­lich­es. Daran hält er sich fest und es gibt im Sicher­heit. So ent­standen die ersten spir­ituellen Plätze.

In der Nähe von Stone­henge gibt es warme Quellen. Diesen Gewäss­er frieren nie zu, das bedeutet, dass Tiere auch im Win­ter dor­thin zogen. Sel­tene Rotal­gen wach­sen dort und nimmt man einen Stein her­aus, ver­färbt er sich während des Trock­nens in ein wildes Pink. Aber ob warm oder kalt, Quellen haben Men­schen immer schon fasziniert. Selb­st heute sind sie Ziel für und Ort von Erschei­n­un­gen. Wass­er gehört irgend­wie dazu, ob es die Taufe ist oder bei Mariener­schei­n­un­gen wie in Lourdes.

Irgend­wie habe ich den Ein­druck, dass die Archäolo­gen bei spir­ituellen Plätzen sich sehr an die materielle Kul­tur anlehnen. Viele alte Kirch­leins ste­hen auf noch älteren Kult­plätzen. Soll hier der einzige Grund jen­er sein, dass vorher auch schon etwas Religiös­es dort war? Oder vielle­icht gibt es bes­timmte Kräfte, die wir heute noch nicht messen kön­nen, so wie der Strom vor 200 Jahren etwas Magis­ches war.

In diesen offe­nen Flächen begin­nen sie riesige Mon­u­mente zu erricht­en, aus Holz Kreis­grabenan­la­gen, Steinkreise wie in Stone­henge, Men­hire, Dol­men. Was mich dabei fasziniert ist nicht nur, die tech­nis­che Begabung, die wir uns noch immer nicht ganz erk­lären kön­nen (Steine von weit her trans­portieren, das Aufricht­en, das Ineinan­der­fü­gen der viele Ton­nen schw­eren Steine…), son­dern auch der geistige (spir­ituelle) Hin­ter­grund, von dem wir nur ahnen kön­nen, was er sein kön­nte, aber auch wie viele Men­schen so viel Zeit opfern kon­nten, um diese Plätze zu dem zu machen, was sie sind. Es muss auch Über­fluss gegeben haben, denn das Essen und Trinken geht immer noch vor.

Alles erzählt uns etwas. Ich komme ins Schmun­zeln bei den vie­len The­o­rien. Warum denken sie so kompliziert?

Jahreszyklen sind für Bauern immer wichtig gewe­sen (siehe Bauernkalen­der), die dun­kle Jahreszeit grim­mig (siehe Per­cht­en in Salzburg und Tirol), das Gedenken an Ahnen (Aller­heili­gen und Allersee­len) in jed­er Kul­tur vorhan­den, das Ver­bun­den­sein ver­schieden­er Kult­plätze durch Wege (ob Jakob­sweg oder das Pil­gern nach Mari­azell) lange Tra­di­tion in vie­len Gesellschaften.

Vor 5100 Jahren began­nen Men­schen einen ersten Wall zu errichten.

Stone­henge stand von 3100 v. Chr. bis 1600 v. Chr. in Ver­wen­dung, verän­derte sich immer wieder, was ver­wun­dert erwäh­nt wird. Es sind 1500 Jahre. Was haben wir heute mit den Men­schen von 6. Jahrhun­dert gemein­sam? Wir haben keine Idee. Wir wür­den ihre Sprache nicht ver­ste­hen und das Essen würde uns wahrschein­lich auch nicht schmeck­en. Das ist ver­dammt lange her und in unser­er Kul­tur gab es Schrift, um Dinge fes­thal­ten zu kön­nen. Klar haben sich Bedeu­tun­gen und Rit­uale verän­dert. Wir feiern heute die Messe auch nicht mehr so, wie vor 100 Jahren. Wenn es nicht irgendw­er aufgeschrieben hätte, wir wüssten es nicht mehr.

Span­nend finde ich auch, dass es ein weit größeres Are­al umfasst. Dur­ring­ton Walls liegt 3,2 km ent­fer­nt, dort haben die Forsch­er der Lud­wig Boltz­mann Insti­tuts und der Uni­ver­sität Birm­ing­ham einen viel älteren Henge gefun­den. Die gesamte Gegend ist durch­zo­gen von ver­schiede­nen Ritualplätzen.

Was ich beim Besuch des Muse­ums gel­ernt habe, ist, dass meine Neugi­er unendlich groß ist, ich immer mehr wis­sen will, es immer noch etwas gibt, das ich ver­ste­hen will. Ich kann das Mys­ter­iöse ein­fach ste­hen lassen. Sein-lassen. Alte Plätze als Orte, der den Vor­fahren heilig war, als solchen annehmen. Ein Raum, dem ich mich nähere mit der Achtung vor ver­schiede­nen Religionsbildern.

Sie dienen immer dazu, das Unbe­grei­fliche fassen zu kön­nen. Und alle wis­sen, wir kön­nen es nicht. Glaube ist unan­greif­bar. Nur Ver­nun­ft und Weisheit ist ein guter Fre­und. Denn es bleibt uns nichts anderes als Respekt und Wertschätzung. Vielle­icht wäre heute wichtiger als alles andere, dass wir uns gegen­seit­ig respek­tieren. Son­st scheit­ern wir beim Men­sch­sein. Oft genug sind wir nicht fähig, das Glaubens­bild ander­er ste­hen zu lassen, ohne Wer­tung und Verurteilung. Wenn alle mit diesen Bildern so umge­hen, dann ist die Welt gerettet.

Pfahlbaumuseum Unteruhldingen

Als ich mich auf die Reise vor­bere­it­ete, ent­deck­te ich immer mehr Museen, die sich mit sehr alter Geschichte, der Jung­steinzeit, aber auch Bronzezeit beschäftigen.

Das erste dieser Art, das ich besuchte, liegt am Bodensee. Es sind beein­druck­end viele Häuser errichtet wor­den. Ich freute mich, dass im Ein­trittspreis eine Führung inbe­grif­f­en war, wurde allerd­ings ent­täuscht. Die Infor­ma­tion war für Kinder auf­bere­it­et und das erk­lärt vielle­icht den Preis, den dieses Muse­ums­dorf für Fam­i­lien­fe­rien erhal­ten hat. Es kann aber auch sein, dass dieses Beplätschert-Wer­den mir zu wenig Freiraum für meine Phan­tasie bietet. Einige Häuser kann man nur mit der Führung betreten, darf nicht fotografieren und so ste­ht man etwas gedrängt in den kleinen Häusern und ver­läßt sie auch schon wieder, sobald der Vor­trag zu Ende ist.

Sie sind sehr stolz Teil des Weltkul­turerbes zu sein, als ich jet­zt nach­las, sind ins­ge­samt 111 Fund­stellen rund um den Alpen­raum, die als Fund­stellen von Pfahlbaut­en zu diesem zählen.

Neu für mich war die Ver­wen­dung des Zun­der­schwamms. Ich kan­nte diesen Schwamm, der an Bäu­men wächst, doch Name und Funk­tion waren mir unbekan­nt. Wie müh­selig für uns heute die Ver­wen­dung ist, habe ich durch den Beitrag auf Youtube erfahren, wo Sur­vival-Train­er die Ver­wen­dung zeigen.

Was mir als Bib­lio­thekarin am meis­ten in Erin­nerung bleiben wird, war der Hin­weis auf das Urhe­ber­recht, als ich Nach­bil­dun­gen von bronzezeitlichen Werkzeu­gen und Mod­els fotografieren wollte. Mir ist es noch immer nicht klar, warum Stein­beile, von denen ich etliche im Inter­net find­en kann, dort vor Ort nicht fotografieren darf.

Dass dies nicht immer so ist, erfuhr ich im Laténi­um am Neuen­burg­er See. Doch davon später.